Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />
Die Entwicklung in den alten Bundesländern ist ein<br />
eindrucksvoller Beleg dafür, daß umweltverträgliches<br />
Wirtschaftswachstum möglich ist. So wurde im Jahre<br />
1989 mit dem gleichen Primärenergieeinsatz wie<br />
zwanzig Jahre zuvor ein Drittel mehr an Waren und<br />
Dienstleistungen produziert. Überdies wurden bei<br />
gleichem Energieeinsatz weniger Schadstoffe emittiert.<br />
Bei einigen Schadstoffkategorien gingen die<br />
Emissionen sogar drastisch <strong>zur</strong>ück. Das wurde dadurch<br />
ermöglicht, daß die Unternehmen und die Privathaushalte<br />
über Preissignale und Auflagen zu umweltschonender<br />
Produktion und Güterverwendung<br />
angehalten wurden.<br />
Der Vergleich mit derehemaligen DDR und den anderen<br />
früher sozialistischen Staaten in Osteuropa zeigt,<br />
daß der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen<br />
nicht in Systemen mit staatlicher Wirtschaftslenkung<br />
am besten gewährleistet ist, sondern in Gesellschaften,<br />
in denen die Dringlichkeit des Umweltschutzes<br />
durch öffentliche Diskussion <strong>zur</strong> Geltung gebracht<br />
wird, in denen der Staat Nonnen für die Umweltnutzung<br />
setzt und in denen die Privaten im Wettbewerb<br />
nach Wegen suchen, auf denen sich die ökologischen<br />
Ziele am wirksamsten erreichen lassen. In der früheren<br />
DDR wurde der Umweltschutz offiziell zwar als<br />
StaatszieJ proklamiert, doch geriet er in der Praxis so<br />
stark ins Hintertreffen, daß die Gesundheit der Bevölkerung<br />
in manchen Regionen ernsthaft gefährdet und<br />
die Natur teilweise ruiniert wurde. Nicht zuletzt aufgrund<br />
der Umweltschäden lag die Lebenserwartung<br />
bei den Männern um 2V2 Jahre und bei den Frauen um<br />
7 Jahre niedriger als in der damaligen Bundesrepublik.<br />
Der Raubbau an der Natur war bereits so weit<br />
fortgeschritten, daß nach der politischen Wende die<br />
Umweltstandards nicht mehr _. wie in den westlichen<br />
Ländern - durch Umrüstung oder wirtschaftlichen<br />
Strukturwandel erreicht werden konnten, sondern<br />
umweltgefährdende Produktion in größerem Umfange<br />
stillgelegt werden mußte.<br />
111. Zu den Grundlinien der Wirtschaftspolitik<br />
Die wirtschaftliche Integration in Deutschland:<br />
Perspektiven - Wege - Risiken<br />
285. Will die Wirtschaftspolitik den großen vor ihr<br />
liegenden Aufgaben gerecht werden, muß sie aus ihren<br />
Widersprüchen herausfinden und neue Prioritäten<br />
setzen. Den Neuaufbau der ostdeutschen Wirtschaft<br />
voranbringen und so die noch druckenden sozialen<br />
Probleme der Umstellung an ihrer Wurzel angehen,<br />
dabei eine Überforderung der Leistungsfähigkeit der<br />
westdeutschen Wirtschaft vermeiden, zugleich den<br />
Anforderungen des europäischen Binnenmarktes und<br />
seiner Weiterentwicklung zu einer Wirtschafts- und<br />
Währungsunion Rechnung tragen, darüber hinaus<br />
den Reformprozeß in den osteuropäischen Ländern<br />
unterstützen - das alles erfordert eine Wirtschaftspolitik,<br />
bei der sich die einzelnen Akteure nicht wechselseitig<br />
in die Quere kommen, sondern zielstrebig<br />
einer klaren Grundlinie folgen.<br />
286. Die Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus in<br />
