Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Heft 24, 15. Juni 2001<br />
Embryonale Stammzellforschung<br />
Herr Brüstle, weshalb drängen<br />
Sie derzeit so darauf, dass<br />
wissenschaftspolitische Entscheidungen<br />
in Richtung embryonaler Stammzellforschung<br />
getroffen werden?<br />
Brüstle: Seit eineinhalb Jahren wird<br />
bereits intensiv über dieses Thema diskutiert.<br />
Inzwischen arbeiten international<br />
zahlreiche Teams <strong>an</strong> der Umsetzung der<br />
Stammzell-Technologie, aus embryonalen<br />
Stammzellen des Menschen Spenderzellen<br />
für die Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tationsmedizin<br />
herzustellen. Wir haben in der Verg<strong>an</strong>genheit<br />
Erfolge im Bereich des Nervensystems<br />
am Tiermodell erzielen können.<br />
Jetzt sind wir stark dar<strong>an</strong> interessiert, diese<br />
Befunde auf menschliche Zellen umzusetzen.Wenn<br />
die Diskussion weiterhin<br />
hinausgezögert wird,sehe ich die Gefahr,<br />
dass wir uns l<strong>an</strong>gfristig abkoppeln.<br />
DÄ: Sie waren gemeinsam mit dem<br />
NRW-Ministerpräsidenten Wolfg<strong>an</strong>g<br />
Clement in einem Labor in Haifa, Israel.<br />
Warum ist dieses für Sie so interess<strong>an</strong>t?<br />
Brüstle: In Haifa ist eine der Gruppen,<br />
der es gelungen ist, hum<strong>an</strong>e embryonale<br />
Stammzellen herzustellen.<br />
Und wir sind im Moment auf der Suche<br />
nach Partnern, mit denen sich unsere<br />
Vorstellungen verwirklichen lassen.<br />
DÄ: Sie haben derzeit einen Partner in<br />
den USA.Wollen Sie den auswechseln?<br />
Brüstle: Wir halten weiterhin Kontakt<br />
zu dem Campus <strong>an</strong> der Universität<br />
Madison,Wisconsin.In Israel h<strong>an</strong>delt es<br />
sich lediglich um Sondierungsgespräche.<br />
Wir sind dar<strong>an</strong> interessiert, einen<br />
Partner zu finden, mit dem sich eine<br />
l<strong>an</strong>gfristige, faire Partnerschaft verwirklichen<br />
lässt, ohne in eine zu starke<br />
Abhängigkeit zu geraten. Hier bieten<br />
sich in Israel möglicherweise <strong>an</strong>dere<br />
Perspektiven als in den USA.<br />
DÄ: Wo liegt der Unterschied?<br />
Brüstle: Der Austausch von Zellen ist<br />
<strong>an</strong> strenge Auflagen gebunden.Quasi al-<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Die Mech<strong>an</strong>ismen entschlüsseln<br />
und auf adulte Zellen <strong>an</strong>wenden<br />
Interview mit dem Bonner Neuropathologen Prof. Dr. med. Oliver Brüstle<br />
DÄ:<br />
le Ergebnisse, die mit diesen Zellen erzielt<br />
werden, fallen <strong>an</strong> den Partner in<br />
den USA. Auch das <strong>Forschung</strong>sprojekt<br />
selbst, das m<strong>an</strong> bearbeiten will, muss<br />
von dem Partner genehmigt werden.<br />
Diese ausgeprägte Abhängigkeit spielt<br />
die eine Rolle, zudem sind aber die Zelllinien<br />
in Haifa sehr erfolgversprechend<br />
– sofern m<strong>an</strong> das nach dem ersten Besuch<br />
beurteilen k<strong>an</strong>n. Es geht aber um<br />
mehr als um einen Austausch von Zelllinien.<br />
Es ist ein sehr intensiver personeller<br />
Austausch mit Israel möglich. Auch<br />
dazu wurden bereits erste Gespräche<br />
geführt. Moment<strong>an</strong> sind jedoch noch<br />
keinerlei Vereinbarungen getroffen<br />
worden. Keinesfalls sollen aber Dinge<br />
durchgeführt werden, die den rechtlichen<br />
Rahmen in Deutschl<strong>an</strong>d umgehen<br />
