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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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Während die Gesundheit heute Voraussetzung<br />

für das Bestehen in einer<br />

durch Konkurrenz gekennzeichneten<br />

sozialen Situation ist,k<strong>an</strong>n das Verständnis<br />

dessen, was als Kr<strong>an</strong>ksein <strong>an</strong>gesehen<br />

wird, sehr unterschiedlich ausfallen: In<br />

der kulturellen Vorstellung bedeutet<br />

Kr<strong>an</strong>kheit eine Störung übergreifender<br />

Art. Mit übergreifender Art ist gemeint,<br />

dass nicht nur die körperlichen Aspekte<br />

dazugehören, sondern, dass auch zum<br />

Beispiel seelische<br />

Momente eine wichtige<br />

Rolle spielen.<br />

Dass auch ökologische<br />

und soziale Faktorenkr<strong>an</strong>kheitsauslösend<br />

sein können,<br />

gehört schon zu den<br />

Erkenntnissen Rudolf<br />

Virchows. Der<br />

H<strong>an</strong>nover<strong>an</strong>er Internist und Philosoph<br />

Fritz Hartm<strong>an</strong>n unterscheidet zwischen<br />

dem homo patiens und homo compatiens.<br />

Als gesund charakterisiert er einen<br />

Menschen, der mit oder ohne nachweisbare<br />

Mängel seiner Leiblichkeit allein<br />

oder mithilfe <strong>an</strong>derer dazu fähig ist, seine<br />

persönlichen Anlagen und Lebensentwürfe<br />

so zu verwirklichen, dass er am<br />

Ende sagen k<strong>an</strong>n: Dies war mein Leben,<br />

meine Kr<strong>an</strong>kheit, mein Sterben. Der homo<br />

compatiens – das Gegenüber in Pflege<br />

und Medizin – hat die Aufgabe, als<br />

Mitfühlender und Geduldiger dem Erleidenden<br />

und Erduldenden Hilfestellung<br />

zu geben.<br />

So ist denn auch der erste Satz des<br />

Genfer Ärztegelöbnisses in Fortschreibung<br />

des hippokratischen Credos formuliert<br />

als: „Die Gesundheit des Patienten<br />

wird meine erste Sorge sein.“ Christus<br />

als Heilender, als derjenige, der sich<br />

den Entrechteten, den Hilflosen, den<br />

Kr<strong>an</strong>ken, Schwachen und Alten vordringlich<br />

zugew<strong>an</strong>dt hat, hat dieses Prinzip<br />

neu begründet, hat aus dem Wohlwollenprinzip<br />

die Hinwendung zum leidenden<br />

Menschen geformt und damit<br />

ärztliches H<strong>an</strong>deln unveränderlich geprägt.<br />

Das begründende ethische Prinzip<br />

ist das der Nächstenliebe, so wie es sich<br />

in der Bergpredigt in der Formulierung<br />

findet: Alles nun, was Ihr wollt, dass<br />

Euch die Leute tun sollen, das tut ihnen<br />

auch! (Matthäus 7, 12). In der kritischen<br />

Philosophie K<strong>an</strong>ts wird hieraus der kategorische<br />

Imperativ auch in der Formulie-<br />

Der homo compatiens – das<br />

Gegenüber in Pflege und<br />

Medizin – hat die Aufgabe,<br />

als Mitfühlender und<br />

Geduldiger dem Erleidenden<br />

und Erduldenden<br />

Hilfestellung zu geben.<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

rung dahingehend, dass m<strong>an</strong> nach derjenigen<br />

Maxime h<strong>an</strong>deln solle, von der<br />

m<strong>an</strong> wolle, dass sie ein allgemeines Gesetz<br />

werde. K<strong>an</strong>t spricht von einer praktischen<br />

Notwendigkeit, die sich aus der<br />

Forderung der Vernunft ableitet. Sie ist<br />

Ausdruck der „Autonomie der praktischen<br />

Vernunft“ und zeigt die Freiheit<br />

des Einzelnen.<br />

Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit<br />

werden zu konstituierenden Ele-<br />

menten der menschlichen<br />

Existenz, zur<br />

Richtschnur medizinethischenVerhaltens<br />

und formen damit<br />

das Menschenbild<br />

in der Arzt-Patient-Beziehung.<br />

Die<br />

Medizin wird als<br />

Mittel, dem Nächsten<br />

zu dienen,gesehen.Ärztliche Therapiefreiheit<br />

im wohlverst<strong>an</strong>denen Sinne<br />

findet hier ihren Ursprung. Das Leben<br />

wird verst<strong>an</strong>den als ein Geschenk, nicht<br />

im Sinne eines einmaligen Aktes, sondern<br />

als ein sich immer wiederholender<br />

Prozess – wissend, dass naturgemäß der<br />

äußere Mensch verfällt, während, wie<br />

