Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Begriff „schuldfrei“ streiten, vermutlich<br />
wäre „konfliktfrei“ treffender. Gleichwohl,<br />
in der Sache steht jedoch völlig<br />
außer Zweifel, dass die Herausforderungen<br />
der modernen Medizin – auch<br />
die <strong>PID</strong> – eben nicht einfach zu lösen<br />
sind, sondern die Unsicherheit, die Abwägung<br />
und der Kompromiss zur Regelung<br />
dieser Verfahren gehören. Viele<br />
Aspekte sind zu berücksichtigen, und<br />
bei einer Entscheidung müssen bestimmte<br />
Aspekte zurücktreten – so oder<br />
so mit Folgen für die Beteiligten. Zu loben<br />
ist, wer sich dazu bekennt, und<br />
nicht, wer das verleugnet.<br />
Hilflosigkeit oder Eingeständnis<br />
der Schwierigkeiten?<br />
Wenn der redaktionelle Kommentar<br />
der Fr<strong>an</strong>kfurter Allgemeinen die Ausführungen<br />
Hoppes als „hilflos“ bezeichnet,<br />
so mag m<strong>an</strong> dem in gewissem<br />
Maße zustimmen.Aber eignet sich diese<br />
Eigenschaft eines Diskussionsbeitrags<br />
als Vorwurf? Wer ist denn in dieser<br />
Situation nicht hilflos? Die, die vorgeben,<br />
es nicht zu sein, berufen sich zumeist<br />
auf Prämissen, die schwerlich zu<br />
verallgemeinern sind, oder sie scheuen<br />
die Komplexität der Sachverhalte. Sie<br />
erklären ihren eigenen St<strong>an</strong>dpunkt<br />
zum Maßstab für alle <strong>an</strong>deren und<br />
glauben, die Tiefe ihrer persönlichen<br />
Überzeugtheit gebiete zw<strong>an</strong>gsläufige<br />
Allgemeinverbindlichkeit. Sie können<br />
sich beispielsweise auf religiöse Überzeugung<br />
zurückziehen, aber in einem<br />
Rechtsstaat mit Religionsfreiheit sind<br />
damit die Schwierigkeiten einer allgemeinen<br />
Regelung nicht behoben. Ein<br />
Eingeständnis der Schwierigkeiten,<br />
will m<strong>an</strong> in einer wertepluralen Gesellschaft<br />
hochkomplizierte Methoden der<br />
Medizin regeln, ist kein Ausdruck der<br />
Hilflosigkeit, sondern ein Ausdruck<br />
der Redlichkeit und ein erster Schritt.<br />
❚ Zitierweise dieses Beitrags:<br />
Dt Ärztebl 2001; 98: A 896–898 [Heft 14]<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Prof. Dr. med. Dr. phil. Urb<strong>an</strong> Wiesing<br />
Lehrstuhl für Ethik in der Medizin<br />
Universität Tübingen<br />
Keplerstraße 15<br />
72074 Tübingen<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Heft 14, 6. April 2001<br />
<strong>Embryonen</strong>forschung in Europa<br />
Gesundheit ist nicht<br />
das höchste Gut<br />
Die unterschiedlichen Auffassungen von Menschenwürde<br />
haben ihre Ursache in verschiedenen geistigen Traditionen.<br />
Ulrich Eibach<br />
Der Begriff Menschenwürde spielt in<br />
vielen Verfassungen von Staaten<br />
und internationalen Übereinkommen<br />
eine zentrale Rolle. Es gibt jedoch<br />
selbst in Europa recht unterschiedliche<br />
Auffassungen über das, was unter diesem<br />
„Prädikat“ zu verstehen ist. Im <strong>an</strong>gelsächsischen<br />
Bereich bezeichnet m<strong>an</strong><br />
„frühe <strong>Embryonen</strong>“ als „Präimpl<strong>an</strong>tationsprodukte“<br />
und Leben,das endgültig<br />
ohne Bewusstsein ist, als „hum<strong>an</strong> vegetable“.<br />
M<strong>an</strong> unterscheidet also zwischen<br />
biologisch menschlichem und personalem<br />
