Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Glaubensrichtung auf ihre Weise „den<br />
Sterbenden ein Segen sein“. Gemeindepastor<br />
und Initiator Jörg Machel hatte<br />
den Tod in den Mittelpunkt gerückt, um<br />
Suizid, Sterbehilfe, Sterben in Würde<br />
und Trauerarbeit zu thematisieren. „Mit<br />
<strong>an</strong>deren Augen“ wurden hebräische Bibel,<br />
Neues Testament und Buddhas<br />
Lehren interpretiert. In Film-Workshops,<br />
Meditationen, Lesungen, Musikver<strong>an</strong>staltungen,<br />
Vorträgen und Podiumsdiskussionen<br />
näherte sich das Publikum<br />
dem schweren Thema.<br />
Der Leiter der Palliativstation im<br />
Gemeinschaftskr<strong>an</strong>kenhaus Havelhöhe<br />
in Berlin, Priv.-Doz. Dr. med. H.<br />
Christoph Müller-Busch, zeigte die<br />
Kehrseite der erfolgreichen Medizin.<br />
„Die Fortschritte der modernen Medizin<br />
erlauben es, Sterbeprozesse qualvoll<br />
in die Länge zu ziehen . . . Menschenwürdiges<br />
Sterben bedeutet aber,<br />
für einen erträglichen Sterbeprozess<br />
Sorge zu tragen.“ Aus den Erfahrungen<br />
der staatlichen Euth<strong>an</strong>asie im<br />
Dritten Reich heraus tue die Ärzteschaft<br />
gut dar<strong>an</strong>, die aktive Sterbehilfe<br />
abzulehnen. Müller-Busch warnte die<br />
Befürworter der aktiven Sterbehilfe<br />
Heft 24, 1<strong>3.</strong> Juni 2003<br />
Interview<br />
DÄ: Herr Präsident, die Medizin<br />
schafft Möglichkeiten zur Diagnose<br />
und Therapie, die auch hier auf dem<br />
1. Ökumenischen Kirchentag in der<br />
Diskussion um die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
(<strong>PID</strong>) diskutiert werden.<br />
Diese Möglichkeiten verursachen d<strong>an</strong>n<br />
gesellschaftliche Probleme. Wer trägt<br />
dafür die Ver<strong>an</strong>twortung?<br />
Hoppe: Diese Möglichkeiten sind<br />
ja die Antworten auf Probleme, die aus<br />
der Bevölkerung <strong>an</strong> die Medizin her<strong>an</strong>getragen<br />
werden. Die Medizin findet<br />
d<strong>an</strong>n Lösungen, die natürlich ihrerseits<br />
wieder Probleme produzieren. Das ist<br />
ein Hin und Her seit vielen, vielen Jahren,<br />
in der letzten Zeit immer intensiver.<br />
Wir tragen alle gemeinsam die<br />
Ver<strong>an</strong>twortung.<br />
DÄ: Ist es also notwendig, dass ein<br />
Diskurs stattfindet zwischen den Fachleuten,<br />
also den Politikern und den Medizinern,<br />
um sich darüber zu einigen,<br />
was überhaupt geleistet werden soll?<br />
Hoppe: Ja, aber natürlich sollte die<br />
Gesellschaft mit einbezogen werden,<br />
weil sich dort ja die Meinung bildet,<br />
was m<strong>an</strong> will und was m<strong>an</strong> nicht will.<br />
Interview mit<br />
dem Präsidenten<br />
der<br />
Bundesärztekammer,<br />
Prof.<br />
Dr. Jörg-Dietrich<br />
Hoppe,<br />
ÖkumenischerKirchentag,<br />
29. Mai,<br />
in Berlin<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
davor, dass schnell aus dem geforderten<br />
Recht eine Pflicht werden könne.<br />
Andererseits, so beklagte Müller-<br />
Busch, sei „Übertherapie,Aktionismus<br />
oder nur symbolhaftes H<strong>an</strong>deln“ ein<br />
weit verbreitetes Phänomen unter<br />
Ärzten. Viel zu oft werde aus falschem<br />
Augenmaß heraus gegen den Willen<br />
des Patienten agiert. Im Zweifelsfall<br />
werde alles Machbare get<strong>an</strong>. Eine Patientenverfügung<br />
könne <strong>an</strong> dieser Stelle<br />
beiden Seiten helfen, dem Willen des<br />
Patienten nachzukommen.<br />
„Wir brauchen ein besseres Verständnis<br />
für die Bedürfnisse der<br />
Schwerstleidenden und Sterbenden.<br />
Jeder Arzt sollte in der Lage sein, seinen<br />
Patienten bis zu seinem Ableben<br />
würdig und kompetent zu begleiten“,<br />
forderte die Ex-Bundesjustizministerin<br />
Herta Däubler-Gmelin. In ihrer<br />
Funktion als Schirmherrin der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
Hospiz sprach<br />
sie sich dafür aus, aktive Sterbehilfe<br />
weiterhin zu untersagen. Parallel dazu<br />
müssten aber die Hospizbewegung und<br />
die Palliativmedizin stärkere Unterstützung<br />
finden. Das erneute Votum<br />
des Ärztetages für den Ausbau der Pal-<br />
Das ist keine rein politische Entscheidung,<br />
zum Beispiel ob wir <strong>PID</strong> zulassen<br />
in Deutschl<strong>an</strong>d, ja oder nein, das ist eine<br />
gesellschaftliche Entscheidung, die<br />
alle zusammen treffen müssen.<br />
DÄ: Ich komme noch einmal zurück<br />
