Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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stimmten Entwicklungsschritten abhängig<br />
machen.Die Tötung von <strong>Embryonen</strong><br />
k<strong>an</strong>n somit in einer Güterabwägung gerechtfertigt<br />
werden, wenn diese vor Ablauf<br />
einer bestimmten Entwicklung und<br />
aufgrund hochr<strong>an</strong>giger <strong>Forschung</strong>sziele<br />
geschieht.Als hochr<strong>an</strong>giges <strong>Forschung</strong>sziel<br />
wird nicht weniger als die Aussicht<br />
auf Heilung ausgegeben. Das Aufkommen<br />
einer „Ethik des Heilens“ drückt<br />
das Bestreben aus, den Imperativ der<br />
Heilungspflicht <strong>an</strong>gesichts einer gegebenen<br />
Heilungsperspektive als h<strong>an</strong>dlungsleitend<br />
zu rechtfertigen.<br />
Wiestler und Brüstle führen eine<br />
Reihe von Begrenzungen ins Feld, die<br />
diese Güterabwägung gegen die Gefahren<br />
der unbegrenzten <strong>Embryonen</strong>forschung<br />
und ihrer Kommerzialisierung<br />
absichern sollen. Zu diesen gehören die<br />
Beschränkung auf den Import bereits<br />
existierender Zelllinien, die aus dem Tode<br />
geweihten, „überzähligen“ <strong>Embryonen</strong><br />
gewonnen wurden; die klare Definition<br />
des <strong>Forschung</strong>sziels und die Komplementarität<br />
der <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> embryonalen<br />
und adulten Stammzellen,<br />
die nach einer Zwischenphase sogar die<br />
Aufhebung der Notwendigkeit der <strong>Forschung</strong><br />
<strong>an</strong> embryonalen Stammzellen in<br />
Aussicht stellt. Begrenzung soll auch<br />
durch strenge wissenschaftliche Begutachtung,<br />
bioethische Begleitung und öffentliche<br />
Tr<strong>an</strong>sparenz sichergestellt<br />
werden. In ihrer Sicht stellt auch auf politischer<br />
Ebene die staatliche Anerkennung<br />
der <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> hum<strong>an</strong>en embryonalen<br />
Stammzellen eine Begrenzung<br />
dar, weil nur auf diese Weise eine<br />
Kommerzialisierung durch private Unternehmen<br />
verhindert werden könne.<br />
Schließlich betonen Wiestler und<br />
Brüstle, dass sie Tabus berücksichtigen:<br />
das Verbot der <strong>Embryonen</strong>herstellung<br />
zu <strong>Forschung</strong>szwecken, Eingriffe in die<br />
Keimbahn und das reproduktive Klonen.<br />
Die ethische Argumentation von<br />
Wiestler und Brüstle ist jedoch nicht<br />
h<strong>an</strong>dlungs<strong>an</strong>leitend, sondern sekundär<br />
legitimatorischer Natur.<br />
➊ Die Heilungsperspektive, die für<br />
die Güterabwägung ausschlaggebend<br />
ist, erscheint nicht allgemein <strong>an</strong>erkennungsfähig<br />
begründbar. Zum heutigen<br />
Zeitpunkt ist sie Utopie. Die von Wiestler<br />
und Brüstle vorgestellten Remyelinisierungsexperimente<br />
<strong>an</strong> Ratten mit der<br />
Pelizaeus-Merzbacherschen Erkr<strong>an</strong>-<br />
116<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
kung reichen über ihre imm<strong>an</strong>ente Evidenz<br />
kaum hinaus.<br />
➋ Die Begrenzungen der <strong>Forschung</strong><br />
<strong>an</strong> hum<strong>an</strong>en embryonalen Stammzellen<br />
verlaufen exakt am R<strong>an</strong>de dessen, was<br />
den beiden Forschern aktuell <strong>an</strong> <strong>Forschung</strong><br />
notwendig erscheint. Die Perspektive<br />
ist g<strong>an</strong>z auf die eigenen Projekte<br />
beschränkt. Die Grenze, bis zu der<br />
<strong>Embryonen</strong> verbraucht werden dürfen,<br />
bleibt ohne eigene Begründung. Der<br />
Stammzellimport deckt den nötigen Bedarf;<br />
daher braucht aktuell mehr nicht<br />
gefordert zu werden. Doch die Begrenzungen<br />
stellen keine ethisch verbindlichen<br />
Grenzen, sondern letztlich unverbindliche<br />
Absichtserklärungen zweier<br />
Forscher dar. Im Detail bleiben diese<br />
Begrenzungen nicht einmal innerhalb<br />
der eigenen Forschergruppe konsistent.<br />
Während Wiestler eine Herstellung eigener<br />
embryonaler Stammzellreihen<br />
nicht beabsichtigt, hält Brüstle diese in<br />
Zukunft für unabweisbar. Auch hinsichtlich<br />
der Herstellung von <strong>Embryonen</strong><br />
zu <strong>Forschung</strong>szwecken bleiben Unklarheiten.<br />