Leben. Entsprechend bleibt in dem<br />
Übereinkommen des Europarats die<br />
Frage nach dem Beginn und dem Ende<br />
des Lebens offen, wohingegen die deutsche<br />
Gesetzgebung das Ende des personalen<br />
Lebens im Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tationsgesetz<br />
mit dem Hirntod und seinen Beginn im<br />
<strong>Embryonen</strong>schutzgesetz mit der Bildung<br />
der Zygote gegeben sieht. Frühen <strong>Embryonen</strong><br />
k<strong>an</strong>n d<strong>an</strong>ach eine Teilhabe <strong>an</strong><br />
der Menschenwürde nicht abgesprochen<br />
werden. Diese unterschiedlichen Auffassungen<br />
haben ihren Grund in verschiedenen<br />
geistigen Traditionen.<br />
Religiös-tr<strong>an</strong>szendentes<br />
Verständnis<br />
Die nach dem Grundgesetz un<strong>an</strong>tastbare<br />
Würde des Menschen (Art. 1) konkretisiert<br />
sich nach Art. 2 im Recht auf Freiheit,<br />
Leben und körperliche Unversehrtheit,<br />
unabhängig vom Grad der Behinderung<br />
(Art. 3 Abs. <strong>3.</strong>). Dieses Verständnis<br />
von Menschenwürde ist maßgeblich geprägt<br />
durch die jüdisch-christliche Vorstellung<br />
von der „Gottebenbildlichkeit“<br />
des Menschen. Sie gründet in der beson-<br />
deren Beziehung Gottes zum Geschöpf<br />
Mensch. Der Mensch konstituiert sich<br />
weder in seinem Leben noch in seiner<br />
Würde selbst. Er „verd<strong>an</strong>kt“ sein Leben,<br />
sein Personsein und seine Würde <strong>an</strong>deren,<br />
letztlich nicht den Eltern, sondern<br />
Gott. Demnach sind Personsein und<br />
Menschenwürde keine empirischen Qualitäten,<br />
sondern „tr<strong>an</strong>szendente“ Größen,<br />
die – von Gott her – dem g<strong>an</strong>zen Leben<br />
vom Beginn bis zum Tod zugesprochen<br />
sind. Kein menschliches Leben<br />
muss erst selbst den Erweis erbringen,<br />
dass es der Prädikate Person und Menschenwürde<br />
würdig ist. Deshalb muss<br />
ihm die Menschenwürde auch nicht erst<br />
von Menschen zuerk<strong>an</strong>nt werden, vielmehr<br />
ist sie von allen Menschen zugleich<br />
mit dem Gegebensein von Leben <strong>an</strong>zuerkennen,<br />
unabhängig vom Grad<br />
seiner seelisch-geistigen Fähigkeiten. In<br />
dieser Begründung der Menschenwürde<br />
in „Tr<strong>an</strong>szendenz“,in Gott,ist der Grund<br />
zu suchen, dass alles Leben einer totalen<br />
ge- und verbrauchenden Verfügung von<br />
Menschen entzogen sein soll.<br />
Menschenwürde ist demnach keine<br />
empirische Größe, die im Mikroskop<br />
oder sonst wie sinnlich fassbar wäre.Fragt<br />
m<strong>an</strong> nach dem „<strong>an</strong>atomischen Substrat“,<br />
dem die Menschenwürde nach dieser<br />
Sicht zukommt, so ist es die g<strong>an</strong>ze Leiblichkeit,<br />
der Lebensträger (= Org<strong>an</strong>ismus).<br />
W<strong>an</strong>n org<strong>an</strong>ismisches Leben beginnt,k<strong>an</strong>n<br />
nur auf der Grundlage der Erkenntnisse<br />
der Biologie ermittelt werden.<br />
Für die biologische Definition von individuellem<br />
Leben bei höheren Lebewesen<br />
mit geschlechtlicher Fortpfl<strong>an</strong>zung<br />
sind folgende Kriterien entscheidend: (1)<br />
Es muss eine genetische Individualität<br />
vorliegen. Dieses Kriterium ist mit der<br />
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