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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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Nach der Äußerung der Enquete-<br />

Kommission des Deutschen Bundestags<br />

scheint festzustehen, dass<br />

ohne eine Gesetzesänderung Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

(<strong>PID</strong>) in Deutschl<strong>an</strong>d<br />

nicht möglich sein wird. Damit ist der<br />

Weg frei für eine tief greifende Debatte,<br />

die Zeit der Taktiererei ist vorbei.<br />

In der nun <strong>an</strong>stehenden Debatte werden<br />

auch die Motive der Akteure von Interesse<br />

sein. Gerade bei Menschen, die<br />

in ethischen Debatten eher unerfahren<br />

sind – was niem<strong>an</strong>dem vorzuwerfen ist –,<br />

bestimmen oftmals das Ziel, der<br />

Wunsch, das Wollen auch die Argumente.<br />

Doch ethische Grundprinzipien bestimmen<br />

das Gewicht der Argumente,<br />

nicht umgekehrt.<br />

In der Diskussion mit Gesundheitspolitikerinnen<br />

– vor allem der SPD – ist mir<br />

ein Argument immer wieder vorgehalten<br />

worden, mit dem m<strong>an</strong> sich intensiv<br />

ausein<strong>an</strong>der setzen muss: <strong>PID</strong> sei eine<br />

Form des Selbstbestimmungsrechts der<br />

Frau. („Mein Bauch gehört mir.“) Hinter<br />

der <strong>PID</strong>-Debatte stehe die Fortsetzung<br />

des Befreiungskampfes der Frau in<br />

unserer Gesellschaft.<br />

Verkürzt gesagt, Politikerinnen, die<br />

noch geprägt sind von der Abtreibungsdebatte<br />

der 70er- und 80er-Jahre, vermuten<br />

einen Rückschritt hinter die Positionen,<br />

die sie mühsam erkämpft haben. Wieder<br />

einmal sehen wir, wie viele Zusammenhänge<br />

es zwischen der §-218-Debatte und<br />

der <strong>PID</strong> gibt. Aus der Sicht der reinen<br />

Ethik war und ist der § 218 ein Sündenfall.<br />

Und doch: Mit diesem Bruch müssen wir<br />

alle leben,denn die Neuregelung des § 218<br />

hat zugleich Millionen Frauen aus Abhängigkeit,<br />

Zweifel und Not befreit. Das muss<br />

gesellschaftlich <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt und akzeptiert<br />

werden.<br />

Bei der <strong>PID</strong> hingegen geht es nicht um<br />

Millionen Frauen, sondern höchstens um<br />

50 bis 100 Paare. Ihnen soll auch nicht das<br />

Recht auf Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch genommen<br />

werden – alle Methoden der pränatalen<br />

Diagnostik und die daraus abzuleitenden<br />

Indikationen zum straffreien<br />

Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch stehen ihnen<br />

nach wie vor offen.<br />

Und schließlich, Regine Kollek; die<br />

Hamburger Medizinethikerin wird nicht<br />

müde, darauf hinzuweisen, dass gerade<br />

die Anwendung der <strong>PID</strong> Frauen noch<br />

mehr belasten k<strong>an</strong>n als der Verzicht.<br />

Schließlich muss eine IVF mit all ihren<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

