Jahresgutachten 1991/92 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 12/1618 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode<br />
zum 1. Januar 1993 den Abbau sämtlicher Grenzkontrollen<br />
zu erreichen.<br />
406. Die Mitgliedsländer haben sich nunmehr entschieden,<br />
tür eine Übergangszeit von 1993 bis 1996<br />
grundsätzlich am bisherigen Besteuerungsverfahren<br />
festzuhalteo, die Grenzkontrollen aber aufzuheben<br />
und die dennoch für erforderlich gehaltenen Kontrollen<br />
der innergemeinschaftlichen Warenströme in Zolllager<br />
(spezielle Verbrduchsteuern) oder in den Unternehmenssektor<br />
(:tv1ehrwertsteuer) zu verlagern.<br />
Ueferungen von Gütern, die einer speziellen Verbrauchsteuer<br />
unterliegen, werden aus dem Ursprungsland<br />
steuerfrei in ausländische Zollager geliefert<br />
und dort mit der im Verbrauchsland geltenden<br />
Steuer belegt. Diese Regelung garantiert - trotz weiterhin<br />
unterschiedlicher Steuersätze - die Wettbewerbsneutralität<br />
und die Aufteilung des Steueraufkommens<br />
nach dem Verbrauch. Die Belastungen des<br />
grenzüberschreitenden Handels und die damit verbundenen<br />
Kosten dürften dadurch im Vergleich zu<br />
den heutigen Grenzkontrollen keineswegs verringert<br />
werden. Sogar das Gegenteil ist möglich, was entscheidend<br />
davon abhängt, wo und in welcher Zahl<br />
solche Zollager eingerichtet werden.<br />
Bei der Mehrwertsteuer wären Grenzkontrollen aus<br />
wettbewerbspolitischen Gründen nicht erforderlich,<br />
solange sich der Güteraustausch zwischen steuerpflichtigen<br />
Unternehmen abspielt. Der Vorsteuerabzug<br />
garantiert in diesem Fall, daß miteinander konkurrierende<br />
Güter stets mit der gleichen, nämlich mit<br />
der Steuer des Verbrauchslandes belastet werden. Allerdings<br />
würde - wegen des Vorsteuerabzugs - in<br />
jedem Land nicht mehr der Verbrauch, sondern die<br />
Wertschöpfung belastet. Wie sich das Steueraufkommen<br />
verteilt, hängt ab von den Außenhandelssalden<br />
{bei steuerpflichtigen Leistungen}, den Unterschieden<br />
in den nationalen Steuersätzen und den Wertschöpfungsquoten<br />
(JG 89 Ziffern 442 ff.).<br />
Wesentliches Argument für die Übergangsregelungen<br />
ist offenbar, daß nur auf diese Weise garantiert<br />
werden kann, daß das Steueraufkommen aus der<br />
.tvlehrwertsteuer und aus den speziellen Verbrauchsteuern<br />
gemäß dem nationalen Verbrauch auf die<br />
Partnerländer aufgeteilt wird.<br />
407. Grundsätzlich ist zu fordern, die Aufkommensverteilung<br />
in einer Weise zu regeln, daß die administrativen<br />
Belastungen für grenzüberschreitende<br />
Transaktionen so gering wie möglich gehalten werden.<br />
Nur so können die durch die Öffnung der Grenzen<br />
ermöglichten Wohlfahrtsgewinne in vollem Umfdng<br />
realisiert werden (JG 89 Ziffer 426). Die jetzt<br />
gewählte Übergangsregelung widerspricht dem in<br />
eklatanter Weise. Sie kann nur mit erheblichem administrativen<br />
Aufwand praktiziert werden, da sämtliche<br />
umsatzsteuerpflichtige Unternehmen im Inland ihre<br />
lieferungen aus EG-Partnerländern den Finanzbehörden<br />
anmelden und dann versteuern müssen. Da<br />
hier mit Steuerhinterziehung zu rechnen ist, sind auch<br />
entsprechende Kontrollen der Finanzbehörden erforderlich,<br />
die wohl nur bei Amtshilfe durch die Finanzbehörden<br />
der lieferländer effizient durchgeführt werden<br />
können. Der Exporteur kann die Steuerbefreiung<br />
nur in Anspruch nehmen, wenn er an ein steuerpflich-<br />
