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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />

tet eine Ausbildung an modem ausgestatteten ÄIbeitsplätzen.<br />

Deshalb müßten vor allem neue und<br />

technisch gut ausgestattete Unternehmen dafür gewonnen<br />

werden, Qualifizierungsmöglichkeiten anzubieten,<br />

die zugleich die Aussicht auf neue Arbeitsplätze<br />

eröffnen. Hier kann mit Einarbeitungszuschüssen<br />

gearbeitet werden.<br />

Zweifelhaft ist jedoch, ob es gelingen kann, im Rahmen<br />

von ABS-Gesellschaften qualitativ und quantitativ<br />

hinreichende Qualifizierungsmöglichkeiten zu<br />

schaffen. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen dafür<br />

in den aus den alten Strukturen hervorgegangenen<br />

und in erster Unie an zeitweiliger Erhaltung oder<br />

Abwicklung des Alten orientierten Einheiten nicht<br />

besonders gut. Da meist nur technisch veraltete Anlagen<br />

<strong>zur</strong> Verfügung stehen, ist es nicht möglich, die<br />

Arbeitnehmer mit modemen Produktionstechniken<br />

vertraut zu machen. Es wäre aber auch nicht vertretbar,<br />

teure moderne Maschinen nur zu Ausbildungszwecken<br />

anzuschaffen. Derartige Investitionen würden<br />

nur zu der Forderung führen, die Tätigkeit der<br />

ABS-Gesellschaft zu verlängern, um die Anlagen besser<br />

nutzen zu können.<br />

Lohnsubventionen: Eine Altemative?<br />

538. Zur Verminderung offener Arbeitslosigkeit<br />

werden heute in verschiedenen Formen Subventionen<br />

gewährt, um die Beschäftigung von Arbeitnehmern<br />

zu ermöglichen. Hierzu gehören - aus ökonomischer<br />

Sicht - auch die Leistungen der Bundesanstalt<br />

für Arbeit <strong>zur</strong> Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,<br />