Heft 15, 1<strong>3.</strong> April 2001<br />

<strong>PID</strong><br />

Motivsuche<br />

technischen und hormonellen M<strong>an</strong>ipulationen,<br />

ihren Imponderabilien und Risiken<br />

<strong>an</strong> Frauen vorgenommen werden, die<br />

in der Lage sind, ihre Kinder auf normalem<br />

Wege zu konzipieren. Insofern hat also<br />

der Verzicht auf <strong>PID</strong> nichts mit einer<br />

Einschränkung der Rechte von Frauen zu<br />

tun, schon gar nichts mit einem Zurückdrehen<br />

der aus dem § 218 abgeleiteten<br />

Frauenrechte.<br />

Unser Bundesk<strong>an</strong>zler, Gerhard<br />

Schröder, hat sich nun auch in letzter<br />

Zeit intensiv um das Thema gekümmert.<br />

Was treibt ihn auf dieses ethisch schwierige<br />

Feld? Hier gibt es nur Vermutungen,<br />

die sich aus seinen sonstigen Aktivitäten<br />

ableiten lassen. Schröder ist ein<br />

Politiker, der immer d<strong>an</strong>n aktiv wird,<br />

wenn<br />

❃ große Populationen betroffen sind,<br />

❃ das Thema weite Bevölkerungsbereiche<br />

<strong>an</strong>spricht,<br />

❃ wissenschaftliche Möglichkeiten<br />

und Freiheitsräume eingeschränkt werden<br />

oder<br />

❃ wirtschaftliche Interessen t<strong>an</strong>giert<br />

sind.<br />

Nimmt m<strong>an</strong> die Ankündigungen<br />

ernst, dass die <strong>PID</strong> auf wenige schwerwiegende<br />

Indikationen beschränkt bleiben<br />

soll, d<strong>an</strong>n werden weder große Populationen<br />

betroffen sein, noch wird die<br />

<strong>PID</strong>, ausgeführt <strong>an</strong> 50 bis 100 Paaren<br />

jährlich, ein wirtschaftlich nennenswertes<br />

Feld werden. Diese Argumente<br />

scheiden also aus.<br />

Auch ist die Bevölkerung, das belegen<br />

alle Umfragen, mehrheitlich gegen alle<br />

M<strong>an</strong>ipulationen am Embryo, auch gegen<br />

<strong>PID</strong>. Durch die Erklärung zur „Chefsache“<br />

ist hier also auch kein „politischer<br />

Blumentopf“ zu gewinnen.<br />

Wissenschaftlich ist die <strong>PID</strong> ein seit<br />

rund zw<strong>an</strong>zig Jahren bek<strong>an</strong>ntes Verfahren.<br />

In der Biologie, <strong>an</strong> Tieren schon viel<br />

verwendet, selbst am Menschen (im Ausl<strong>an</strong>d)<br />

längst erprobt. Wissenschaftlich also<br />

auch nichts Neues!<br />

Bleibt die Frage nach übergeordneten<br />

wirtschaftlichen Motiven. Wir wissen,<br />

dass der K<strong>an</strong>zler auch eine intensive De-<br />

batte um die Verwendung von embryonalen<br />

Stammzellen und „therapeutisches<br />

Klonen“ <strong>an</strong>gestoßen hat. Der<br />

K<strong>an</strong>zler selber scheint diesen Methoden<br />

offener gegenüberzustehen als weite<br />

Teile der Bevölkerung. Er hat großes Interesse<br />

<strong>an</strong> biotechnologischen Verfahren<br />

und will diese befördern. Ihn treiben dabei<br />

vorr<strong>an</strong>gig wirtschaftspolitische Motive.<br />

Er ist sich der Tatsache bewusst, dass<br />

die Verwendung embryonaler Stammzellen<br />

heute noch vom <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz<br />

verboten ist. Für eine Änderung dieser<br />

Bestimmung bestehen zurzeit weder<br />

Mehrheiten im Parlament noch in der Bevölkerung.<br />

Würde m<strong>an</strong> aber die <strong>PID</strong> – am unauffälligsten,<br />

und deshalb von politischen<br />

Befürwortern der <strong>PID</strong> am liebsten gesehen,<br />

durch untergesetzliche Regelung<br />

über eine Richtlinie der Bundesärztekammer<br />

– zulassen, würde ein offener<br />

logischer Bruch entstehen, dass <strong>Embryonen</strong>m<strong>an</strong>ipulationen<br />

und Verbrauch<br />

von <strong>Embryonen</strong> zum Nutzen einzelner<br />

Paare zwar zulässig, <strong>Forschung</strong> zur Heilung<br />

g<strong>an</strong>zer Volkskr<strong>an</strong>kheiten (so zumindest<br />

die euphorischen Heilsversprechungen<br />

m<strong>an</strong>cher Wissenschaftler) aber verboten<br />

bliebe. In die Debatte um die ethischen<br />

Probleme <strong>an</strong> Anf<strong>an</strong>g und Ende<br />

des Lebens wäre eine weitere Irrationalität<br />

eingeführt, die uns weg von der reinen<br />

Ethik hin zu einer pragmatischen<br />

Moral führt.<br />

Im Klartext: Ich befürchte, dass das<br />

Engagement des K<strong>an</strong>zlers vor allem ein<br />

dialektischer Trick ist, da ihm längst bewusst<br />

geworden ist, dass mit der Zulassung<br />

der <strong>PID</strong> auch die Vorbehalte gegen<br />

embryonale Stammzellforschung und<br />

therapeutisches Klonen fallen werden.<br />

Damit aber wäre die Tür geöffnet für ein<br />

wissenschaftliches und wirtschaftliches<br />

„Eldorado“ – d<strong>an</strong>n gäbe es kein Halten<br />

mehr. Dr. med. Fr<strong>an</strong>k Ulrich Montgomery<br />

Der Verfasser ist Präsident der Ärztekammer Hamburg<br />

und 1. Vorsitzender des Marburger Bundes.<br />

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