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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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Die sich abzeichnenden Entscheidungen<br />

in Deutschl<strong>an</strong>d bedeuten den Einstieg<br />

in die verbrauchende <strong>Embryonen</strong>forschung<br />

einschließlich des therapeutischen<br />

Klonens. Der geistige Widerst<strong>an</strong>d<br />

gegen die <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> hum<strong>an</strong>en embryonalen<br />

Stammzellen entspringt nicht<br />

einer „fundamentalistischen“, gar ausschließlich<br />

konfessionell begründeten<br />

Gegenposition. Vielmehr sind die Gegner<br />

dieser <strong>Forschung</strong> Verteidiger der<br />

Menschenwürde, die die Grundlage des<br />

liberalen Rechtsstaats bildet. Möglicherweise<br />

ist der Einstieg in die verbrau-<br />

Heft 49, 7. Dezember 2001<br />

<strong>Dokumentation</strong><br />

Stellungnahme der Zentralen<br />

Ethikkommission<br />

zur Stammzellforschung<br />

Die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer<br />

hat die Aufgabe, Stellungnahmen<br />

zu ethischen Fragen abzugeben, die durch den Fortschritt<br />

und die technologische Entwicklung in der<br />

Medizin und ihren Grenzgebieten aufgeworfen werden<br />

und die eine argumentative Antwort erfordern.<br />

Die Kommission hat als unabhängiges Gremium<br />

1995 ihre Arbeit aufgenommen und ist multidisziplinär<br />

zusammengesetzt. Sie besteht aus 16 Mitgliedern;<br />

neben 5 Ärzten der verschiedenen Fachdisziplinen<br />

gehören ihr Naturwissenschaftler, Juristen,<br />

Philosophen,Theologen und Soziologen <strong>an</strong>.<br />

<strong>Embryonen</strong>forschung und Stammzellforschung<br />

werden zurzeit öffentlich und wissenschaftlich<br />

kontrovers diskutiert. Die Zentrale Ethikkommission<br />

sieht es als ihre Aufgabe <strong>an</strong>, zu den damit verbundenen<br />

Fragen Stellung zu nehmen, und legt<br />

nachfolgend in Thesenform die Ergebnisse ihrer Beratungen<br />

vor. Hinsichtlich der Begründung verweist<br />

sie auf eine ausführliche Stellungnahme, die in<br />

Kürze vorgelegt werden wird. Hier wird sich die<br />

Zentrale Ethikkommission auch zur Frage des<br />

somatischen Zellkerntr<strong>an</strong>sfers (so gen<strong>an</strong>ntes therapeutisches<br />