würden. Es geht nicht um die Herstellung<br />
neuer ES-Zelllinien, es geht nicht<br />
um <strong>Embryonen</strong>forschung, sondern um<br />
die Nutzung pluripotenter Zelllinien.<br />
DÄ: Welche Projekte pl<strong>an</strong>en Sie mit<br />
Haifa?<br />
Brüstle: In der Verg<strong>an</strong>genheit ist es<br />
uns gelungen, Spenderzellen für das<br />
Nervensystem aus embryonalen Stammzellen<br />
der Maus herzustellen und am<br />
Tiermodell einzusetzen. Dort wollen<br />
wir <strong>an</strong>knüpfen und prüfen, ob es möglich<br />
ist, aus hum<strong>an</strong>en embryonalen<br />
Stammzellen in gleicher Weise Vorläuferzellen<br />
des Nervensystems in der<br />
Zellkultur herzustellen. Im nächsten<br />
Schritt müssten diese Zellen am Tiermodell<br />
erprobt werden. Erst d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n<br />
abgewogen werden, inwieweit diese<br />
Technik verbreitert werden soll, und ob<br />
diese Zellen für zukünftige Beh<strong>an</strong>dlungsstrategien<br />
infrage kommen.<br />
DÄ: Wie l<strong>an</strong>ge wird das dauern?<br />
Brüstle: Insgesamt rechne ich mit<br />
mindestens fünf bis zehn Jahren, bis<br />
überhaupt abgeschätzt werden k<strong>an</strong>n, in<br />
welcher Art und Weise und in welchem<br />
Umf<strong>an</strong>g embryonale Stammzellen klinisch<br />
relev<strong>an</strong>t sind. Das schließt auch<br />
den Vergleich mit adulten Stammzellen<br />
ein. D<strong>an</strong>n erst würden klinische Studien<br />
folgen.<br />
DÄ: Über die klinische Relev<strong>an</strong>z der<br />
Stammzellforschung wird viel spekuliert.Wo<br />
liegen die realen Ch<strong>an</strong>cen?<br />
Brüstle: Die große Perspektive ist,<br />
Spenderzellen für Zellersatz – nicht für<br />
Org<strong>an</strong>ersatz – in nahezu unbegrenzter<br />
Menge herzustellen. Es bietet sich die<br />
Möglichkeit, eines der Kernprobleme<br />
der Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tationsmedizin l<strong>an</strong>gfristig<br />
zu lösen, nämlich den M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> Spendergewebe.<br />
Die zweite Perspektive ist,<br />
Probleme der Abstoßungsreaktion zu<br />
umgehen, indem Zellen mit identischer<br />
Erbinformation hergestellt werden.<br />
Dies ist im Bereich der adulten Stammzellen<br />
durch Gewinnung der Zellen direkt<br />
vom Patienten, im Bereich der embryonalen<br />
Stammzellen durch Kernreprogrammierungsstrategien<br />
möglich.<br />
DÄ: Kernreprogrammierung – wäre<br />
das nicht therapeutisches Klonen?<br />
Brüstle: Es läuft im weitesten Sinne<br />
darauf hinaus. Doch ich glaube nicht,<br />
dass dieses Konzept jemals therapeutisch<br />
eingesetzt wird. Und zwar aus zwei<br />
Gründen: Erstens wären Eizellspenden<br />
in großer Zahl nötig, zweitens würden<br />
auf diese Weise Blastozysten erzeugt,<br />
also <strong>Embryonen</strong>. Beides ist aus ethischer<br />
Sicht hochproblematisch und sollte<br />
nach meiner Ansicht nicht durchgeführt<br />
werden. Auch eine naturwissenschaftliche<br />
Argumentation spricht dagegen:<br />
Bis heute sind die Prozesse der<br />
Kernreprogrammierung völlig unverst<strong>an</strong>den.<br />
Fehlentwicklungen können<br />
nicht ausgeschlossen werden. Zellen,<br />
die auf diese Weise hergestellt werden,<br />
bergen unter Umständen Schäden, die<br />
wir im Zellkulturstadium gar nicht erkennen<br />
können.<br />
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