Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
gen in Deutschland ein größerer Risikoaufschlag gezahlt<br />
werden muß als früher (Ziffer 5). So erklärt sich,<br />
weshalb die Zinsdifferenzen zwischen dem Ausland<br />
und Deutschland so stark geschrumpft sind. Die rückläufige<br />
Zinsdifferenz zeigt im übrigen, daß sich die<br />
europäischen Partnerstaaten mit ihrer Zinspolitik von<br />
Deutschland teilweise abkoppeln konnten. Das reduzierte<br />
die konjunkturbremsende Wirkung der deutschen<br />
Zinsen.<br />
Die deutsche Vereinigung hat nicht nur zu einem hohen<br />
deutschen Zinsniveau geführt. Zugleich ist durch<br />
sie ein Nachfragestoß ausgelöst worden, der zu einem<br />
sprunghaften Anstieg deutscher Importe aus europäischen<br />
Partnerslaaten geführt hat (Ziffer 4). Das hat in<br />
Europa deutlich konjunkturanregend gewirkt. Eine<br />
Konstellation, die in Deutschland niedrigere Zinsen<br />
bewirkt hätte, wäre wahrscheinlich auch mit einem<br />
geringeren Nachfrageimpuls und damit mit geringeren<br />
Einfuhren verbunden gewesen.<br />
308. Die Bundesbank hat Mille <strong>1991</strong> ihren bis dahin<br />
vertretenen Zielkorridor für die Geldmenge M3 (Anstieg<br />
von M3 zwischen 4 vH und 6 vH) reduziert (auf<br />
3 vH bis 5 vH). Sie tat das, nachdem die Geldmenge<br />
M3 über Monate unterhalb des Zielkorridors<br />
expandierte. Für <strong>1991</strong> stand die Zielbeslimmung wegen<br />
der Unwägbarkeiten aus der deutschen Vereinigung<br />
ohnehin unter erschwerten Bedingungen. Aus<br />
der Sicht des Sachverständigenrates ist es auch im<br />
Rahmen einer potentialorientierten Geldmengenpolitik<br />
notwendig, einer Verbesserung des Informationsstandes<br />
Rechnung zu tragen, nötigenfalls auch das<br />
Geldmengenziel zu korrigieren, wenn neue Informationen<br />
das erfordern (JG 90 Ziffer 396).<br />
Die Neufestsetzung des Geldmengenzieles <strong>1991</strong> für<br />
die Geldmenge M3 war gerechtfertigt. Statt die Zielvorgabe<br />
der tatsächlichen Geldmengenentwicklung<br />
nachzuführen, hätte die Bundesbank sonst versuchen<br />
müssen, durch Zinssenkungen die tatsächliche Geldmengenentwicklung<br />
in den vorgesehenen Korridor<br />
einschwenken zu lassen. Eine solche Politik wäre jedoch<br />
der gesamtwirtschaftlichen Situation nicht angemessen<br />
gewesen. Sie hätte den Eindruck erweckt, daß<br />
für die Finanzierung einer inflationären Nachfrageausweitung<br />
nun mehr Spielraum bestehen würde. Das<br />
inflationäre Klima wäre zusätzlich angeheizt worden.<br />
Die D-Mark stand im Jahresverlauf unter Abwertungsdruck.<br />
Zinssenkungen mit der Aussicht auf eine<br />
weitere Inflationsbeschleunigung hätten den Außenwert<br />
wohl noch mehr fallen lassen. Die Herabsetzung<br />
des Geldmengenziels war daher der richtige Weg. Der<br />
Sachverständigenrat bemißt den monetären Zielwert<br />
an der bereinigten Zentralbankgeldmenge. Die bereinigte<br />
Zenlralbankgeldmenge expandierte entlang<br />
dem vorgeschlagenen Zielpfad. Hätte die Deutsche<br />
Bundesbank versucht, mit Zinssenkungen die Geldmenge<br />
M3 in den ursprünglichen Zielkorridor <strong>zur</strong>ückzuführen,<br />
hälle dies die hereinigte Zentralbankgeldmenge<br />
über den Zielpfad getrieben. Dieses wäre stabilitätspolitisch<br />
nicht angemessen gewesen.<br />
Da die bereinigte Zentralbankgeldmenge und die<br />
Geldmenge M3 nicht starr verbunden sind, wie die<br />
Veränderungen des Geldangebotsmultiplikators zeigen<br />
(Ziffer 169) ist es kein Widerspruch, wenn der<br />
Zielwert für M3 revidiert werden muß, der für die<br />