ebenso das Kurzarbeitergeid, soweit<br />

Kurzarbeit dazu dient, den Abbau von Arbeitsplätzen<br />

hinauszuschieben; die gleiche Wirkung können<br />

auch die Liquiditätshilfen haben, die die Treuhandanstalt<br />

mren Unternehmen zukommen läßt. Als<br />

Alternative zu dieser Form der Beschäftigungsförderung<br />

könnte man offene Lohnsubventionen in Betracht<br />

ziehen; dieser Vorschlag istin zahlreichen Varianten<br />

in die wirtschaftspolitische Diskussion eingebracht<br />

worden.<br />

Kennzeichen offener Lohnsubventionen ist, daß die<br />

Bemessung unmittelbar an den Arbeitskosten anknüpft.<br />

Manche Varianten sehen vor, daß die Subvention<br />

einen bestimmten Teil der Arbeitskosten decken<br />

soll; hierzu gehört auch der Vorschlag, den Arbeitgeber<br />

in Höhe seines Anteils an den Sozialabgaben zu<br />

entlasten. Eine andere Variante sieht vor, daß die Subvention<br />

sich nach der Differenz zwischen dem gezahlten<br />

Lohn und einem Referenzlohn richtet, somit entfällt,<br />

wenn der Referenzlohn erreicht wird. Zu unterscheiden<br />

ist weiter zwischen generellen Lohnsubventionen,<br />

die allen Arbeitgebern gewährt werden, und<br />

selektiven Lohnsubventionen, die auf bestimmte Bereiche<br />

beschränkt bleiben.<br />

539. Ausgangspunkt der Begründung für generelle<br />

Lohnsubventionen ist, daß bei einer für wünschenswert<br />

oder unvermeidlich gehaltenen Lohnhöhe viele<br />

Arbeitnehmer arbeitslos bleiben, die bei einem niedrigeren<br />

Lohn beschäftigt werden könnten; die Subvention<br />

eFffiöglicht höhere Beschäftigung auch ohne<br />

Lohnabsenkung. J\.1it dem Vorschlag der Lohnsubven-<br />

tionierung verbindet sich häufig Kritik an der Förderung<br />

von Investitionen; dadurch werde ein Anreiz für<br />

kapitalintensive Produktion geschaffen, das Ziel, mit<br />

knappem Kapital möglichst viel Beschäftigung zu<br />

schaffen, also verfehlt. Als Beispiel wird auf Entwicklungsprojekte<br />

verwiesen, bei denen die Investitionsförderung<br />

in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit zum<br />

Aufbau kapitalintensiver Industrien mit nur wenigen<br />

Arbeitsplätzen geführt habe.<br />

Für die neuen Bundesländer treffen derartige überlegungen<br />

nicht zu. Es ist davon auszugehen, daß nach<br />

Bewältigung der übergangsphase dort ähnliche<br />

Strukturen entstehen wie im Westen; wesentliche Unterschiede<br />

hinsichtlich der Kapitalintensität, der Arbeitsproduktivität<br />

und der Lohnhöhe wird es nicht<br />

geben. Kein Investorkann und soll sich darauf einstellen,<br />

daß dort auf längere Dauer ein Niedriglohngebiet<br />

bestehen wird. Es kann also nicht darum gehen, durch<br />

Lohnsubventionen Industriezweige anzulocken, die<br />

auf niedrige Arbeitskosten angewiesen sind. Es<br />

kommt vielmehr darauf an, die Investitionen in Gang<br />

zu bringen und zu beschleunigen, die letztlich angemessene<br />

Beschäftigung bei Löhnen, die hinter denen<br />

im Westen nicht wesentlich <strong>zur</strong>ückstehen, ermöglichen<br />

werden. Diesen Investitionen stehen heute noch<br />

viele Hemmnisse entgegen, auch Löhne, die <strong>zur</strong> Zeit<br />

noch vielfach die Leistungskraft überfordern. Hierfür<br />

könnte ein Ausgleich durch Lohnsubventionen geschaffen<br />

werden, aber durch Investitionsförderung<br />

wird das gleiche erreicht. Der Vorzug der Investitionsförderung<br />

ist, daß damit gezielt der Prozeß der Erneuerung<br />

vorangetrieben wird, während Lohnsubventionen<br />

allen Unternehmen, auch den alten und auf<br />

die Dauer nicht lebensfähigen, zugute kämen.<br />

540. J\.1it der Investitionsförderung ist ein im Prinzip<br />

sinnvoller Weg <strong>zur</strong> Förderung des wirtschaftlichen<br />

Aufbaus und damit letztlich auch der Beschäftigung<br />

beschritten worden. Schon aus Gründen des Vertrauensschutzes<br />

wäre es gar nicht möglich, von diesem<br />

Weg kurzfristig wieder abzuweichen. Eine generelle<br />

Lohnsubventionierung könnte heute also nicht mehr<br />

an die Stelle der Investitionsförderung treten, müßte<br />

vielmehr zusätzlich gewährt werden. Das wäre jedoch<br />

ganz und gar unvertretbar.<br />

541. Darüber hinaus gibt es weitere Argumente gegen<br />

Lohnsubventionen:<br />

Mit dem Prinzip der Tarifautonomie sind Lohnsubventionen<br />

schwer zu vereinbaren: Dieses Prinzip<br />

bedeutet, daß die Löhne durch Vereinbarungen<br />

zwischen autonomen Tarifvertragsparteien be~<br />

stimmt werden, die damit zugleich die Verantwortung<br />

für die Folgen zu tragen haben, vor allem die<br />

Folgen für die Beschäftigung. Wird der Zusammenhang<br />

zwischen vereinbarten Tariflöhnen und<br />

Beschäftigung durch Lohnsubventionen aufgehoben,<br />

so kann dies zum gravierenden Präzedenzfall<br />

werden. Es kann die Erwartung geweckt werden,<br />

daß auchin Zukunft der Staat die Folgenverfehlter<br />

Tarifabschlüsse für die Beschäftigung durch Subventionen<br />

auffangen wird. Letztlich kann das dazu<br />

führen, daß eine Tarifautonomie, die zu ökonomisch<br />

untragbaren Ergebnissen führt, in Frage gestellt<br />

werden muß.<br />

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