Klonen) differenziert äußern.<br />

1. Die <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> Stammzellen steht ungeachtet<br />

viel versprechender Ergebnisse in weiten Bereichen<br />

noch am Anf<strong>an</strong>g.Viele wichtige Fragen zur Biologie<br />

und zum Potenzial embryonaler, fetaler und<br />

adulter Stammzellen sowie der Stammzellen aus<br />

Nabelschnurblut sind bisher nicht be<strong>an</strong>twortet. Dies<br />

betrifft insbesondere auch eine Abschätzung der<br />

klinischen Möglichkeiten, die durch den Einsatz der<br />

verschiedenen Stammzelltypen verwirklicht werden<br />

könnten.<br />

2. Die Zentrale Ethikkommission weist darauf<br />

hin, dass die entsprechende <strong>Forschung</strong> bisher weithin<br />

reine Grundlagenforschung darstellt. Die bisherige<br />

Charakterisierung von Stammzellen reicht für<br />

den klinischen Einsatz noch keineswegs aus. Auch<br />

wenn überraschende Durchbrüche niemals auszuschließen<br />

sind, warnt die Zentrale Ethikkommission<br />

118<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

chende <strong>Embryonen</strong>forschung auch in<br />

Deutschl<strong>an</strong>d nicht mehr abzuwenden.<br />

Entgegen den Suggestionen ihrer Protagonisten<br />

h<strong>an</strong>delt es sich dabei jedoch<br />

nicht um einen naturwüchsigen und unabänderlichen<br />

„Fortschritt“,sondern um<br />

reversible politische Entscheidungen,<br />

auch wenn im Falle des <strong>Embryonen</strong>verbrauchs<br />

die Opfer nicht mehr rückgängig<br />

gemacht werden können. Auch nach<br />

der Empfehlung des Nationalen Ethikrats<br />

und der noch offenen Entscheidung<br />

der Politik: Der politische Konflikt<br />

um die Menschenwürde hat erst begon-<br />

eindringlich vor übertriebenen und voreiligen Heilungsversprechen<br />

beziehungsweise -erwartungen.<br />

Lediglich die <strong>Forschung</strong> mit speziellen hämatopoetischen<br />

Stammzellen hat bisher zu einer klinischen<br />

Anwendung in der Onkologie geführt.<br />

<strong>3.</strong> Die Zentrale Ethikkommission verweist auf<br />

die gesellschaftliche Bedeutung der Grundlagenforschung<br />

und der patientenbezogenen <strong>Forschung</strong>.Aus<br />

gutem Grund ist die Wissenschaftsfreiheit von der<br />

Verfassung individuell und institutionell gar<strong>an</strong>tiert.<br />

4. Die Zentrale Ethikkommission verweist darauf,<br />

dass das Bemühen um Fortschritte bei der<br />

Heilung und Linderung von Kr<strong>an</strong>kheiten auch im<br />

Hinblick auf zukünftige Generationen ein hohes<br />

ethisches und soziales Gut darstellt. Auch aus<br />

verfassungsrechtlicher Sicht besteht eine entsprechende<br />

Schutzpflicht des Staates für Leben und<br />

Gesundheit der Patienten.<br />

5. Die Zentrale Ethikkommission verweist darauf,<br />

dass die Rechtsordnung auch dem ungeborenen<br />

menschlichen Leben in seinen frühesten Formen<br />

Schutz der Menschenwürde und des Lebens<br />

zuspricht. Daraus resultiert aber offenbar keine<br />

absolute, jedweder Abwägung entzogene Schutzpflicht.<br />

Dies zeigt die Güter- und Interessenabwägung<br />

beim Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch und beim<br />

Gebrauch von Nidationshemmern. 1<br />

6. Die Zentrale Ethikkommission ist sich bewusst,<br />

dass die Gewinnung und Nutzung von<br />

hum<strong>an</strong>en embryonalen Stammzellen gravierendere<br />

ethische Probleme aufwerfen als die der adulten<br />

und fetalen Stammzellen sowie der Stammzellen<br />

aus Nabelschnurblut.<br />

7. Ethische Güterabwägungen zwischen hochr<strong>an</strong>gigen<br />

Schutzinteressen sind in der medizinischen<br />

<strong>Forschung</strong> und Praxis oft unausweichlich.<br />

Die Zentrale Ethikkommission bejaht einstimmig<br />

auch im Hinblick auf die <strong>Forschung</strong> mit hum<strong>an</strong>en<br />

embryonalen Stammzellen die prinzipielle Zulässigkeit<br />

einer Güterabwägung aus ethischer Sicht.<br />

Im Blick auf Art und Umf<strong>an</strong>g der Güterabwägung<br />

und ihrer Konsequenzen gehen die Auffassungen in<br />

der Zentralen Ethikkommission allerdings ausein<strong>an</strong>der.<br />

8.Aufgrund der vorstehenden Darlegungen und<br />

unter Abwägung auch entgegenstehender Argumente<br />

ist die Zentrale Ethikkommission mehrheitlich<br />

(bei 1 Gegenstimme) der Ansicht, dass mensch-<br />

nen. Er muss in der Subst<strong>an</strong>z eine Ausein<strong>an</strong>dersetzung<br />

über die Grundlagen<br />

unseres Gemeinwesens und um die Inhalte<br />

und Ziele des „Fortschritts“ sein.<br />

❚ Zitierweise dieses Beitrags:<br />

Dt Ärztebl 2001; 98: A 3268–3270 [Heft 49]<br />

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis,<br />

das über den Sonderdruck beim Verfasser<br />

und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Priv.-Doz. Dr. med. S<strong>an</strong>tiago Ewig<br />