den neuen Bundesländern und dessen soziale Flankierung<br />
machen noch für eine Reihe von Jahren den<br />
Einsatz umfangreicher öffentlicher Mittel nötig, die<br />
vornehmlich in den alten Bundesländern aufgebracht<br />
werden müssen. Macht die Wirtschaftspolitik das<br />
nicht hinlänglich deutlich undwirkt sie dem Beharren<br />
auf alten Besitzständen nicht entschlossen entgegen,<br />
sind zunehmende Verteilungskonflikte auf allen Ebenen<br />
programmiert,<br />
Verteilungskonflikte zwischen dem Osten und<br />
dem Westen Deutschlands mit negativen Folgen<br />
für das wirtschaftliche und soziale Zusammenwachsen,<br />
Verteilungskonflikte der Gebietskörperschaften<br />
untereinander sowie zwischen diesen und den Sozialversicherungen<br />
mit negativen Folgen für die<br />
Solidität der Staatsfinanzen und für die Klarheit in<br />
der staatlichen Aufgabenteilung,<br />
Verteilungskonflikte zwischen dem Staat und den<br />
Steuerzahlern mit negativen Folgen für die notwendigen<br />
Leistungsanreize,<br />
Verteilungskonflikte zwischen alten und neuen<br />
Empfängern staatlicher Subventionen mit negativen<br />
Folgen für die Wirksamkeit der aUfgewandten<br />
Mittel,<br />
Verteilungskonflikte zwischen Unternehmen und<br />
Arbeitnehmern mit negativen Folgen für das gesamtwirtschaftliche<br />
Preisniveau und die Beschäftigung,<br />
Verteilungskonflikte zwischen Gewinnern und<br />
Verlierern der Geldentwertung mit negativen Folgen<br />
für Sparen und Investieren und damit für den<br />
künftigen Wachstumsspielraum.<br />
Den gesamtwirtschaftlichen Zielen droht somit von<br />
diesen Konflikten Gefahr. In der Beschleunigung des<br />
allgemeinen Preisanstiegs und im niedrigen Wechselkurs<br />
der D-Mark ist die Gefahr für den Geldwert im<br />
Jahre <strong>1991</strong> bereits deutlich sichtbar geworden. Daß<br />
das gleiche nicht auch schon für Wachstum und Beschäftigung<br />
gilt, darf nicht zu Sorglosigkeit Anlaß geben.<br />
Prüfstein einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik<br />
ist, wie rasch und wie nachhaltig es ihr gelingt,<br />
einem weiteren Umsichgreifen der Verteilungskonflikte<br />
entgegenzuwirken.<br />
287. Die sich verschärfenden Konflikte in der Verteilung<br />
stehen einerWirtschaftspolitik entgegen, die den<br />
Herausforderungen der wirtschaftlichen und sozialen<br />
Integration in Deutschland wie den europäischen<br />
Herausforderungen gerecht wird und damit auch den<br />
Chancen, die sich aus deren Bewältigung für die Zukunft<br />
ergeben. Was von der Wirtschaftspolitik getan<br />
werden muß, um den eingetretenen Fehlentwicklungen<br />
zu begegnen und den drohenden zuvorzukommen,<br />
kann nur getan werden, wenn die sich damit<br />
verbindenden Veränderungen in der Verteilung der<br />
Realeinkommen hingenommen werden. Einmal besetzte<br />
Verteilungspositionen werden jedoch mit<br />
Macht verteidigt. Das Anspruchsdenken scheint um<br />
so mehr auszugreifen, je weiter die Wohlstandsmehmng<br />
einer Gesellschaft fortschreitet. Die jüngste Entwicklung<br />
in der Bundesrepublik steht jedenfalls als<br />
eindrucksvoller Beleg hierfür: Alle bejahen die Notwendigkeit,<br />
den wirtschaftlichen Aufbau der neuen<br />
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