Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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option, eine künstliche Befruchtung mit<br />
<strong>PID</strong>, eine Schw<strong>an</strong>gerschaft mit Pränataldiagnostik<br />
und eventueller Abtreibung<br />
(in der Literatur auch als „Schw<strong>an</strong>gerschaft<br />
auf Probe“ bezeichnet [14]), die<br />
Samen- beziehungsweise Eizellspende<br />
und schließlich eine natürliche Zeugung<br />
ohne jegliche Intervention („es darauf<br />
<strong>an</strong>kommen lassen“) gegenein<strong>an</strong>der abgewogen<br />
werden. Die Studien<strong>an</strong>fänger<br />
<strong>an</strong> den kirchlichen Fachhochschulen<br />
äußern hier klare Präferenzen für die<br />
Adoption und die natürliche Zeugung<br />
ohne Intervention, die von jeweils etwa<br />
40 Prozent gen<strong>an</strong>nt werden. Bei allen <strong>an</strong>deren<br />
Alternativen liegt die Zustimmung<br />
jeweils im Bereich von nur zehn Prozent.<br />
Anders werten dagegen die Studien<strong>an</strong>fänger<br />
in Medizin. Zwar stimmen<br />
der Adoption 42 Prozent zu, doch d<strong>an</strong>n<br />
folgen die In-vitro-Fertilisation mit<br />
<strong>PID</strong> (29 Prozent) beziehungsweise die<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaft mit Pränataldiagnostik<br />
und eventuellem Abbruch (26 Prozent)<br />
vor der Schw<strong>an</strong>gerschaft ohne Intervention,<br />
die von knapp einem Viertel<br />
der Befragten gen<strong>an</strong>nt wird. Während<br />
diese Unterschiede jedoch lediglich<br />
Trends wiedergeben, unterscheiden<br />
sich die Antworten der Studierenden<br />
aus den höheren Semestern wieder<br />
deutlicher: Jetzt ist die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
die von den Medizinern<br />
mit fast 40 Prozent am häufigsten gen<strong>an</strong>nte<br />
Alternative, deren Akzept<strong>an</strong>z<br />
<strong>an</strong> den kirchlichen Fachhochschulen<br />
mit 5,4 (ev<strong>an</strong>gelisch) beziehungsweise<br />
null Prozent (katholisch) erheblich<br />
niedriger ist. Eine <strong>an</strong>aloge Bewertung<br />
ergibt sich für die so gen<strong>an</strong>nte Schw<strong>an</strong>gerschaft<br />
auf Probe.<br />
Zusammenfassung<br />
und Diskussion<br />
Weitgehende Einigkeit besteht bei allen<br />
Befragten über allgemeine moralische<br />
Aussagen. In Fragen der praktischen<br />
Umsetzung und Indikationen treten<br />
jedoch deutliche Unterschiede zutage:<br />
Die Studierenden der kirchlichen<br />
Fachhochschule stehen der <strong>PID</strong> im Vergleich<br />
zu den Medizinstudenten kritischer<br />
gegenüber. Am deutlichsten lehnen<br />
die Studierenden des fünften Semesters<br />
der katholischen Fachhochschule<br />
die <strong>PID</strong> ab, wohingegen die<br />
166<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Medizinstudenten des siebten Semesters<br />
die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik am<br />
stärksten befürworten. Diese Zustimmung<br />
orientiert sich allerdings <strong>an</strong> Indikationen;<br />
eine <strong>PID</strong> zur Diagnose des<br />
Geschlechts ohne Kr<strong>an</strong>kheitsbezug oder<br />
sogar um körperliche Merkmale zu bestimmen,<br />
lehnen auch die Medizinstudenten<br />
ab.<br />
Die Ergebnisse der Studie lassen den<br />
Schluss zu, dass die Sozialisation durch<br />
das jeweilige Studium offensichtlich einen<br />
deutlichen Einfluss auf die moralische<br />
Bewertung der <strong>PID</strong> hat. Interess<strong>an</strong>t<br />
ist, dass die Mediziner in ihrem<br />
Antwortverhalten weitgehend dem<br />
Richtlinien-Entwurf der Bundesärztekammer<br />
zur <strong>PID</strong> folgen (1). Es wurde<br />
zwar nicht ermittelt, inwieweit die Befragten<br />
diesen Entwurf k<strong>an</strong>nten, es lässt<br />
sich aber vermuten, dass dieser, wenn<br />
überhaupt, d<strong>an</strong>n nur oberflächlich bek<strong>an</strong>nt<br />
ist. Offensichtlich bildet sich aber<br />
während des Medizinstudiums eine<br />
ärztliche Identität, die bei aller Kontroverse<br />
im Detail doch gemeinsam<br />
geteilte Bewertungsmuster erkennen<br />
lässt. Dies gilt <strong>an</strong>alog auch für die<br />
Vergleichsgruppen <strong>an</strong> den kirchlichen<br />
Fachhochschulen, deren kritischere<br />
Haltung gegenüber der <strong>PID</strong> in höheren<br />
