Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Bundesärztekammer zur <strong>PID</strong> sind<br />
nicht g<strong>an</strong>z abwegig. Zudem schließen<br />
liberale rechtliche Regelungen nicht<br />
aus, dass für zahlreiche Bürger aufgrund<br />
von moralischen, hoch respektablen<br />
Überzeugungen eine <strong>PID</strong> oder<br />
ein Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch nicht infrage<br />
kommen.<br />
In die Diskussion haben sich Ärzte<br />
und Vertreter der verfassten Ärzteschaft<br />
eingeschaltet – mit deutlicher Reson<strong>an</strong>z.<br />
Insbesondere ein Artikel des<br />
Präsidenten der Bundesärztekammer,<br />
Jörg-Dietrich Hoppe, in der Fr<strong>an</strong>kfurter<br />
Allgemeinen Zeitung hat zahlreiche<br />
Reaktionen provoziert. Nicht zuletzt<br />
von ihm selbst, wurde doch sein Artikel<br />
ohne Rücksprache gekürzt, entstellend<br />
überschrieben und redaktionell vernichtend<br />
kommentiert: Seine Ausführungen<br />
seien „in weiten Teilen ein<br />
Dokument der Hilflosigkeit“.<br />
Das bitterböse Urteil des redaktionellen<br />
Kommentars richtete sich unter<br />
<strong>an</strong>derem gegen Hoppes Äußerung, die<br />
aufgeworfenen Fragen könnten nur von<br />
der „Gesamtgesellschaft“ be<strong>an</strong>twortet<br />
werden. Dem hielt wenig später Steph<strong>an</strong><br />
Sahm entgegen, es zähle „zu den<br />
vornehmsten ärztlichen Pflichten [. . .],<br />
zu den ethischen Herausforderungen<br />
medizinischer Praxis einen St<strong>an</strong>dpunkt<br />
zu finden“ .<br />
Unweigerlich drängt sich die Frage<br />
auf, welche Rolle der Ärzteschaft bei<br />
der Ausein<strong>an</strong>dersetzung zukommt.<br />
Zweierlei sollte m<strong>an</strong> sich vergegenwärtigen.<br />
Erstens: Wen betreffen die Entscheidungen?<br />
Und zweitens: Gibt es eine<br />
Gruppe, die über einen privilegierten<br />
Zug<strong>an</strong>g zu einer besseren und in höherem<br />
Maße verbindlichen Moral verfügt?<br />
Die erste Frage lässt sich leicht be<strong>an</strong>tworten:<br />
Die Auswirkungen neuer<br />
Technologien in der Medizin betreffen<br />
alle potenziellen Kr<strong>an</strong>ken, also im Prinzip<br />
alle Bürger. Die Frage, wie eine<br />
Gesellschaft mit dem ungeborenen<br />
menschlichen Leben umgehen soll, betrifft<br />
gleichermaßen alle Bürger. Hier<br />
steht kein professionsinternes, sondern<br />
ein „gesamtgesellschaftliches“ Problem<br />
zur Debatte.<br />
Bei der Frage nach einem privilegierten<br />
Zug<strong>an</strong>g zu einer Moral wird m<strong>an</strong> auf<br />
Grund<strong>an</strong>nahmen unseres Gemeinwesens<br />
verweisen müssen. Zu diesen<br />
gehört, dass ein jeder Bürger in Sachen<br />
80<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Moral zunächst einmal selbst Experte<br />
ist. Als sittliche Subjekte sind wir in hohem<br />
Maße auf uns selbst verwiesen, und<br />
darin sind sich alle Bürger gleich. Es ist<br />
mit dem Selbstverständnis einer demokratischen<br />
und offenen Gesellschaft daher<br />
kaum zu vereinbaren, dass einer Berufsgruppe<br />
exklusive moralische Fähigkeiten<br />
zugest<strong>an</strong>den werden, und Gleiches<br />
gilt für exklusive moralische Befugnisse.<br />
Wer es <strong>an</strong>ders sieht, müsste es begründen<br />
– und das dürfte kaum gelingen.<br />
Kurzum: Die Frage, wie eine Gesellschaft<br />
mit dem ungeborenen Leben umgehen<br />
soll, lässt sich nicht von einer Profession<br />
lösen. Erstens geht sie alle <strong>an</strong>,<br />
und zweitens verfügt ein Berufsst<strong>an</strong>d<br />
über keinerlei besondere Fähigkeiten<br />
und Befugnisse in moralischen Fragen.<br />
Die Ärzteschaft – Spiegel einer<br />
wertepluralen Gesellschaft<br />
Demokratische Gesellschaften halten<br />
die Zuständigkeit von Professionen gezielt<br />
begrenzt: Für die moralischen Probleme<br />
in ihrem Arbeitsbereich und vor<br />
allem für die Grundhaltungen des ärztlichen<br />
Ethos wird der Profession zwar<br />
ein Formulierungsrecht, beim ärztlichen<br />
Ethos gar ein Vorschlagsrecht eingeräumt.<br />
