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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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schreckliche Leidensgeschichten von<br />

kr<strong>an</strong>ken oder sterbenden Kindern, späten<br />

Abtreibungen oder gar intrauterinen<br />

Fetoziden hinter sich haben,<br />

wollen Ärzte helfen und diesen Familien<br />

das Idealbild „gesunde Kinder“ erfüllen.<br />

Es h<strong>an</strong>delt sich dabei um nur circa<br />

100 Paare per <strong>an</strong>num bundesweit, bei<br />

denen unter dieser Indikation eine<br />

PGD infrage käme. Sie müssten, obwohl<br />

sie auf natürlichem Wege zeugungsfähig<br />

sind, eine im Reagenzglas<br />

erzeugte Schw<strong>an</strong>gerschaft – mit allen<br />

Risiken – ertragen, nur um den Embryo<br />

einer PGD unterziehen zu können.Verkürzt<br />

gesagt: Die technischen Risiken<br />

der In-vitro-Fertilisation (IVF) und<br />

PGD stehen hier den menschlichen<br />

(und auch ethischen) Problemen einer<br />

späten Abtreibung entgegen.<br />

Wahrlich, eine Auswahl zwischen<br />

Beelzebub und Teufel! Auf die einfache<br />

Idee, den Paaren von weiteren Schw<strong>an</strong>gerschaften<br />

abzuraten, kommt m<strong>an</strong> offensichtlich<br />

nicht. Kinderwunsch ist ein<br />

alle Mittel heiligendes Ziel – auch das<br />

ist <strong>an</strong>gesichts der Irrationalitäten unserer<br />

Welt eine groteske gesellschaftliche<br />

Entwicklung.<br />

Fin<strong>an</strong>zielle Auswirkungen<br />

Und natürlich tut sich in der PGD ein<br />

gewaltiges ökonomisches Potenzial auf.<br />

IVF und PGD sind aufwendige und<br />

teure Verfahren; sie werden in <strong>an</strong>deren<br />

Ländern, wo sie zulässig sind, auch unter<br />

ökonomischen Aspekten sehr gewinnbringend<br />

<strong>an</strong>geboten.<br />

Ethischer Deichbruch!<br />

Würde der Diskussionentwurf zu einer<br />

Richtlinie zur PGD verabschiedet und<br />

Wirklichkeit, käme dies in meinen<br />

Augen einem ethischen Deichbruch<br />

gleich. Auch wenn ich sicher bin, dass<br />

die Autoren sich nur von den edelsten<br />

Motiven haben leiten lassen, so halte<br />

ich es doch für ausgeschlossen, die<br />

PGD auf die Paare begrenzen zu können,<br />

die erbgebundene Kr<strong>an</strong>kengeschichten<br />

vorweisen können. Vielmehr<br />

wird im Rahmen aller IVF-Maßnahmen<br />

die Frage gestellt werden müssen,<br />

inwieweit das Risiko der iatrogenen<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

