Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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wurfs nicht geteilt werden. Dennoch<br />
sollte es zu denken geben, dass sich<br />
die durch die Argumentation begründete<br />
abgestufte Schutzwürdigkeit des Embryos<br />
in vitro problemlos auf <strong>an</strong>dere<br />
Bereiche menschlichen Lebens übertragen<br />
lässt. In dem Maß, wie m<strong>an</strong> dem<br />
Hedonismus-Prinzip Raum gewährt,<br />
wird m<strong>an</strong> sich bei konsistenter Argumentation<br />
kaum gegen ethische<br />
Dammbrüche in <strong>an</strong>deren Bereichen<br />
wehren können.<br />
Die Argumentation in der medizinischen<br />
Praxis läuft auf einer <strong>an</strong>deren<br />
Ebene: Die Verfechter der PGD wollen<br />
mit hohem Ethos Menschen helfen, und<br />
zwar Menschen, die „<strong>an</strong> der Furcht vor<br />
einem genetisch bedingt schwerstkr<strong>an</strong>ken<br />
Kind gesundheitlich zu zerbrechen<br />
drohen“ (Bundesärztekammer,<br />
Vorwort zum Richtlinienentwurf).<br />
Wenn die Hilfe für die betroffenen<br />
Menschen jedoch darin besteht, ihnen<br />
zu einem „gesunden“ eigenen Kind zu<br />
verhelfen, dient die Erzeugung (und<br />
Verwerfung) der <strong>Embryonen</strong> letztlich<br />
fremden Zwecken.<br />
Imm<strong>an</strong>uel K<strong>an</strong>t wollte dieser Verzweckung<br />
des menschlichen Lebens einen<br />
Riegel vorschieben. Eine Formulierung<br />
seines so gen<strong>an</strong>nten kategorischen<br />
Imperativs in der „Grundlegung<br />
der Metaphysik der Sitten“ lautet:<br />
„H<strong>an</strong>dle so, dass du die Menschheit in<br />
deiner Person als in der Person eines jeden<br />
<strong>an</strong>deren, jederzeit zugleich als<br />
Zweck, und niemals bloß als Mittel gebrauchst“<br />
(K<strong>an</strong>t 1991, 79). Der Mensch,<br />
und das gilt auch für das Kind und den<br />
Embryo in jedem Entwicklungsstadium,<br />
„existiert als Zweck <strong>an</strong> sich selbst“.<br />
Ein Embryo k<strong>an</strong>n deshalb nicht zum<br />
Heft 8, 2<strong>3.</strong> Februar 2001<br />
Medizinische Ethik<br />
Zu dem Beitrag „Gibt es das Recht auf ein gesundes<br />
Kind?“ von Dr. theol. Mirjam Zimmerm<strong>an</strong>n<br />
und Dr. theol. Ruben Zimmerm<strong>an</strong>n in Heft<br />
51–52/2000:<br />
Nichts für Nichtmediziner!<br />
Bei diesem Thema ist eine sachliche<br />
Diskussion geboten. Leider vermitteln<br />
die Autoren dieses Artikels durch ihre<br />
Ausdrucksweise, dass es ihnen weniger<br />
auf eine solide Bewertung der Präim-<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Mittel der Furchtbekämpfung seiner<br />
Eltern <strong>an</strong>gesichts ihres Wunsches auf<br />
ein gesundes eigenes Kind eingesetzt<br />
werden.<br />
„Praktische Ethik“<br />
Fazit: Weder die klinische Notwendigkeit<br />
noch der Hinweis auf die Praxis in<br />
Nachbarländern können als ethisches<br />
Argument hinreichen (Hepp 2000,<br />
1221). Ebenso wenig k<strong>an</strong>n der Wunsch<br />
der Eltern nach einem gesunden Kind<br />
eine ethische Validität be<strong>an</strong>spruchen,<br />
die das Lebensrecht <strong>an</strong>deren menschlichen<br />
Lebens außer Kraft setzen könnte.<br />
Wenn m<strong>an</strong> <strong>an</strong>erkennt, dass die<br />
Schutzwürdigkeit des menschlichen<br />
Embryos vom Zeitpunkt der Fertilisation<br />
<strong>an</strong> besteht, d<strong>an</strong>n könnte das<br />
Lebensrecht des Embryos nur d<strong>an</strong>n<br />
einer positiven Güterabwägung mit<br />
den Interessen der Mutter unterworfen<br />
werden, wenn der spätere, die<br />
Straffreiheit bei Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch<br />
begründende Konflikt im Analogieschluss<br />
bereits bei der PGD <strong>an</strong>tizipiert<br />
wird. Eine ethische Argumentation,<br />
die dies bejaht, stützt sich<br />
auf utilitaristische Maximen wie Interessenabwägung,<br />
Hedonismus-Prinzip<br />
und Total<strong>an</strong>sicht unter Einbeziehung<br />
noch nicht existierender Wesen. Wem<br />
diese „praktische Ethik“ <strong>an</strong>gemessen<br />