Die Berufsordnung – in<br />
Selbstverwaltung erstellt – muss jedoch<br />
stets von einem Minister gezeichnet<br />
werden. Anderes wäre in einem demokratischen<br />
Rechtsstaat auch schwerlich<br />
zu vertreten. Ärzte können die moralischen<br />
Normen ihres H<strong>an</strong>delns formulieren,<br />
argumentativ untermauern und<br />
für sie werben. Ihre Gültigkeit festlegen<br />
können sie als Profession jedoch nicht.<br />
Zuständig sind die demokratisch legitimierten<br />
Institutionen der Gesellschaft.<br />
Dieser Aufteilung von Zuständigkeit<br />
wird stets der hohe Sachverst<strong>an</strong>d der<br />
Professionen entgegengehalten. Nur sie<br />
verfügten über die Kenntnisse, die <strong>an</strong>gemessene<br />
und sachgerechte Urteile erlauben.<br />
Und in der Tat ist der öffentliche<br />
Diskurs vom Sachverst<strong>an</strong>d der Experten<br />
abhängig – allerdings nur in<br />
technischen Fragen. Nichts <strong>an</strong>deres ist<br />
mit dem Selbstverständnis einer Demokratie<br />
zu vereinbaren, als dass die Diskussion<br />
um die Medizin im öffentlichen<br />
Raum stattfindet, dass die Vertreter der<br />
St<strong>an</strong>desorg<strong>an</strong>isationen ein Diskussi-<br />
onspartner unter vielen sind, dass von<br />
ihnen zwar technischer Sachverst<strong>an</strong>d<br />
verl<strong>an</strong>gt werden k<strong>an</strong>n, ihnen aber kein<br />
privilegierter Zug<strong>an</strong>g auf eine überlegene<br />
oder bindende Moral zusteht.<br />
Ein Vergleich drängt sich auf: M<strong>an</strong><br />
stelle sich das Befremden vor, wenn die<br />
militärische Führung der Bundeswehr<br />
feststellen würde, es gehöre zu den vornehmsten<br />
Pflichten des Militärs, in Sachen<br />
Kriegsführung einen St<strong>an</strong>dpunkt<br />
zu finden und entsprechend zu entscheiden.<br />
Wenn demokratische Gesellschaften<br />
beständig darauf beharren,<br />
dass Soldaten „Bürger in Uniform“<br />
sind und ihnen keinerlei Sonderstellung<br />
zukommt, d<strong>an</strong>n ist doch nicht einzusehen,<br />
was so schlecht dr<strong>an</strong> ist, wenn sich<br />
die Ärzte als „Bürger im weißen Kittel“<br />
verstehen.<br />
Insofern war es nur zu <strong>an</strong>gemessen,<br />
wenn die Bundesärztekammer zunächst<br />
einen Entwurf zur Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
zur Diskussion gestellt<br />
hat. Den Kritikern dieser Vorgehensweise<br />
sei gesagt, dass alles <strong>an</strong>dere ungleich<br />
mehr Proteste hervorgerufen hätte.<br />
Jörg-Dietrich Hoppe hat nicht nur die<br />
„Gesamtgesellschaft“ als Forum des Diskurses<br />
<strong>an</strong>geführt, sondern realistischerweise<br />
hinzugefügt, dass es um ethische<br />
Grundfragen gehe, „über die gesamtgesellschaftlich<br />
keine Einigkeit erzielt werden<br />
k<strong>an</strong>n“.Ist es vor diesem Hintergrund<br />
nicht völlig abwegig, von den Ärzten zu<br />
verl<strong>an</strong>gen – wie im redaktionellen Kommentar<br />
der Fr<strong>an</strong>kfurter Allgemeinen –,<br />
was der Gesellschaft nicht mehr gelingt?<br />
Die Ärzteschaft spiegelt auch nur die<br />
Gesellschaft wider, und es wäre g<strong>an</strong>z illusorisch<br />
<strong>an</strong>zunehmen, dass sich alle Ärzte<br />
in der Frage des Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs<br />
oder der <strong>PID</strong> einig wären. (Noch<br />
nicht einmal innerhalb der Vorst<strong>an</strong>des<br />
der Bundesärztekammer, wie der Kommentar<br />
von Fr<strong>an</strong>k Ulrich Montgomery,<br />
gleichfalls in der Fr<strong>an</strong>kfurter Allgemeinen,<br />
verdeutlicht!) Die Ärzteschaft einer<br />
wertepluralen Gesellschaft ist keine vollständig<br />
homogene Gruppe, bei der es zu<br />
schwierigen und komplexen Themen nur<br />
eine Meinung gibt.<br />
Dem Präsidenten der Bundesärztekammer<br />
wurde überdies der Verweis<br />
auf eine Äußerung von Herm<strong>an</strong>n-Josef<br />
Hepp vorgeworfen, in dieser Situation<br />
könne es „ein schuldfreies Arztsein“<br />
nicht mehr geben. M<strong>an</strong> mag über den