Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
Soll die wirtschaftliche Vereinigung über die Gemeinschaft<br />
hinaus nicht an solchen Differenzen scheitern,<br />
müssen Wege beschritten werden, die Nichtmitgliedern<br />
die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt<br />
ermöglichen, ohne sie in die politischen Gremien der<br />
Gemeinschaft einzubinden. Es kommt darauf an, den<br />
einheitlichen Wirtschaftsraum auf ganz Europa auszuweiten.<br />
Das darf nicht dadurch verhindert werden,<br />
daß der Beitrittzu diesem Wirtschaftsraum an den Beitritt<br />
<strong>zur</strong> Politischen Union gebunden wird.<br />
400. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gibt<br />
es ein beträchtliches regionales Leistungsgefälle, das<br />
regionale Ausgleichsziele begründet und einen Finanztransfer<br />
zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen<br />
Regionen notwendig macht. Die<br />
beitrittswilligen EFTA-Länder würden den Anteil der<br />
Problemregionen nicht erhöhen. Doch wird die Gemeinschaft<br />
mit der Unterstützung des osteuropäischen<br />
Reformprozesses auch finanziell gefordert<br />
sein.<br />
Da die von der Europäischen Gemeinschaft zu zahlenden<br />
Mittel schwerlich in vollem Umfang von den Mitgliedsstaaten<br />
zusätzlich aufgebracht werden können,<br />
ist eine Umverteilung der bisherigen innereuropäischen<br />
Transferströme unumgänglich. Die Gemeinschaft<br />
muß also die Prioritäten innerhalb ihres Transfersystems<br />
neu festsetzen. Dies wird zu Spannungen<br />
führen. Regionen, die bislang Mittel von der Gemeinschaft<br />
erhielten, werden sich auf geringere Zahlungen<br />
einstellen müssen. Das werden sie kaum ohne Widerstand<br />
tun.<br />
Die Ausweitung des gesamten Finanzierungsvolumens<br />
zu Lasten der leistungsstarken Regionen der<br />
Gemeinschaft stößt an Grenzen, denn zusätzliche finanzielle<br />
Belastungen der Geberländer würden nicht<br />
ohne Nachteile für die wirtschaftliche Dynamik dort<br />
und damitin der ganzen Gemeinschaftbleiben. Strenger<br />
als je zuvor wird die Gemeinschaft zu prüfen haben,<br />
wo interregionale Transferzahlungen vertretbar<br />
sind.<br />
Während die Mittel knapper werden, wird die Fordenmg<br />
nach verstärkter finanzieller Unterstützung im<br />
Rahmen des europäischen Transfersystems sogar<br />
noch zunehmen. Wenn Europa seine Handelsgrenzen<br />
gegenüber den osteuropäischen Ländern öffnet, wird<br />
das den Anpassungsdruck vor allem für die heutigen<br />
Problemregionen der Europäischen Gemeinschaft<br />
verstärken. Osteuropa wird Produkte liefern, die, wie<br />
zum Beispiel Textilien, gerade in europäischen Problemregionen<br />
eine Rolle spielen. Den westeuropäischen<br />
Niedriglohnregionen wächst mit dem osteuropäischen<br />
Niedriglohngebiet eine neue Standortkonkurrenz<br />
zu.<br />
Dies alles bedeutet nicht, daß die Unterstützung<br />
Osteuropas für die Gemeinschaft nur Lasten schafft.<br />
Vielmehr wird die Gemeinschaft, wenn der Neuaufbau<br />
der osteuropäischen Wirtschaften voranschreitet,<br />
durch die Handelsausweitung und Handelsspezialisierung<br />
überwiegend Vorteile ziehen - allerdings<br />
erst auf längere Sicht.<br />
401. Zu den alten Spannungen, die in dem geänderten<br />
europäischen Umfeld freilich eine neue Qualität<br />
erhalten, gehört es, wenn die wirtschaftliche liberali-<br />
sierung nach innen mit um sich greüenden Hemmnissen<br />