bereinigte Zentralbankgeldmenge aber nicht.<br />
309. Die Unsicherheit über die Verknüpfungen zwischen<br />
den für die Geldpolitik wichtigen gesamtwirtschaftlichen<br />
Größen - der bereinigten Zenlralhankgeldmenge,<br />
der Geldroenge M3 und der wirtschaftlichen<br />
Aktivität - wird im Jahre 19<strong>92</strong> kaum geringer<br />
sein als in diesem Jahr. Wir sehen derzeit freilich keinen<br />
überzeugenden Weg, schonbeider Ableitung des<br />
Zielwertes für die bereinigte ZenlralhankgeIdmenge<br />
Änderungen des Geldangebotsmultiplikators und der<br />
Umlaufsgeschwindigkeit verläßlich zu quantifizieren<br />
und von vornherein in die Rechnung einzubeziehen.<br />
Daher unterstellen wir, daß beide Größen, die sich in<br />
diesem Jahr gegenläufig veränderten (Ziffer 170).<br />
konstant bleiben. Damit steht der abzuleitende Zielwert<br />
unter dem Vorbehalt der überprüfung, wenn<br />
sich im Verlauf des Jahres 19<strong>92</strong> herausstellen sollte,<br />
daß es zu Änderungen dieser Größen kommt. die eine<br />
Neufestlegung des Zielwertes rechtfertigen.<br />
Die Bundesbank muß 19<strong>92</strong> den geldpofitischen Kurs<br />
fortsetzen, den sie <strong>1991</strong> beschritten hat. Nach den<br />
geldpolitischen Vorstellungen des Sachverständigenrates<br />
sollte die bereinigte Zentralbankgeldmenge auf<br />
einem Expansionspfad von 5 1 h vH gehalten werden.<br />
Als Ausgangspunkt für den Zielpfad nehmen wir das<br />
Niveau der bereinigten Zentralbankgeldmenge, das<br />
sich Ende <strong>1991</strong> gemäß unserem Zielpfad für das Jahr<br />
<strong>1991</strong> ergäbe (JG 90 Ziffer 401).<br />
Hinter der Zielvorgabe steht die Vorstellung, daß die<br />
Ausweitung der bereinigten Zentralbankgeldmenge<br />
an der Wachstumsrate des Produktionspotentials in<br />
jeweiligen Preisen orientiert sein soll. Dabei werden<br />
eine Zuwachsrate des Produktionspotentials von rund<br />
3112 vH und eine Preissteigerungsrate von nicht mehr<br />
als 2 vH, die init Blick auf das Ziel der Geldwertstabilität<br />
gerade noch als tolerierbar anzusehen ist, unterstellt.<br />
Bei gegebenem Geldangebotsmultiplikator<br />
würde eine Ausweitung der Geldbestände in der Wirtschaft<br />
im Gleichschritt mit der bereinigten Zentralbankgeldmenge<br />
erzielt; dies reichte aus, um - bei<br />
einer unveränderten Umlaufsgeschwindigkeit des<br />
Geldes und einem gegebenen Auslastungsgrad des<br />
Produktionspotentials - eine Ausweitung des nominalen<br />
Bruttosozialprodukts um 5 t h vH zu finanzieren.<br />
Bei der angegebenen Ausweitung der bereinigten<br />
ZenlralbankgeIdmenge wäre die Geldpolilik 19<strong>92</strong> in<br />
dem Sinne restriktiv, daß das Geldangebot um weniger<br />
steigt als die Geldnachfrage; nach unserer Prognose<br />
wird sich das nominale Bruttosozialprodukt und<br />
daraus abgeleitet die Geldnachfrage 19<strong>92</strong> um 7 vH<br />
erhöhen. Der Restriktionsdruck ist angemessen, weil<br />
sich in dem hohen Anstieg des nominalen Bruttosozialprodukts<br />
ein mit Geldwertstabilität nicht mehr<br />
zu vereinbarender PreisiJ,,:stieg von 4 vH niederschlägt.<br />
310. Die Verknüpfung zwischen der bereinigten<br />
Zentralbankgeldmenge und der wirtschaftlichen Aktivität<br />
;st das Produkt aus Geldangebotsmultiplikator<br />
und der Umlaufsgeschwindigkeit der Geldmenge M3.<br />
Weder der Geldangebotsmultiplikator noch die Umlaufsgeschwindigkeit<br />
sind starre Größen. Trendmäßige<br />
Veränderungen dieser Größen sind bei der Ableitung<br />
des monetären Zieles grundsätzlich zu berücksichtigen.<br />
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