Semestern deutlicher ausgeprägt ist<br />
und sich inhaltlich <strong>an</strong> die offizielle<br />
Haltung der beiden großen Kirchen<br />
<strong>an</strong>nähert (7, 11).<br />
Die am Prozess der Entscheidungsfindung<br />
beteiligten Berufsgruppen<br />
bringen ihre eigenen, offensichtlich<br />
durch die berufliche Sozialisation geprägten<br />
Werthaltungen ein, die – wenn<br />
sie unhinterfragt und unverst<strong>an</strong>den<br />
bleiben – ein erhebliches Konfliktpotenzial<br />
in sich bergen. Insofern scheint<br />
im Hinblick auf die ärztliche Ausbildung<br />
eine bewusste Ausein<strong>an</strong>dersetzung<br />
mit den sozialisationsbedingten<br />
Einflüssen sowie der Identifikation mit<br />
der eigenen Berufsgruppe und deren<br />
St<strong>an</strong>dards ein unverzichtbares Element<br />
zu sein. Besonders erhellend<br />
könnten vor dem Hintergrund der Studie<br />
Lehrver<strong>an</strong>staltungen sein, <strong>an</strong> denen<br />
Lernende aus <strong>an</strong>deren Berufsgruppen,<br />
zum Beispiel den sozialdienstlichen<br />
Studiengängen oder von<br />
Kr<strong>an</strong>kenpflegeschulen, beteiligt sind.<br />
So könnte frühzeitig ein Prozess in<br />
G<strong>an</strong>g kommen, in dem die eigenen<br />
Normen und Werte als relativ begriffen<br />
werden, woraus die Notwendigkeit<br />
des lebensl<strong>an</strong>gen Lernens im Sinne der<br />
Erweiterung moralischer Kompetenz<br />
erwächst.<br />
❚ Zitierweise dieses Beitrags:<br />
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2690–2693 [Heft 41]<br />
Literatur:<br />
1. Bundesärztekammer: Diskussionsentwurf zu einer<br />
Richtlinie zur Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik. Dtsch Arzteblatt<br />
2000; 97: A 525–528 [Heft 9].<br />
2. Geraedts J, H<strong>an</strong>dyside A, Harper J et al.: ESHRE<br />
preimpl<strong>an</strong>tation genetic diagnosis (PGD) consortium:<br />
data collection II (May 2000). Hum Reprod 2000;<br />
15: 2673–268<strong>3.</strong><br />
<strong>3.</strong> Habermas J: Auf dem Weg zu einer liberalen<br />
Eugenik? Der Streit um das ethische Selbstverständnis<br />
der Gattung. In: Habermas J: Die Zukunft<br />
der menschlichen Natur. Fr<strong>an</strong>kfurt/Main: Suhrkamp<br />
2001; 34–125.<br />
4. H<strong>an</strong>dyside AH, Kontogi<strong>an</strong>ni EH, Hardy K, Winsten<br />
RM: Pregn<strong>an</strong>cies from biopsied hum<strong>an</strong> preimpl<strong>an</strong>tation<br />
embryos sexed by y-specific DNA amplification.<br />
Nature 1990; 344: 768–770.<br />
5. Hildt E: Über die Möglichkeit freier Entscheidungsfindung<br />
im Umfeld vorgeburtlicher Diagnostik. In:<br />
Düwell M, Mieth D: Ethik in der Hum<strong>an</strong>genetik. Tübingen:<br />
Fr<strong>an</strong>cke 1998; 202–204.<br />
6. Kollek R: Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik – Embryoselektion,<br />
weibliche Autonomie und Recht. Tübingen:<br />
Fr<strong>an</strong>cke 2000.<br />
7. Körtner V:Theologie und Biomedizin. EPD-<strong>Dokumentation</strong><br />
2001; 26/01.<br />
8. Kreß H: Diskussion: Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik, der<br />
Status von <strong>Embryonen</strong> und embryonale Stammzellen.<br />
ZEE 2001; 45: 230–235.<br />
9. Küpker W, Diedrich K: Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik im<br />
Sp<strong>an</strong>nungsfeld von Recht und Ethik. Gynäkologe<br />
1998; 31: 369–372.<br />
10. Ludwig M, Diedrich K: Die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik.<br />
Gynäkologe 1998; 31: 353–359.<br />
11. Meisner J: Mensch von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong>. Dtsch Arzteblatt<br />
2000; 97: A 888–890.<br />
12. Mieth D: Die Diktatur der Gene – Biotechnik zwischen<br />
Machbarkeit und Menschenwürde. Freiburg:<br />
Herder 2001.<br />
1<strong>3.</strong> Radtke: Wehret den Fortschritten – subjektive Ansichten<br />
eines zum „Liegenlassen“ Bestimmten. In:<br />
Kleinert S (Hrsg.): Der medizinische Blick auf Behinderung.<br />
Würzburg: Königshausen & Neum<strong>an</strong>n,<br />
1997: 61–64.<br />
14. Rothm<strong>an</strong>n BK: The tentative pregn<strong>an</strong>cy. New York:<br />
Penguin 1986.<br />
Anschrift für die Verfasser:<br />
Dr. med. Götz Fabry<br />
Abteilung für Medizinische Psychologie<br />
Stef<strong>an</strong>-Meier-Straße 17<br />
79104 Freiburg<br />
E-Mail: fabry@uni-freiburg.de