Brüstle schließt eine solche<br />
kategorisch aus. In seiner Haltung dem<br />
therapeutischen Klonen gegenüber<br />
bleibt er jedoch eigentümlich vage. In<br />
letzter Inst<strong>an</strong>z muss und wird er sie befürworten:Wie<br />
<strong>an</strong>ders sollte die Kernreprogrammierung<br />
entschlüsselt werden?<br />
➌ Über künftige Entwicklungen, die<br />
sowohl in der Konsequenz des eigenen<br />
H<strong>an</strong>delns als auch in der biotechnologischen<br />
<strong>Forschung</strong>slogik liegen, wird nicht<br />
reflektiert. Die Implikationen des eigenen<br />
H<strong>an</strong>delns für das Wertbewusstsein<br />
und die Wertgeltung werden ignoriert.In<br />
einer solchen weiten Perspektive verlieren<br />
Begrenzungsargumente ihr Gewicht.<br />
Es wird vielmehr deutlich, dass<br />
Begrenzungen je nach Entwicklung der<br />
<strong>Forschung</strong>simperative nahezu beliebig<br />
erweitert werden können. Ist die <strong>Forschung</strong><br />
<strong>an</strong> embryonalen Stammzellen<br />
<strong>an</strong>gelaufen, können gegen eine verbrauchende<br />
<strong>Embryonen</strong>forschung in großem<br />
Ausmaß systematisch-ethische Argumente<br />
nicht mehr plausibel gemacht<br />
werden. Eine verbrauchende <strong>Embryonen</strong>forschung<br />
in großem Umf<strong>an</strong>g stellt<br />
d<strong>an</strong>n keinen „Missbrauch“ dar, sondern<br />
eine logische Konsequenz. Diese Begründungsmuster<br />
wiederholen sich bei<br />
der Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik (<strong>PID</strong>).<br />
In dieser sekundär legitimatorischen Ar-<br />
gumentationsweise kommt ein weit verbreiteter<br />
unaufgeklärter Szientismus zum<br />
Ausdruck, der aus sich heraus keine Kriterien<br />
für einen „Fortschritt nach<br />
menschlichem Maß“ (3) hervorbringen<br />
k<strong>an</strong>n, weil er den „Fortschritt“ <strong>an</strong> imm<strong>an</strong>ente<br />
<strong>Forschung</strong>sperspektiven beziehungsweise<br />
-interessen der Wissenschaft<br />
oder der Forscher bindet. Jede Bioethik<br />
ist in dieser Perspektive eine Vermittlungsinst<strong>an</strong>z,<br />
die nachträglich die Gründe<br />
dafür liefern muss, warum Wertvorstellungen<br />
<strong>an</strong> den Fortschritt der Wissenschaft<br />
<strong>an</strong>gepasst werden müssen. Auch<br />
die Politik entscheidet d<strong>an</strong>n nicht autonom,sondern<br />
k<strong>an</strong>alisiert lediglich die Folgen<br />
der Entwicklung der Wissenschaft in<br />
eine strukturell akzeptable Form.<br />
In der Diskussion um die <strong>Forschung</strong><br />
<strong>an</strong> hum<strong>an</strong>en embryonalen Stammzellen<br />
geht es nicht allein um diese selbst, sondern<br />
um die Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit einem<br />
Szientismus und Bioutopismus, der<br />
nicht neu ist, sondern sich jetzt lediglich<br />
im Zuge der bevorstehenden Entgrenzungen<br />
der Verfügungsmacht durch die<br />
neuen Biotechnologien in modernem<br />
Gew<strong>an</strong>de zeigt. Eine Kritik dieser Positionen,<br />
gar eine politisch wirksame Mobilisierung<br />
gegen diese, muss die verschiedenen<br />
Dimensionen erkennen, die<br />
durch die neuen Biotechnologien<br />
berührt werden und die daher in diese<br />
Kritik Eing<strong>an</strong>g finden müssen.<br />
Heilung bleibt ein<br />
bedingtes Ziel<br />
Die neuen Biotechnologien umfassen:<br />
Die Neubesinnung auf den Begriff der<br />
Menschenwürde: Konstitutiv für den Begriff<br />
der Menschenwürde ist, dass diese<br />
nicht von Menschen nach bestimmten<br />
Kriterien <strong>an</strong>deren Menschen verliehen<br />
wird, sondern unabhängig aller Kriterien<br />
für alle gilt, die der Gattung Mensch <strong>an</strong>gehören.Nur<br />
indem die Menschenwürde<br />
der Verfügbarkeit durch <strong>an</strong>dere Menschen<br />
entzogen wird, gilt sie uneingeschränkt.<br />
Das bedeutet, dass kein Zweck<br />
die Menschenwürde zugunsten <strong>an</strong>derer<br />
Werte relativieren k<strong>an</strong>n.<br />
Die Bewertung des moralischen Status<br />
des Embryos: Ethische Urteile sind<br />
stets gemischte Urteile. Sie beruhen auf<br />
der ethischen Grundeinstellung, die einen<br />
Sachverhalt zu beurteilen hat. Das