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Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/1618<br />

Das Verfahren räumt der Treuhandanstalt einen weiten<br />

Ermessensspielraum ein, der zu Willkür und Mißbrauch<br />

führen kann. Die EntscheidungsgIÜnde, aufgrund<br />

deren einer der Bieter den Zuschlag erhält,<br />

werden nicht transparent. Bieter, die nicht zum Zuge<br />

kommen, können den Eindruck gewinnen, es sei beim<br />

Verkauf nicht mit rechten Dingen zugegangen; Beschwerden<br />

dieser Art hört man nicht selten. Wenn sich<br />

die Meinung verbreitet, die Treuhandanstalt biete<br />

nicht allen Kaufinteressenten faire und gleiche Chancen,<br />

werden viele die Kosten und die Mühe scheuen,<br />

die mit der Abgabe eines Gebots und den darauf folgenden<br />

Verhandlungen verbunden sind. Vor allem<br />

ausländische Bieter könnten dadurch abgeschreckt<br />

werden.<br />

Es gibt allerdings keine einfache Lösung für dieses<br />

Problem. Durch übergang zu einem auktionsartigen<br />

Verfahren ließe sich zwar der Ennessensspielraurn<br />

der Treuhandanstalt einschränken und ein !\..-laximum<br />

an Transparenz herstellen. Die::; würde aber voraussetzen,<br />

daß alle Konditionen bis auf den Preis bereits<br />

vorher unabänderlich festgelegt wären. Damit würde<br />

es jedoch unmöglich, den individuellen unternehmerischen<br />

Konzeptionen der einzelnen Kaufinteressenten<br />

Rechnung zu tragen; gerade auf diese kommt es<br />

aber bei der Privatisierung an.<br />

Entscheidend wichtig für den erfolgreichen Fortgang<br />

der Privatisierung ist, daß im Wettbewerb die Bieter<br />

alle die gleichen Chancen haben und daß die Entscheidungsgründe<br />

transparent werden. Zur Förderung<br />

des Wettbewerbs könnte die Treuhandanstalt,<br />

wenn sie mit einem Kaufinteressenten bestimmte<br />

Konditionen ausgehandelt hat, andere Bieter auffordern,<br />

mit höheren Preisen in diese Konditionen einzutreten.<br />

Dies wäre allerdings nur durchführbar, wenn<br />

die Konditionen (zum Beispiel Zusagen tür Arbeitsplätze<br />

und Investitionen, Übernahme von Altlasten) in<br />

einfacher Form bekanntgegeben werden könnten,<br />

Rückschlüsse auf die unternehmerische Konzeption<br />

des ersten Bieters jedoch nicht möglich wären; wer<br />

mit der Treuhandanstalt verhandelt, muß sich darauf<br />

verlassen können, daß die Vertraulichkeitin sensiblen<br />

Fragen gewahrt bleibt. Die Treuhandanstalt würde,<br />

wenn dieses Verfahren <strong>zur</strong> Anwendung käme, grundsätzlich<br />

das Höchstgebot annehmen, müßte sich allerdings<br />

vorbehalten, einen Bieter auszuschließen, wenn<br />

seine Zusicherungen wegen geringer Bonität als zu<br />

wenig verläßlich erscheinen.<br />

481. Es ist heute abzusehen, daß Arbeitsweise und<br />

Charakter der Treuhandanstalt sich ändern werden.<br />

Ihre Arbeit wird in zunehmendem !vlaße einschränkenden<br />

Regelungen unterworfen, zum Teil von außen<br />

her, zum Teil intern durch strengere organisatorische<br />

Regeln. Mitspracherechte von politischen Instanzen<br />

und Verbänden werden formalisiert, Aufsichtsbehörden<br />

und Rechnungshof setzen strenge Maßstäbe, und<br />

der Vorwurf von Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung<br />

zwingt zu verschärften internen Kontrollen.<br />

Die Treuhandanstalt wird mit der Zeit zwangsläufig<br />

bürokratischer, weniger flexibel, weniger leistungsfähig.<br />

Zudem wird sie - wie jede bürokratische Organisation<br />

- versuchen, ihren Fortbestand zu sichern und<br />

ihren Personalbestand noch zu erweitern. Hierzu wird<br />