Übertragung „fehlerhafter“ <strong>Embryonen</strong><br />

überhaupt vertretbar ist. Über kurz<br />

oder l<strong>an</strong>g werden bei allen IVF-Maßnahmen<br />

PGDs nötig sein. Und: Wie<br />

verweigert ein Arzt Paaren die PGD im<br />

Rahmen einer IVF? Müssen diese Paare<br />

erst selbst eine „genetische Leidensgeschichte“<br />

vorweisen, um in den<br />

„Genuss“ der gewünschten exakteren<br />

Diagnostik zu kommen? Wäre es nicht<br />

– unter denselben pseudoaltruistischen<br />

Maximen – unmenschlich, ihnen diese<br />

Diagnostik vorzuenthalten?<br />

Hier tut sich nicht nur ein gewaltiger<br />

Markt für Ärzte auf – hier entstehen<br />

auch gewaltige Risiken für unsere Gesetzliche<br />

Kr<strong>an</strong>kenversicherung – es wird<br />

auf Dauer nicht möglich sein, IVF zwar<br />

zu bezahlen, PGD aber nicht.<br />

Schließlich: Sie haben es alle gelesen,<br />

die Entschlüsselung des menschlichen<br />

Genoms steht kurz vor ihrer Vollendung.<br />

Damit aber liegt eine mindestens<br />

abstrakte Genkarte vor, in der Aberrationen,<br />

Variationen und Strickmuster<strong>an</strong>omalien<br />

des Menschen beschrieben<br />

sind.Wer glaubt, diese Karte prognostiziere<br />

mit hundertprozentiger Sicherheit<br />

erbgebundene Kr<strong>an</strong>kheiten,der irrt.Einige<br />

wenige Kr<strong>an</strong>kheiten und ihre Ausprägung<br />

sind heute schon erkennbar,<br />

g<strong>an</strong>z überwiegend aber vermögen wir<br />

zwar die „Strickmusterfehler“ der Natur<br />

zu erkennen, ihre Relev<strong>an</strong>z für das<br />

lebende Individuum aber nicht einzuordnen.<br />

Jeder von uns ist Träger solcher<br />

Anomalien – auch der Gesündeste! Der<br />

Grundged<strong>an</strong>ke der genetischen Selektion<br />

aber, dieses „Nichts-mehr-dem-<br />

Schicksal-überlassen-Wollen“, der dem<br />

gesamten Verfahren nun einmal innewohnt,<br />

wird zu einer natürlichen Ausmerzung<br />

aller Anomalien führen. Wir<br />

sind auf dem direkten Weg zum „qualitätsgesicherten<br />

Kind“.<br />

Welchem Arzt könnte m<strong>an</strong> einen<br />

Vorwurf machen, wenn er Eltern eher<br />

zur Abtreibung (oder in unserem Fall<br />

zur Nichtübertragung des Embryos) raten<br />

wird, als sie zu bestärken, die<br />

Risiken im Vertrauen auf eine starke<br />

Natur in Kauf zu nehmen? Der Bundesgerichtshof<br />

hat uns in seiner Rechtsprechung<br />

klargemacht, dass fehlerhafte<br />

genetische Beratung schadensersatzpflichtig<br />

macht. Das kr<strong>an</strong>ke Kind wird<br />

zum „Schadensfall“ – nicht der bedauernswerten<br />

Eltern, sondern des Arztes!<br />

Fortpfl<strong>an</strong>zungsmedizingesetz<br />

Der Diskussionentwurf der BÄK geht<br />

deswegen einen falschen Weg; in fehlgeleitetem<br />

Altruismus sprengt er ethische<br />

Dämme. Eine Begrenzung auf wenige<br />

Paare – wie vorgesehen – wird sich<br />

nicht durchhalten lassen. Ungewollt<br />

wird der genetischen Selektion die Tür<br />

geöffnet. Fortschrittsgläubigkeit macht<br />

blind vor den Risiken. Noch ist es <strong>an</strong><br />

der Zeit gegenzusteuern. Deswegen<br />

hat der Vorst<strong>an</strong>d der BÄK auch lediglich<br />

einen „Diskussionsentwurf“ vorgelegt.<br />

Am Ende der Diskussion k<strong>an</strong>n<br />

also durchaus auch das Einstampfen<br />

des Papiers stehen.<br />

Die Bundesregierung pl<strong>an</strong>t, das <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz<br />

im Lichte neuer<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse zu<br />

überarbeiten. In einem Fortpfl<strong>an</strong>zungsmedizingesetz<br />

müssten d<strong>an</strong>n auch Fragen<br />

der IVF und der PGD geregelt werden.<br />

Ich plädiere für ein Verbot der<br />

Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik.<br />

Dr. med. Fr<strong>an</strong>k Ulrich Montgomery<br />

Präsident der Ärztekammer Hamburg<br />

Vorsitzender des Marburger Bundes<br />

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