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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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DÄ: Sollte m<strong>an</strong> auf dem Gebiet der<br />

Kernreprogrammierung forschen?<br />

Brüstle: Meine Vorstellung geht dahin,<br />

die unbek<strong>an</strong>nten Mech<strong>an</strong>ismen<br />

durch Kernreprogrammierungs-Studien<br />

<strong>an</strong> tierischen Zellen zu entschlüsseln,<br />

um sie d<strong>an</strong>n l<strong>an</strong>gfristig auf adulte<br />

hum<strong>an</strong>e Zellen <strong>an</strong>zuwenden. Es besteht<br />

die Idee, adulte Zellen direkt in ein pluripotentes<br />

Stadium umzuprogrammieren,<br />

das dem einer embryonalen<br />

Stammzelle entspricht. Die Erzeugung<br />

der Blastozyste würde so umg<strong>an</strong>gen.<br />

Wir hätten d<strong>an</strong>n eine Fusion von adulter<br />

und embryonaler Stammzelltechnologie,<br />

die es uns erlauben würde, die<br />

Vorteile pluripotenter Stammzellen zu<br />

nutzen und gleichzeitig die ethisch kritischen<br />

Bereiche zu umgehen.<br />

DÄ: Reichen für die Kernreprogrammierungs-Studien<br />

Zellen tierischen Ursprungs<br />

aus?<br />

Brüstle: Zunächst schon. Es wäre aus<br />

meiner Sicht unver<strong>an</strong>twortlich, Untersuchungen<br />

auf hum<strong>an</strong>e Zellen auszuweiten,<br />

bevor nicht alles erdenklich<br />

Mögliche am Tierexperiment gemacht<br />

worden ist. Natürlich müssen die Ergebnisse<br />

schließlich am Menschen validiert<br />

werden. Beim therapeutischen<br />

Klonen besteht allerdings die Hoffnung,<br />

dass dies ohne Erzeugung von<br />

<strong>Embryonen</strong> möglich sein wird.<br />

DÄ: In den USA haben Sie eine Methode<br />

entwickelt, mit der m<strong>an</strong> durch<br />

Zellkultur aus embryonalen Stammzellen<br />

Nervenzellen herstellen k<strong>an</strong>n. Wie<br />

funktioniert diese?<br />

Brüstle: Embryonale Stammzellen<br />

können prinzipiell in alle Gewebetypen<br />

ausreifen. Das Schüsselproblem ist, diese<br />

Entwicklung in die gewünschte Richtung<br />

zu steuern und die Zellpopulation<br />

so aufzureinigen, dass keine unreifen<br />

embryonalen Zellen mehr vorh<strong>an</strong>den<br />

sind. Denn diese könnten nach der<br />

Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation Teratome erzeugen.<br />

DÄ: Wie steuern Sie die Ausreifung?<br />

Brüstle: Die Zellen werden zunächst<br />

unter der Anwesenheit von Wachstumsfaktoren<br />

auf embryonalen Fibroblasten<br />

beliebig vermehrt. D<strong>an</strong>n werden die<br />

Zellen zu Embryoidkörperchen zusammengelagert.<br />

Dies sind Zellaggregate,<br />

in denen spont<strong>an</strong> die Ausreifung in verschiedene<br />

Gewebetypen stattfindet.<br />

Nach einigen Tagen werden die Embryoidkörperchen<br />

in Zellkulturlösun-<br />

100<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

gen überführt, die so zusammengesetzt<br />

sind, dass bevorzugt Zellen des Nervensystems<br />

überleben. Diese werden d<strong>an</strong>n<br />

durch Wachstumsfaktoren gezielt vermehrt.<br />

DÄ: Werden Zellen, die nicht gewünscht<br />

sind, während des Verfahrens<br />

vernichtet?<br />

Brüstle: Um zur Zelltyp-Spezifizierung<br />

zu kommen, gibt es zwei Strategien:<br />

Zum einen werden Faktoren eingebracht,<br />

die eine bestimmte Zellpopulation<br />

bevorzugen und <strong>an</strong>dere während<br />

des Kulturverfahrens ausmerzen. Bei<br />

der <strong>an</strong>deren Strategie werden Marker<br />

in embryonale Stammzellen eingefügt,<br />

die nur von bestimmten Zelltypen exprimiert<br />

werden, beispielsweise ein Antibiotikaresistenz-Gen<br />

oder ein grün<br />

fluoreszierendes Protein, das ausschließlich<br />

in den entst<strong>an</strong>denen Nervenzellen<br />

exprimiert wird. Durch Gabe<br />

eines Antibiotikums oder durch ein<br />

Sortierverfahren ist es möglich, diese<br />

Zelltypen <strong>an</strong>zureichern.<br />

DÄ: Wäre nach der Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation<br />

