Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Heft 6, 8. Februar 2002<br />
Stammzellenimport<br />
Der Bundestag hat entschieden:<br />
Der Import bereits existierender<br />
embryonaler Stammzelllinien nach<br />
Deutschl<strong>an</strong>d wird unter Auflagen erlaubt,<br />
die Tötung weiterer <strong>Embryonen</strong><br />
soll jedoch durch eine Stichtagsregelung<br />
verhindert werden. Gegen 18.30 Uhr am<br />
30. J<strong>an</strong>uar verkündete Bundestagsvizepräsident<br />
Dr. h.c. Rudolf Seiters das Ergebnis.<br />
340 von 618 Abgeordneten hatten<br />
sich nach einer viereinhalbstündigen<br />
Debatte in einem zweiten Wahlg<strong>an</strong>g für<br />
den fraktionsübergreifenden Kompromiss<strong>an</strong>trag<br />
von Dr. Maria Böhmer<br />
(CDU),Margot von Renesse (SPD) und<br />
Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen)<br />
entschieden. „Der gewundene<br />
Weg führt nicht selten zum Ausweg“,<br />
hatte Renesse zuvor in der sehr sachlich<br />
geführten Debatte gesagt.<br />
Ein Ausweg aus dieser schwierigen<br />
Gewissensfrage war der „Nein-aber-<br />
Antrag“ wohl für alle diejenigen, die<br />
sich nicht zwischen den Werten Lebensschutz<br />
und <strong>Forschung</strong>sfreiheit entscheiden<br />
mochten. Seine Argumentation<br />
setzt auf Konsens, weniger auf Klarheit.<br />
So bekräftigt er einerseits die<br />
Zielsetzung des <strong>Embryonen</strong>schutzgesetzes:<br />
„<strong>Embryonen</strong> dürfen nur zum<br />
Zweck der Fortpfl<strong>an</strong>zung erzeugt werden.<br />
Eine Tötung von <strong>Embryonen</strong> zu<br />
<strong>Forschung</strong>szwecken muss verboten<br />
bleiben.“ Andererseits ist eine Zeile<br />
später zu lesen, dass menschliche embryonale<br />
Stammzellen keine <strong>Embryonen</strong><br />
seien, weil sie sich nicht zu einem<br />
vollständigen menschlichen Org<strong>an</strong>ismus<br />
entwickeln könnten. „Ein unmittelbarer<br />
Grundrechtsschutz k<strong>an</strong>n für sie<br />
nicht in Anspruch genommen werden“,<br />
heißt es in dem Antrag. Dieser sei kein<br />
Kompromiss, sondern das Ergebnis einer<br />
Verständigung zwischen Befürwortern<br />
und Gegnern der <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong><br />
embryonalen Stammzellen, erklärte<br />
136<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Unter Auflagen zugelassen<br />
Nach dem Beschluss des Bundestages dürfen bestehende<br />
embryonale Stammzelllinien importiert, jedoch keine<br />
weiteren <strong>Embryonen</strong> zu <strong>Forschung</strong>szwecken getötet werden.<br />
Renesse den Abgeordneten, die <strong>an</strong> diesem<br />
Tag ohne Fraktionszw<strong>an</strong>g entscheiden<br />
konnten.<br />
Für den Mittelweg warb neben Dr.<br />
Angela Merkel (CDU) auch Bundesk<strong>an</strong>zler<br />
Gerhard Schröder. Damit werde<br />
weder eine neue Rechtslage geschaffen,<br />
noch gehe Deutschl<strong>an</strong>d einen Sonderweg,<br />
sagte Schröder, der ausdrücklich<br />
nicht als K<strong>an</strong>zler, sondern als SPD-<br />
Abgeordneter sprach. Bei der Debatte<br />
ergriff kein Minister das Wort; weder<br />
<strong>Forschung</strong>sministerin Edelgard Bulmahn<br />
(SPD), die seit Monaten für eine<br />
Liberalisierung der <strong>Forschung</strong> plädiert,<br />
noch Justizministerin Prof. Dr. Herta<br />
Däubler-Gmelin, die aus verfassungsrechtlicher<br />
Sicht die <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> embryonalen<br />
Stammzellen ablehnt.<br />
Die <strong>an</strong>deren beiden Anträge hatten<br />
sich für eine eindeutige Ja- beziehungsweise<br />
Nein-Regelung ausgesprochen.<br />
Beide klaren Positionen erhielten jedoch<br />
keine absolute Mehrheit. Der Antrag<br />
der Importgegner,den Dr.Wolfg<strong>an</strong>g<br />
Wodarg (SPD), Dr. Herm<strong>an</strong>n Kues<br />