Oberarzt der Medizinischen Universitäts-Poliklinik<br />

der Universität Bonn<br />

Wilhelmstraße 35, 53111 Bonn<br />

liche <strong>Embryonen</strong>, die für Zwecke der assistierten<br />

Reproduktion erzeugt wurden, aber nicht impl<strong>an</strong>tiert<br />

werden können, für <strong>Forschung</strong>szwecke verwendet<br />

werden dürfen, die nicht vergleichbar auf<br />

<strong>an</strong>dere Weise (zum Beispiel durch <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong><br />

adulten Stammzellen oder <strong>an</strong> tierischen Zellen)<br />

erreicht werden können. Öffentlich und privat fin<strong>an</strong>zierte<br />

<strong>Forschung</strong>svorhaben mit hum<strong>an</strong>en embryonalen<br />

Stammzellen sollten hinsichtlich ihrer Zulässigkeit<br />

von einer unabhängigen, interdisziplinär zusammengesetzten<br />

Kommission beurteilt werden.<br />

9. Die Zentrale Ethikkommission spricht sich unter<br />

den vorstehend gen<strong>an</strong>nten Voraussetzungen<br />

mehrheitlich (bei 4 Gegenstimmen) dafür aus, den<br />

Import von pluripotenten embryonalen Stammzellen<br />

nicht zu behindern. 2<br />

10. Die Zentrale Ethikkommission ist einstimmig<br />

der Ansicht, dass die gezielte Herstellung von<br />

<strong>Embryonen</strong> zu <strong>Forschung</strong>szwecken auf dem Weg<br />

der Befruchtung ethisch nicht vertretbar ist.<br />

11. Die Zentrale Ethikkommission ist einstimmig<br />

der Ansicht, dass das reproduktive Klonen<br />

von Menschen, gleichgültig auf welchem Weg es<br />

erfolgt, nicht vertretbar ist.<br />

12. Die Zentrale Ethikkommission empfiehlt einstimmig<br />

eine intensive begleitende <strong>Forschung</strong> der<br />

ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen<br />

der Stammzellforschung.<br />

Köln, 2<strong>3.</strong> November 2001<br />

1 Aus moraltheologischer Sicht ist diese Regelung allerdings<br />

zu hinterfragen.<br />

2 Anmerkung Prof. Doerfler/Prof. Helmchen: Wir haben gegen<br />

die Zulassung des Imports embryonaler Stammzellen bei<br />

gleichzeitig durch das <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz bestehendem<br />

Verbot der Gewinnung dieser Zellen in Deutschl<strong>an</strong>d gestimmt.<br />

Es wäre für uns mehr als fragwürdig und völlig inakzeptabel,<br />

wenn m<strong>an</strong> die in der Bundesrepublik von m<strong>an</strong>chen gesellschaftlichen<br />

Gruppen aus ethischen Gründen abgelehnte Gewinnung<br />

embryonaler Stammzellen Wissenschaftlern in <strong>an</strong>deren<br />

Ländern überließe, sich die Vorteile der <strong>Forschung</strong>sergebnisse,<br />

die mit diesen Zellen vielleicht einmal gewonnen werden<br />

können, in Deutschl<strong>an</strong>d d<strong>an</strong>n aber nutzbar machte. Diese<br />

Mentalität des unverbindlichen „SOWOHL ALS AUCH“ ist unrealistisch<br />

und würde von unseren Kollegen in <strong>an</strong>deren Ländern<br />

mit Misstrauen betrachtet: Some Germ<strong>an</strong>s w<strong>an</strong>t to have<br />

their cake <strong>an</strong>d eat it too.<br />

Die „Zentrale Ethikkommission“ ist zwar bei der Bundesärztekammer<br />

(BÄK) eingerichtet, in ihrer Arbeit aber von der<br />

BÄK unabhängig. Die hier dokumentierte Stellungnahme<br />

gibt somit nicht die BÄK-Auffassung wieder; deren Vorst<strong>an</strong>d<br />

hat sich noch keine Meinung gebildet. DÄ

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