Paulus es beschreibt, der innere sich von<br />

Tag zu Tag erneuert: „Denn was sichtbar<br />

ist, dass ist vergänglich, das Unsichtbare<br />

ist ewig“ (2. Korinther 4,18).<br />

Die Entwicklungen moderner Naturwissenschaften<br />

haben die Praxis des medizinischen<br />

H<strong>an</strong>delns bei Diagnose und<br />

Therapie grundsätzlich verändert. Die<br />

Frage aber stellt sich,ob sich dadurch der<br />

ärztliche Beh<strong>an</strong>dlungsauftrag<br />

oder<br />

gar das Bild des Patienten<br />

und des Arztes<br />

gew<strong>an</strong>delt haben.<br />

Die Diskussion um<br />

gentechnologische<br />

Entwicklungen, die Stammzellforschung<br />

oder die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

stellen den vorläufigen Höhepunkt dieser<br />

Anfrage dar:Gibt es einen Wertew<strong>an</strong>del<br />

in den Rollen von Arzt und Patient?<br />

Die so gen<strong>an</strong>nte Mech<strong>an</strong>isierung der<br />

ärztlichen Theorie und Praxis hat nicht<br />

mit Gentechnik und Stammzellforschung<br />

begonnen, aber sie steht in einem<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g mit dem engsten Forschritt<br />

medizinischer Wissenschaft und<br />

Technik: Was den Fortschritt getragen<br />

hat, hat auch die Gefährdung gebracht.<br />

Ohne eine moralische<br />

Identität, ohne die<br />

Befolgung des kategorischen<br />

Imperatives wäre<br />

H<strong>an</strong>dlung gleich Mech<strong>an</strong>ik.<br />

Die Vorstellung, die Descartes nicht unwesentlich<br />

beeinflusst hat, nämlich, dass<br />

der Mensch als eine hoch differenzierte<br />

Apparatur zu verstehen sei, war und ist<br />

für das wissenschaftlich-medizinische<br />

Denken eine große Versuchung.<br />

An den Grundprinzipien des Lebens<br />

verändert sich dadurch aber nichts. Die<br />

heute divergent diskutierten Darstellungen<br />

menschlichen Selbstverständnisses<br />

gehen auf eine <strong>an</strong>dere Veränderung<br />

zurück: Fr<strong>an</strong>cis Bacon und David Hume<br />

waren es, die eine zunehmend <strong>an</strong>thropozentrische<br />

Sichtweise des Denkens mit<br />

dem Empirismus einführten. Sie haben<br />

damit das bürgerliche Selbstverständnis<br />

und besonders auch das Selbstverständnis<br />

der <strong>an</strong>gelsächsischen Wissenschaft<br />

nachhaltig geprägt. Die <strong>an</strong>thropozentrische<br />

Welt<strong>an</strong>schauung war die ideologische<br />

Selbstrechtfertigung des die Welt<br />

erobernden, die Natur ausbeutenden<br />

und sich selbst in eine Gott ähnliche Position<br />

befördernden europäischen M<strong>an</strong>nes<br />

des 19. und 20. Jahrhundert.<br />

Dies gilt auch sicher für das kontinental<br />

europäische Denken und hat auch in<br />

den kirchlichen Überlegungen der damaligen<br />

Zeit bisweilen Rückhalt gefunden.Aber<br />

die Diskrep<strong>an</strong>z zu der Welt<strong>an</strong>schauung,<br />

die den Menschen nicht im<br />

Mittelpunkt, sondern als Teil eines<br />

G<strong>an</strong>zen sieht, hat sich nachhaltig verfestigt.<br />

D<strong>an</strong>ach hat jeder Mensch und auch<br />

jedes Lebewesen in der Natur sein Lebensrecht<br />

g<strong>an</strong>z unabhängig von seiner<br />

Tüchtigkeit, seiner Gesundheit und<br />

Konkurrenzfähigkeit. Das christliche<br />

Menschenbild ist geprägt<br />

durch die Vorstellung,<br />

Kr<strong>an</strong>ksein<br />

und Kr<strong>an</strong>kheit seien<br />

Teil eines Lebensvorg<strong>an</strong>ges<br />

und das Heilen<br />

ein Akt, der dem<br />

Leben hilft, nicht die Reparatur eines<br />

Maschinendefektes.<br />

Es gehört wohl zu den tiefen ev<strong>an</strong>gelischen<br />

Einsichten, dass Gott selbst <strong>an</strong><br />

der Geschöpflichkeit des Menschen leidet<br />

und dass sich seine Schöpferkraft in<br />

der Unerschöpflichkeit seiner Leidensfähigkeit<br />

zeigt. So paradox dies m<strong>an</strong>chmal<br />

für Andersgläubige sein mag: Gottes<br />

Leidenskraft ist Zeichen seiner Stärke.<br />

Damit wird er wahrhaftig zum<br />

Ebenbild unserer Patientinnen und Patienten.<br />

Gott ist Schöpfer und Erlöser<br />

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