tiges oder steuerbefreites Unternehmen in einem anderen<br />
Mitgliedsstaat liefert. Voraussetzung für die<br />
Steuerbefreiung bUden somit die tatsächliche grenzüberschreitende<br />
lieferung und die Identifikation des<br />
Warenempfängers. Auch das bedeutet höheren Verwaltungsaufwand<br />
für die Unternehmen.<br />
408. Sonderregelungen gelten ab 1993 für die Besteuerung<br />
neuer Fahrzeuge und für den Versandhandel.<br />
In beiden Fällen werden Waren direkt an die Endverbraucher<br />
geliefert. Solche Direktimporte sollen in<br />
Zukunft zwar generell mit den Steuern des Ursprungslandes<br />
belastet werden, so daß sich Grenzkontrollen<br />
erübrigen. In den genannten Fällen soll<br />
jedoch die Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip<br />
weiterhin gelten: Die Güter bleiben im Ursprungsland<br />
steuerfrei und werden am Wohnort des<br />
Käufers mit den dort geltenden Steuern belegt. Beider<br />
Sonderregelung für den Versandhandel ist zu bemängeln,<br />
daß für die Steuererklärungen nicht die Finanzbehörden<br />
im Ursprungsland zuständig sind, sondern<br />
daß Versandhäuser in jedem Land, in das sie liefern,<br />
einen Steueragenten bestellen müssen, der für die<br />
ordnungsgemäße Versteuerung der lieferung gegenüber<br />
der jeweiligen Steuerbehörde im Empfängerland<br />
verantwortlich ist. Auch die Besteuerung neuer Kraftfahrzeuge<br />
soll im Empfängerland vorgenommen werden.<br />
Da generell Zulassungspflicht bestebt, dürfte<br />
dies kaum technische Probleme aufwerfen. Angesichts<br />
der hohen Zahl von Autoverkäufen und dem<br />
Erfordernis, im einzelnen nachzuweisen, ob es sich<br />
um ein neues Auto (Erstzulassung vor weniger als drei<br />
Monaten, böchstens 3 000 km Fahrleistung) handelt,<br />
ist jedoch erheblicher Nachweisaufwand bei den<br />
Marktbeteiligten und hoher Kontrollaufwand bei den<br />
Steuerbehörden zu erwarten. Die Gefahr der Steuerhinterziehung<br />
dürfte groß sein.<br />
409. Mit der Übergangsregelung bei der Mehrwertsteuer<br />
ist also ein Verfahren eingeführt worden, das<br />
die administrativen Belastungen eindeutig den am innergemeinschaftlichen<br />
Handel beteiligten Unternehmen<br />
und im Falle der Besteuerung von Kraftfahrzeugen<br />
auch den Konsumenten anlastet. Die mit der Öffnung<br />
der Grenzen in Europa angestrebte Integration<br />
der Ivlärkte wird damit nicht vorangetrieben. Es bleibt<br />
auch durchaus fraglich, ob der dadurch erforderlich<br />
werdende Kontrollaufwand nicht sogar noch höhere<br />
Kosten verursachen wird, als sie mit den heutigen<br />
Grenzkontrollen verbunden sind.<br />
410. Nun könnte man sich mit dieser Regelung vielleicht<br />
noch zufriedengeben, weil sie zeitlich begrenzt<br />
nur bis 1996 gelten soll. Es besteht aber eine ganz<br />
andere Gefahr: Wenn man nach 1996 - möglicherweise<br />
nach einer weiteren Angleichung der Steuersätze<br />
- die Besteuerung nur noch im Ursprungsland<br />
betreiben will, gleichzeitig aber die Aufteilung des<br />
Steueraufkommens nach dem Verbrauch gewährleistet<br />
sein soll, wird man nicht umhin kommen, ein<br />
Clearing-Verfahren einzuführen. Es spricht vieles dafür,<br />
daß man dann ein Clearing auf der Basis des schon<br />
erprobten Meldeverfahrens des Übergangssystems<br />
praktizieren wird und vielleicht auch am ehesten politisch<br />
durchsetzen kann. Das aber würde langfristig<br />
eine bürokratische Kontrolle grenzüberschreitender<br />
Lieferungen im europäischen Binnenmarkt bedeuten,<br />
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