nach außen erkauft wird. Wo mit dem Binnenmarkt<br />
und der dadurch ausgelösten Intensivierung<br />
des Wettbewerhs der Anpassungsdruck für die Unternehmen<br />
steigt, wird der Ruf nach Entlastung lauter<br />
werden. Weil am Binnenmarkt nicht mehr diskriminiert<br />
werden darf, richtet sich dann die Abwehr von<br />
Wettbewerb ersatzweise gegen Anbieter aus dritten<br />
Ländern.<br />
Seit sich die Europäische Gemeinschaft zum Binnenmarktprogramm<br />
entschloß, beherrscht das Schlagwort<br />
von der .Festung Europa· die handelspolitische<br />
Diskussion. Restriktionen gegenüber Drittländem<br />
können beispielsweise Gemeinschaftsquoten oder<br />
.freiwillige· Selbstheschränkungsabkommen sein.<br />
Maßnalunen der Gemeinschaft <strong>zur</strong> Beschränkung des<br />
freien Marktzugangs für Anbieter aus dritten Ländern,<br />
aber auch Exportsubventionen können ihrerseits<br />
protektionistische Abwehrmaßnalunen anderer<br />
Länder auslösen.<br />
Die Haltung der Gemeinschaft ist hier nicht eindeutig<br />
auf liberalisierung ausgelegt. Mit der Zulassung eines<br />
importierten Gutes in einem Mitgliedsland ist<br />
künftig zwar die Zulassung im gesamten europäischen<br />
Raum verbunden. Diesem positiven Ansatz in<br />
der Außenhandelspolitik stehen jedoch als unrührnliches<br />
Beispiel aus der jüngsten Zeit die Automobilvereinbarungen<br />
mit Japan gegenüber.<br />
Praktisch verpflichtet sich Japan darin, seine Exporte<br />
von Kraftfahrzeugen in die EG bis 1999 zu beschränken<br />
(und zwar für 1999 auf 1,23 Mio Einheiten bei<br />
einem geschätzten Gesamtabsatz von 15,1 Mio Automobilen<br />
in der EG). Zusätzlich hleibt der Export nach<br />
Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und in das Vereinigte<br />
Königreich im Volumen auf - je nach Land <br />
5 vH bis 8 vH des gesamten Automobilabsatzesin diesen<br />
Ländern begrenzt. Ab dem Jahr 2000 sind keine<br />
Beschränkungen mehr heabsichtigt.<br />
Dieses Abkommen, das die europäische Automobilindustrie<br />
schützen soll, wird für die Konsumenten hohe<br />
Preise mit sich bringen; es wird nach allen Erfahrungen<br />
die Automobilindustrie nach Ablauf der Schutz<br />
Irist nicht wettbewerbsfähiger gemacht haben. Ja, es<br />
ist nicht sicher, ob zu Beginn des neuen Jahrtausends<br />
die freiwillige Selbstbeschränkung Japans nicht verlängert<br />
werden muß. Nicht zuletzt wird diese Übereinkunft<br />
in der Automobilindustrie selbst zu Verzerrungen<br />
führen, da die japanischenAnbieter innerhalb<br />
der Mengenbeschränkung insbesondere hochwertige<br />
Erzeugnisse anbieten und damit die in diesem Marktsegment<br />
anbietenden Unternehmen einem intensiveren<br />
Wettbewerb aussetzen werden.<br />
402. Im November wurden die Handelsgespräche<br />
im Rahmen der GATI-Runde mit dem Ziel wieder<br />
aufgenommen, die langjährigen Verhandlungen bis<br />
Anfang 19<strong>92</strong> zu einem erfolgreichen Abschluß zu<br />
hringen. Waren die Verhandlungen im Vorjahr am<br />
Streit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und<br />
den Vereinigten Staaten um die Agrarpolitik gescheitert,<br />
zeichnet sich jetzt ein Einlenken der EG in den<br />
strittigen Fragen ab: Reduzierung derinternen Markthilfen,<br />
Verringerung der Ausfuhrsubventionen, stärkere<br />
Öffnung des europäischen Marktes. Eine derar-<br />
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