auf die Stimmungen. Es besteht ein Dilemma<br />
des individuellen Wünschens<br />
und des gesellschaftlichen Konsenses.<br />
Dieses Dilemma ist Teil der ärztlichen<br />
Beratungstätigkeit. Wie f<strong>an</strong>gen Ärzte<br />
das auf?<br />
Hoppe: Wir Ärzte versuchen, die Patientinnen<br />
und Patienten optimal aufzuklären.Alle<br />
Zusammenhänge müssen<br />
wir bezeichnen und beschreiben. D<strong>an</strong>n<br />
suchen wir mit dem Betroffenen part-<br />
Foto: Bernhard Eifrig<br />
nerschaftlich nach einer für das jeweilige<br />
Individuum geeigneten Lösung.<br />
DÄ: Dabei ist oftmals schwierig, dass<br />
das, was gesellschaftlich als nützlich<br />
oder als gut <strong>an</strong>gesehen wird, vom Individuum<br />
nicht akzeptiert wird. Schafft<br />
das nicht Frustrationen für den Arzt?<br />
Hoppe: Das k<strong>an</strong>n passieren, auch<br />
umgekehrt k<strong>an</strong>n es so sein, dass Ärzte<br />
gerne etwas <strong>an</strong>wenden würden, was<br />
nicht erlaubt ist. Und deshalb können<br />
sie m<strong>an</strong>chen Menschen nicht so helfen,<br />
wie sie das gerne tun würden.<br />
Aber damit muss m<strong>an</strong> sich eben abfinden,<br />
wir sind ja nicht alleine auf der<br />
Welt. Wir leben in einer großen Gemeinschaft<br />
in Deutschl<strong>an</strong>d von nahezu<br />
80 Millionen Menschen, und da hat<br />
m<strong>an</strong> sich d<strong>an</strong>n auch nach der Mehrheitsmeinung<br />
zu richten.<br />
DÄ: Eine Frage noch zur Fin<strong>an</strong>zierbarkeit<br />
unseres Gesundheitssystems.<br />
Im Moment ist ja in der Diskussion,<br />
dass m<strong>an</strong> unter <strong>an</strong>derem die Reproduktionstechniken<br />
über Steuer fin<strong>an</strong>zieren<br />
möchte. Sie hatten auf dieser<br />
Ver<strong>an</strong>staltung auch <strong>an</strong>gesprochen,<br />
liativmedizin und gegen die aktive<br />
Sterbehilfe stärke der Hospizbewegung<br />
den Rücken.Viele Menschen, die<br />
sich für Sterbehilfe aussprächen, wollten<br />
in Wirklichkeit eine Sterbebegleitung,<br />
mit der ihnen unerträgliches<br />
Leiden vor dem Tod erspart bliebe.<br />
Der ärztliche Heilberuf diene dem Leben.<br />
Ein Arzt h<strong>an</strong>dele nach dem hippokratischen<br />
Grundsatz: Non nocere<br />
(nicht schaden). Deshalb dürfe dieser<br />
Berufsst<strong>an</strong>d der Helfenden und Heilenden<br />
nicht den Freibrief zur Tötung<br />
erhalten.<br />
Fehl- oder Todgeburten und der<br />
plötzliche Kindstod sind unerträgliche<br />
Schicksalsschläge für die betroffenen<br />
Eltern. Frauen und Paare fühlen sich<br />
mit ihrer Trauer und ihren Schuldgefühlen<br />
oft allein gelassen.Auf dem Kirchentag<br />
wurde klar, dass viele Todgeburten<br />
unter unwürdigen Bedingungen<br />
das Licht der Welt erblicken und<br />
beerdigt werden. Das von den Eltern<br />
noch nicht realisierte Unglück begegnet<br />
professionellem Umg<strong>an</strong>g mit Toten.<br />
Eine Zusammenarbeit von Hebamme,<br />
Arzt und Kr<strong>an</strong>kenhausseelsorge<br />
k<strong>an</strong>n die persönlichen Leiden lin-<br />
dass es in der Familienpolitik um eine<br />
Querschnittsaufgabe verschiedener<br />
gesellschaftlicher Bereiche geht. Halten<br />
Sie es für richtig, dass die Familienleistungen<br />
zum guten Teil aus dem Leistungskatalog<br />
der Kassen gestrichen<br />
werden und steuerfin<strong>an</strong>ziert werden?<br />
Hoppe: Ja, ich halte das für richtig,<br />
denn es h<strong>an</strong>delt sich hierbei um eine<br />
Angelegenheit, die die gesamte Gesellschaft<br />
betrifft. Wenn sich unsere<br />
Bevölkerung fortpfl<strong>an</strong>zen soll, d<strong>an</strong>n ist<br />
das eine Angelegenheit, die nichts mit<br />
Kr<strong>an</strong>kheit, sondern mit Familien- oder<br />
Fortpfl<strong>an</strong>zungspolitik zu tun hat. Aber<br />
es ist sicher nicht gut und richtig, wenn<br />
m<strong>an</strong> aus den Löhnen der Beitragszahler<br />
diese Dinge bezahlen lässt. Ich<br />
bin der Meinung, dass für diese gesamtgesellschaftlichen<br />
Aufgaben die<br />
Steuer die richtige Quelle ist, um das<br />
zu fin<strong>an</strong>zieren. Ich möchte aber nicht,<br />
dass die Menschen mit diesen Problemen<br />
alleine gelassen werden, also<br />
dass das privatisiert wird, sondern es<br />
soll schon die Allgemeinheit dafür aufkommen,<br />
wenn wir Wert darauf legen,<br />
dass das Volk sozusagen bestehen<br />
bleibt, indem es sich fortpfl<strong>an</strong>zt. ✮<br />
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