erscheint, der findet darin einen moralischen<br />
Rückhalt zur Begründung der<br />
Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik. Wer jedoch<br />
gegenüber dieser Moralphilosophie<br />
mit ihren bek<strong>an</strong>nten Konsequenzen<br />
(vgl. Peter Singers Euth<strong>an</strong>asie-Thesen)<br />
skeptisch bleibt, sollte die<br />
pl<strong>an</strong>tationsdiagnostik (PGD) – eventuell<br />
unter Einbeziehung der Erfahrungen<br />
<strong>an</strong>derer Länder – als auf eine polemische<br />
Debatte <strong>an</strong>kommt. Bereits die<br />
Überschrift „Recht auf das gesunde<br />
Kind?“ ist einer ernsthaften Debatte in<br />
einer medizinischen Zeitschrift un<strong>an</strong>gemessen.Auch<br />
die Autoren wissen<br />
natürlich, dass es bei der PGD nicht um<br />
„Gesundheit“ des Kindes schlechthin<br />
geht, sondern nur um die Vermeidung<br />
von bestimmten Kr<strong>an</strong>kheiten, die wir<br />
heute erkennen können (deren Liste<br />
ethische Argumentation in der Begründung<br />
der PGD noch einmal überdenken.<br />
Literatur<br />
1. Hare RM: Das missgebildete Kind. Moralische Dilemmata<br />
für Ärzte und Eltern. In: Leist A (Hg.): Um Leben<br />
und Tod. Moralische Probleme bei Abtreibung, künstlicher<br />
Befruchtung, Euth<strong>an</strong>asie und Selbstmord,<br />
Fr<strong>an</strong>kfurt a. M.: Suhrkamp, <strong>3.</strong> Aufl. 1992; 374–383<br />
(zuerst: The Abnormal Child: Moral Dilemmas of Doctors<br />
<strong>an</strong>d Parents, <strong>Dokumentation</strong> in Medical Ethics 3,<br />
1974).<br />
2. Hepp H: Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie der<br />
Bundesärztekammer: Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik –<br />
medizinische, ethische und rechtliche Aspekte, Dt<br />
Ärztebl 2000; 97: A-1213–1221 [Heft 18].<br />
<strong>3.</strong> Höffe O: Einführung in die utilitaristische Ethik, Tübingen,<br />
²1992.<br />
4. K<strong>an</strong>t I: Grundlegung der Metaphysik der Sitten (1785),<br />
Stuttgart, 1991.<br />
5. Ministerium der Justiz Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz (Hg.): Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik.<br />
Thesen zu den medizinischen,<br />
rechtlichen und ethischen Problemstellungen.<br />
Bericht der Bioethik-Kommission des L<strong>an</strong>des Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz<br />
vom 20. Juni 1999, Alzey, 1999.<br />
6. Singer P: Praktische Ethik. Neuausgabe, Stuttgart:<br />
Reclam, 1994 (orig. Cambridge 1993).<br />
7. Zimmerm<strong>an</strong>n M, Zimmerm<strong>an</strong>n R: Präferenz-Utilitarismus.<br />
Zur Neuausgabe der „Praktischen Ethik“ von Peter<br />
Singer, Zeitschrift für Ev<strong>an</strong>gelische Ethik 40 (1996),<br />
295–307.<br />
8. Zimmerm<strong>an</strong>n M: Geburtshilfe als Sterbehilfe? Zur<br />
Beh<strong>an</strong>dlungsentscheidung bei schwerstgeschädigten<br />
Neugeborenen und Frühgeborenen, Fr<strong>an</strong>kfurt a. M.<br />
u. a., 1997.<br />
9. Zimmerm<strong>an</strong>n M, Zimmerm<strong>an</strong>n R: Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik:<br />
Ch<strong>an</strong>ce oder Irrweg?, Zeitschrift für Ev<strong>an</strong>gelische<br />
Ethik 45 (2001), 47–57.<br />
❚ Zitierweise dieses Beitrags:<br />
Dt Ärztebl 2000; 97: A 3487–3489 [Heft 51–52]<br />
Anschrift der Verfasser:<br />
Dr. theol. Mirjam Zimmerm<strong>an</strong>n<br />
Dr. theol. Ruben Zimmerm<strong>an</strong>n<br />
Nadlerstraße 17<br />
69226 Nußloch<br />
E-Mail: ir8@ix.urz.uni-heidelberg.de<br />
mit der Zeit sicherlich zunehmend länger<br />
werden wird).Auch geht es nicht<br />
um „kr<strong>an</strong>ke“ <strong>Embryonen</strong>, sondern um<br />
solche mit früh erkennbaren genetischen<br />
Schäden. Polemisch ist auch die<br />
Behauptung, mit der Erlaubnis der<br />
PGD würde einer weitergehenden Eugenik<br />
Tür und Tor geöffnet. Jede medizinisch-technische<br />
Entwicklung hat ihre<br />
Missbrauchsmöglichkeiten. Gab es<br />
nicht auch ernsthafte Menschen, die vor<br />
den Gefahren der Narkose gewarnt haben?<br />
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