Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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hirne mit Stammzellen aus menschlichen<br />
<strong>Embryonen</strong>. Was für die Forscher einen<br />
wissenschaftlich innovativen und therapeutisch<br />
viel versprechenden Schritt bedeutet,wird<br />
jedoch in der breiten Öffentlichkeit<br />
von vielen als Sk<strong>an</strong>dal empfunden,<br />
was zu schwerem Geschütz in den<br />
Feuilletons, heftigen Debatten in den<br />
Medien, programmatischen M<strong>an</strong>ifesten<br />
und Reden und vor allem zu einer Hochkonjunktur<br />
der professionellen Bioethik<br />
geführt hat. Diese hat sich zu einer Art<br />
„bioethics industry“ entwickelt. Nicht<br />
nur staatliche Großforschungsprojekte,<br />
sondern gerade auch die Privatunternehmen<br />
pl<strong>an</strong>en inzwischen von vornherein<br />
einen prozentualen Anteil der Investitionen<br />
für eine „begleitende“ Ethik ein.<br />
So ist der renommierte Moraltheologe<br />
Ronald M. Green Leiter der Ethikkommission<br />
der US-amerik<strong>an</strong>ischen Firma<br />
Adv<strong>an</strong>ced Cell Technology (ACT), die<br />
durch ihre jüngste Klonierung eines<br />
menschlichen Embryos weltweit Aufsehen<br />
erregt hat. Green vertritt eine liberale<br />
Eugenik: „Was wollen die Leute mit<br />
ihrem privaten Geld machen? Das soll<br />
ihnen überlassen bleiben.“ Die Mitglieder<br />
seien, wie er sagt, von der Firma ACT<br />
unabhängig und arbeiteten quasi „ehrenamtlich“.<br />
Jedes Mitglied des Ethikrates<br />
habe aber von vornherein gewusst, was<br />
die Firma vorgehabt habe, nämlich das<br />
therapeutische Klonen. Insofern sei es<br />
um eine ethische „Begleitung“ geg<strong>an</strong>gen:<br />
„Ich habe niem<strong>an</strong>den in den Beirat<br />
berufen, der die Nutzung von <strong>Embryonen</strong><br />
oder die gesamte <strong>Forschung</strong>srichtung<br />
grundsätzlich ablehnt. Das würde<br />
keinen Sinn machen.“(8)<br />
Patt-Situation<br />
Die menschlichen <strong>Embryonen</strong> sind<br />
nicht nur wegen der Stammzellforschung<br />
in den Mittelpunkt der gegenwärtigen<br />
Kontroverse gerückt, sondern<br />
auch wegen der Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
(<strong>PID</strong>). In beiden Fällen geht es<br />
letztlich um die Frage, ob menschliche<br />
<strong>Embryonen</strong> unter bestimmten Voraussetzungen<br />
getötet werden dürfen: Im ersteren<br />
Fall werden zur Gewinnung von<br />
Stammzellen <strong>Embryonen</strong> „verbraucht“,<br />
im letzteren Fall defiziente <strong>Embryonen</strong><br />
nach genetischer Testung „verworfen“.<br />
Die Debatte hat inzwischen eine typi-<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
sche Pro-und-Kontra-Struktur <strong>an</strong>genommen.<br />
❃ Pro-Argumentation: Die Befürworter<br />
sagen, es gehe bei der <strong>Forschung</strong> mit<br />
menschlichen embryonalen Stammzellen<br />
um hochr<strong>an</strong>gige Ziele.Wer diese <strong>Forschung</strong><br />
unterbinden wolle, mache sich<br />
schuldig. Er verhindere ungeahnte<br />
Ch<strong>an</strong>cen des medizinischen Fortschrittes<br />
und verstoße gegen den „therapeutischen<br />
Imperativ“ beziehungsweise die<br />
„Ethik des Heilens“ (3). So haben für<br />
den Rechtsphilosophen Reinhard Merkel<br />
die mit der <strong>Embryonen</strong>forschung<br />
„verfolgten Ziele der Hilfe für schwerkr<strong>an</strong>ke<br />
Menschen . . . ein so erhebliches<br />
Gewicht, dass sie die Verweigerung der<br />
Solidarität gegenüber frühesten <strong>Embryonen</strong>...rechtfertigen<br />
können“ (13).<br />
Demgegenüber tritt der Vorwurf, die<br />
Freiheit der Wissenschaft werde durch<br />
generelle Restriktionen der verbrauchenden<br />
<strong>Embryonen</strong>forschung verletzt,<br />
zunehmend in den Hintergrund.<br />
❃ Kontra-Argumentation: Die Gegner<br />
der <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> menschlichen <strong>Embryonen</strong><br />
stützen sich auf eine „Ethik der<br />
Menschenwürde“: Wer menschliche<br />