ein auf Dauer und Wachstum angelegter Aufgabenbereich<br />

ausgebaut. Gegenwärtig ist diese Tendenz<br />

noch kaum zu erkennen, doch gäbe es bereits genug<br />

Ansatzpunkte, um einen weiteren organisatorischen<br />

und personellen Ausbau zu begründen. Forderungen,<br />

die aus dem politischen Umfeld an die Treuhandanstalt<br />

gestellt werden, begünstigen diese Tendenz.<br />

482. Die Treuhandanstalt hat bei der Privatisierung<br />

Erfolge aufzuweisen, die sich sehen lassen können.<br />

Unmittelbar nach Herstellung der Währungs-, Wirtschafts-<br />

und Sozialunion hat sie ungeachtet aller<br />

Schwierigkeiten des personellen und organisatorischen<br />

Aufbaus die Privatisierung in Gang gebracht.<br />

Bis Ende September <strong>1991</strong> sind 3 788 Unternehmensverkäufe<br />

und Unternehmensteilverkäufe genehmigt<br />

worden (Ziffern 74lf.). Die Dynamik dieses Prozesses<br />

wird sich noch fortsetzen, aber nicht unbegrenzt. Dies<br />

liegt vor allem daran, daß die Anzahl der <strong>zur</strong> Privatisierung<br />

geeigneten Unternehmen und Untemehmensteile<br />

geringer wird. Man kann sich gut vorstellen,<br />

daß die Treuhandanstalt in einigen Jahren <strong>zur</strong><br />

staatlichen Holding für notleidende Unternehmen<br />

wird, deren wichtigste Aufgabe es ist, Erhaltungssubventionen<br />

zu vermitteln. So weit darf es nicht kommen.<br />

Die Treuhandanstalt muß in absehbarer Frist<br />

ihre Tätigkeit im Unternehmensbereich zum Abschluß<br />

bringen. Dann besteht gute Aussicht, daß sie<br />

trotz aller institutionellen Schwächen als erfolgreicher<br />

Wegbereiter für den Übergang vom Sozialismus in die<br />

Marktwirtschaft in die Geschichte eingehen wird.<br />

Der Problembereich: Untemehmen mit ungewissen<br />

Privatisierungsaussichten<br />

483. Soweit die Privatisierung bereits erfolgt ist und<br />

weiter voranschreitet, wird die Treuhandanstalt-ihrer<br />

Aufgabe gerecht, zu einer Neustrukturierung der<br />

Wirtschaft beizutragen. Problematisch und umstritten<br />

bleibt ihre Tätigkeit jedoch im Bereich der Unternehmen,<br />

mit deren Privatisierung nicht in absehbarer Zeit<br />

gerechnet werden kann. Grundsätzlich gilt für ein<br />

Unternehmen, für das sich trotz nachhaltiger Bemühungen<br />

kein Kaufinteressent findet, die Vermutung,<br />

daß keine hinreichende Aussicht auf erfolgreiche Sanierung<br />

besteht. Die Konsequenz müßte sein, daß ein<br />

solches Unternehmen stillgelegt wird. Aber auch<br />

wenn diese Regel grundsätzlich akzeptiert wird, stößt<br />

ihre Anwendung auf erhebliche Schwierigkeiten. Ob<br />

weitere Bemühungen um Privatisierung noch als aussichtsreich<br />

angesehen werden können, ist immer ein<br />

schwieriges Ennessensurteil. Hier kommen politische<br />

Einflüsse ins Spiel, und die Treuhandanstalt kann sich<br />

dem um so weniger entziehen, als sie nicht wie ein<br />

privates Unternehmen im Interesse des eigenen Überlebens<br />

<strong>zur</strong> Anwendung strenger betriebswirtschaftlieher<br />

!vIaßstäbe gezwungen ist. Vor allem bei größeren<br />

Unternehmenseinheiten, in denen es um zahlreiche<br />

Arbeitsplätze geht, besteht die Gefahr, daß die Entscheidung<br />

hinausgezögert wird.<br />

484. Die Verzögerung von Entscheidungen über den<br />

Fortbestand einer Unternehmenseinheit ist unproblematisch,<br />

wenn diese sich finanziell selbst trägt. Viele<br />

Unternehmen sind dazu aber nicht in der Lage; ihr<br />

Bestand kann nur durch ständige finanzielle Unter-<br />

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