dieser gewonnenen Zellen nicht auch<br />

noch eine Eigendifferenzierung oder gar<br />

eine Tumorbildung denkbar?<br />

Brüstle: Dies ist ein ernst zu nehmendes<br />

Problem. Deshalb müssen vor einer<br />

klinischen Anwendung L<strong>an</strong>gzeituntersuchungen<br />

stehen, die gewährleisten,<br />

dass diese Zellen über Jahre hinweg stabil<br />

in ihrem Zelltyp ver<strong>an</strong>kert bleiben.<br />

Eine Tumorbildung ist bei den von uns<br />

hergestellten hochaufgereinigten Gliazellen<br />

im Tierversuch bisher in keinem<br />

Fall vorgekommen.<br />

DÄ: In Großbrit<strong>an</strong>nien ist m<strong>an</strong> bereits<br />

in die klinische Anwendung geg<strong>an</strong>gen<br />

und hat Parkinson-Patienten fetale<br />

dopaminproduzierende Zellen tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tiert,<br />

von denen sich d<strong>an</strong>n wohl auch<br />

einige zu Knochen- und Knorpelzellen<br />

entwickelt haben . . .<br />

Brüstle: Das sind Experimente, die<br />

nicht sauber durchgeführt wurden. Dabei<br />

h<strong>an</strong>delt es sich um einen Ansatz, der<br />

nicht auf Stammzellen aufbaut, sondern<br />

auf der Isolation von Zellen aus dem fetalen<br />

Nervensystem. Wird das Verfahren<br />

– die Entnahme von Zellen aus der<br />

Hirnregion, aus der sich später die<br />

dopaminergen Neurone entwickeln –<br />

nicht sachgemäß durchgeführt, besteht<br />

die Gefahr, dass <strong>an</strong>dere Gewebeteile<br />

mit tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tiert werden und sich spä-<br />

ter entwickeln. In dieser Hinsicht unterscheidet<br />

sich die embryonale Stammzelltechnik.<br />

Dort müssen wiederum die<br />

undifferenzierten Zellen aussortiert<br />

werden, da diese nach Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation<br />

in alle möglichen Zellen ausreifen<br />

könnten.<br />

DÄ: Wie hoch ist die Gefahr der Abstoßung<br />

nach der Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation?<br />

Brüstle: Die Abstoßung ist ein Kernproblem<br />

der Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tationsmedizin<br />

überhaupt. Um sie zu verhindern, wäre<br />

es bei den embryonalen Stammzellen<br />

denkbar, B<strong>an</strong>den von Zellen aufzubauen,<br />

in denen verschiedene Gewebetypen<br />

vorh<strong>an</strong>den sind, und d<strong>an</strong>n für den<br />

jeweiligen Patienten einen gematchten<br />

Donor zu finden. Weiterhin ist es möglich,<br />

die Oberflächenstruktur dieser<br />

Zellen genetisch so zu verändern, dass<br />

Abstoßungsreaktionen zumindest gehemmt<br />

werden. Es ist über die Kernreprogrammierung<br />

l<strong>an</strong>gfristig möglich,<br />

pluripotente Zellen mit dem Erbgut<br />

desselben Patienten herzustellen.<br />

DÄ: Das wäre auch mit adulten<br />

Stammzellen möglich. Warum forscht<br />

m<strong>an</strong> d<strong>an</strong>n nicht zunächst <strong>an</strong> diesen?<br />

Brüstle: In der moment<strong>an</strong>en Diskussion<br />

werden die adulten Stammzellen<br />

oft als den embryonalen Stammzellen<br />

ebenbürtig dargestellt. Aus naturwissenschaftlicher<br />

Sicht k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> in meinen<br />

Augen jedoch nicht auf die <strong>Forschung</strong><br />

<strong>an</strong> embryonalen Stammzellen<br />

verzichten. Diese haben wichtige Vorteile:<br />

eine uneingeschränkte Vermehrbarkeit<br />

über l<strong>an</strong>ge Zeiträume und die<br />

Möglichkeit der gezielten Ausreifung in<br />

der Zellkultur.<br />

DÄ: Doch neuen Publikationen zufolge<br />

sollen auch adulte Stammzellen in <strong>an</strong>dere<br />

Gewebe einw<strong>an</strong>dern und dort nicht<br />

nur Ursprungsgewebe bilden können . . .<br />

Brüstle: Es ist aber noch nicht möglich,<br />

diesen Tr<strong>an</strong>sdifferenzierungsprozess<br />

gezielt in der Zellkultur zu steuern.<br />

Es gibt wohl einzelne Fälle, bei denen<br />

aus adulten Stammzellen verw<strong>an</strong>dte<br />

Gewebszellen gezüchtet wurden. Es<br />

scheinen jedoch gravierende Unterschiede<br />

zu den embryonalen Stammzellen<br />

zu bestehen, da es sich bei diesen um<br />

eine Programmierung von einer unreifen<br />

in eine reife Zelle h<strong>an</strong>delt. Bei den<br />

adulten Stammzellen h<strong>an</strong>delt es sich um<br />

eine Umprogrammierung von einer<br />

spezifischen Zelle in eine <strong>an</strong>dere gewe-

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