(CDU) und Monika Knoche (Bündnis<br />
90/Die Grünen) gestellt hatten, erhielt<br />
im ersten Abstimmungsg<strong>an</strong>g 262 Stimmen,<br />
im zweiten 265. Er sprach sich sowohl<br />
gegen eine Tötung von <strong>Embryonen</strong><br />
zu <strong>Forschung</strong>szwecken aus als auch<br />
gegen einen Import von Zelllinien.<br />
„Wenn wir die Tötung von <strong>Embryonen</strong><br />
im Ausl<strong>an</strong>d billigen, wird sie auch später<br />
im Inl<strong>an</strong>d gebilligt“,argumentierte Kues.<br />
Klar sei schon jetzt, dass die Forscher<br />
mehr als nur den Import wollten. Auch<br />
Knoche forderte die Abgeordneten auf,<br />
sich „ehrlich zwischen Ja oder Nein zu<br />
entscheiden“. Mit der Erlaubnis des Imports<br />
würde erstmals eine Statusdefinition<br />
des Embryos vorgenommen.<br />
Für den Antrag der Befürworter der<br />
embryonalen Stammzellforschung, den<br />
hauptsächlich die FDP unter Ulrike<br />
Flach sowie Peter Hintze (CDU) und<br />
Dr. Wolfg<strong>an</strong>g Schäuble (CDU) stellten,<br />
stimmten im ersten Wahlg<strong>an</strong>g 106 Abgeordnete.<br />
Sie schlossen sich im zweiten<br />
Abstimmungsg<strong>an</strong>g dem Kompromiss<strong>an</strong>trag<br />
<strong>an</strong>. Auch Flach hatte zuvor für<br />
eine eindeutige Entscheidung geworben;<br />
der Kompromiss<strong>an</strong>trag mogele<br />
sich um diese herum. Ihr Antrag<br />
plädierte sowohl für den Import als<br />
auch für die Änderung des <strong>Embryonen</strong>schutzgesetzes<br />
und die Herstellung<br />
von embryonalen Stammzelllinien in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d – falls dies erforderlich sei.<br />
Darauf müssen die Forscher in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d nun verzichten. Dennoch<br />
begrüßte die Deutsche <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft<br />
(DFG) den Beschluss des<br />
Bundestages als „erkennbares Abwägen<br />
zwischen den Bel<strong>an</strong>gen der <strong>Forschung</strong>sfreiheit<br />
und den ethischen Bedenken“.<br />
Der DFG-Hauptausschuss genehmigte<br />
am 31. J<strong>an</strong>uar den Antrag des Bonner<br />
Neurowissenschaftlers Prof. Dr. med.<br />
Oliver Brüstle. Er will hum<strong>an</strong>e embryonale<br />
Stammzelllinien aus Israel nach<br />
Deutschl<strong>an</strong>d importieren. Die DFG-<br />
Fördermittel in Höhe von 102 000 A erhält<br />
er für sein Projekt jedoch erst, wenn<br />
das erforderliche Gesetz zur Regelung<br />
des Imports in Kraft ist und die darin gen<strong>an</strong>nten<br />
Voraussetzungen erfüllt sind.<br />
Brüstle sagte in Bonn, er hoffe, noch vor<br />
der Sommerpause mit den Arbeiten beginnen<br />
zu können.<br />
Dem Bundesforschungsministerium<br />
zufolge wird bereits mit Hochdruck <strong>an</strong><br />
dem Gesetzentwurf gearbeitet. Er soll in<br />
der zweiten Februarhälfte in das Parlament<br />
eingebracht und bis Juni verabschiedet<br />
werden.Das neue Gesetz soll die<br />
Bedingungen für einen Import regeln. So<br />
soll eine von einer Ethikkommission beratene<br />
Kontrollbehörde geschaffen werden,<br />
die wahrscheinlich im Bereich des<br />
Bundesgesundheitsministeriums <strong>an</strong>gesiedelt<br />
sein wird. Sie soll alle Kriterien<br />
überwachen und sicherstellen, dass die<br />
<strong>Embryonen</strong> nicht zu <strong>Forschung</strong>szwecken<br />
erzeugt wurden, die Eltern zugestimmt,<br />
jedoch keine fin<strong>an</strong>zielle Entlohnung erhalten<br />
haben. Der vom Parlament <strong>an</strong>genommene<br />
Antrag sieht ferner vor, dass<br />
nach einem bestimmten Datum hergestellte<br />
Stammzelllinien nicht nach<br />
Deutschl<strong>an</strong>d importiert werden dürfen.<br />
Dabei wird der 30. J<strong>an</strong>uar 2002 als der<br />
späteste Termin gen<strong>an</strong>nt. Die Antragstel-