<strong>Embryonen</strong> – direkt oder indirekt – tötet,<br />
verstoße gegen die Menschenwürde,<br />
die dem menschlichen Embryo mit der<br />
Verschmelzung von Ei- und Samenzelle<br />
zukomme. Dies bedeute einen Dammbruch,<br />
das Überschreiten des Rubikon.<br />
Der Begriff „Menschenwürde“ wird von<br />
drei dogmatischen Säulen gestützt: der<br />
Gottebenbildlichkeit im Sinne der Bibel<br />
(Gen. 1, 27), K<strong>an</strong>ts Rede vom Person-<br />
Sein des Menschen als „Zweck <strong>an</strong> sich<br />
selbst“ (12) sowie dem einleitenden Satz<br />
des Grundgesetzes („Die Würde des<br />
Menschen ist un<strong>an</strong>tastbar.“).<br />
„Ethik des Heilens“ versus „Ethik der<br />
Menschwürde“: Im Schachspiel nennt<br />
m<strong>an</strong> eine solche Situation „Patt“. Zug<br />
um Zug wird das Ja der einen Seite durch<br />
das Nein der <strong>an</strong>deren gekontert, <strong>an</strong>nulliert<br />
und vice versa.<br />
Angst und Schuld: die Macht<br />
von Metaphern<br />
Woher kommt die starke Emotionalität<br />
in dieser Kontroverse? Achten wir hier<br />
zunächst auf ihre Metaphorik. Die Gegner<br />
der verbrauchenden <strong>Embryonen</strong>forschung<br />
und der <strong>PID</strong> orientieren sich <strong>an</strong><br />
der zentralen Metapher des Dammbruchs.<br />
Diese setzt Assoziationen zum<br />
Terminus „Tabubruch“ frei und impliziert<br />
das Schreckensbild einer Überschwemmung<br />
mit der Gefahr des Ertrinkens.<br />
Ähnliches meint auch die Rede<br />
vom Überschreiten des Rubikon, der<br />
schiefen Ebene (slippery slope), einer<br />
„Bahn ohne Halt“ (Joh<strong>an</strong>nes Rau).<br />
Dementsprechend prognostiziert der<br />
Bonner Zellbiologe Volker Herzog eine<br />
„Kaskade zur Klonierung des Menschen“:<br />
von der Freigabe vorh<strong>an</strong>dener<br />
menschlicher embryonaler Stammzell-<br />
Linien, über die Verwendung überschüssiger<br />
<strong>Embryonen</strong>, Schaffung von <strong>Embryonen</strong><br />
zu <strong>Forschung</strong>szwecken bis hin<br />
zum therapeutischen und schließlich reproduktiven<br />
Klonen (10).<br />
Die Vorstellung eines unaufhaltsamen<br />
Eroberungszugs (Stichwort: Rubikon)<br />
oder die eines automatischen Abrutschens<br />
in finstere Abgründe (Stichwort:<br />
schiefe Ebene) erzeugen Angst:<br />
Angst vor einer entfesselten Menschenzüchtung<br />
mit dem Verlust traditioneller<br />
Ideale unseres kulturellen Selbstverständnisses,<br />
die im Begriff der Menschenwürde<br />
ver<strong>an</strong>kert sind. Abgesehen<br />
davon, dass wohl auch m<strong>an</strong>ch ein Befürworter<br />
der verbrauchenden <strong>Embryonen</strong>forschung<br />
beziehungsweise der <strong>PID</strong><br />
insgeheim Angst oder Unbehagen <strong>an</strong>gesichts<br />
der neuen Zugriffsmöglichkeiten<br />
verspüren dürfte, kommt in der „Ethik<br />
des Heilens“ noch eine <strong>an</strong>dere Angst<br />
zum Vorschein: nämlich schwer kr<strong>an</strong>ke<br />
Menschen ohne mögliche Hilfe ihrem<br />
Schicksal zu überlassen, „erbarmungslos“<br />
oder „unbarmherzig“ <strong>an</strong> ihrer Not<br />
vorbeizugehen.<br />
Die Schuld des Menschen <strong>an</strong> seiner<br />
Kr<strong>an</strong>kheit, die Kr<strong>an</strong>kheit als Folge der<br />
Sünde ist auch in unserer gegenwärtigen<br />
Medizin ein wirksamer, verborgener Topos,<br />
denken wir nur <strong>an</strong> alltägliche Bemerkungen<br />
über die kr<strong>an</strong>k machenden<br />
Folgen des übermäßigen Fettverzehrs<br />
oder des Zigarettenrauchens. Doch nirgends<br />
war und ist die Schuldfrage so bris<strong>an</strong>t<br />
wie bei der Eugenik. Dies lässt sich<br />
historisch <strong>an</strong> der Propagierung der<br />
Zw<strong>an</strong>gssterilisation illustrieren: Das<br />
Missachten der erbbiologischen Naturgesetze,<br />
etwa durch die Weitergabe<br />
kr<strong>an</strong>khafter Erb<strong>an</strong>lagen <strong>an</strong> die Nachkommen,<br />
wurde in NS-Propag<strong>an</strong>dafilmen<br />
vor Millionenpublikum wortwört-<br />
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