Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Kenntnisst<strong>an</strong>d scheint das Verfahren in<br />
geübter H<strong>an</strong>d sowohl in der Durchführung<br />
wie auch in der Diagnostik sicher<br />
zu sein. Es ist in weltweit 29 Zentren,<br />
davon 10 in den USA, erprobt.<br />
Auch wenn die Zahl der <strong>an</strong> mehr als 400<br />
Paaren durchgeführten PGD und der<br />
mehr als 100 geborenen Kinder nach<br />
PGD noch bei weitem für eine endgültige<br />
Aussage hinsichtlich der Risiken des<br />
Verfahrens selbst wie auch hinsichtlich<br />
der durch das Verfahren verursachten<br />
Fehlbildungsrate zu klein ist, so k<strong>an</strong>n<br />
vorläufig doch konstatiert werden, dass<br />
die Schw<strong>an</strong>gerschaftsrate nach PGD<br />
mit 26 Prozent derjenigen nach konventioneller<br />
IVF-Therapie entspricht<br />
(Ludwig und Diedrich, 1999).<br />
Eine Indikation zur PGD wird derzeit<br />
bei <strong>an</strong>amnestisch stark belasteten<br />
Paaren gesehen, für deren Nachkommen<br />
ein hohes Risiko für eine bek<strong>an</strong>nte<br />
und schwerwiegende, genetisch bedingte<br />
Erkr<strong>an</strong>kung besteht, zum Beispiel<br />
Muskeldystrophie Duchenne, Fragiles-<br />
X-Syndrom und <strong>an</strong>dere.<br />
2. Rechtliche und ethische<br />
Aspekte<br />
Es besteht Konsens, dass mit der PGD<br />
schwerwiegende rechtliche und ethische<br />
Probleme aufgeworfen werden.<br />
Die juristische Diskussion kreist um<br />
zwei Komplexe:<br />
1. Besteht ein Wertungswiderspruch<br />
zwischen dem seit 1991 gültigen <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz<br />
(ESchG) und dem<br />
1995 erneut reformierten § 218 StGB?<br />
2. Ist die PGD mit dem ESchG kompatibel?<br />
Die ethische Diskussion kreist, unabhängig<br />
von der rechtlichen Entscheidung,<br />
um den Konflikt, dass mittels IVF<br />
die Entwicklung menschlichen Lebens<br />
mit dem Ziel einer Schw<strong>an</strong>gerschaft<br />
eingeleitet, der so gezeugte Embryo unter<br />
Umständen jedoch nicht in die Gebärmutter<br />
tr<strong>an</strong>sferiert wird und so –<br />
nach einer Zeugung unter Vorbehalt –<br />
im Falle einer schweren, genetischen<br />
Erkr<strong>an</strong>kung eine gezielte Selektion des<br />
Embryos erfolgt. Mit diesem ethischen<br />
Problemkreis in unmittelbarem Zusammenh<strong>an</strong>g<br />
steht schließlich die Frage, ob<br />
die PGD lediglich eine zeitlich vorgezogene<br />
<strong>PND</strong> sei? Diese vier die PGD be-<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
stimmenden Fragen sollen im Folgenden<br />
besprochen und vorläufigen Antworten<br />
zugeführt werden.<br />
2.1 ESchG und reformierter § 218 StGB<br />
– ein Wertungswiderspruch?<br />
Von den Befürwortern der PGD wird<br />
auf den Wertungswiderspruch zwischen<br />
dem seit 1991 gültigen ESchG und dem<br />
am 29. Juni 1995 im Deutschen Bundestag<br />
mehrheitlich verabschiedeten § 218<br />
StGB verwiesen. Es könne doch wohl<br />
nicht sein, dass dem Embryo in vitro eine<br />
höhere Schutzwürdigkeit zuerk<strong>an</strong>nt<br />
würde als dem Embryo in vivo, der seit<br />
In-Kraft-Treten der Fristenlösung bis<br />
12 Wochen p. c. nach Pflichtberatung<br />
straffrei getötet werden dürfe.<br />
Diese Argumentation greift insofern<br />
zu kurz, als der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes<br />
mit seinem Urteil<br />
vom 28. Mai 1993 gegen den Mehrheitsbeschluss<br />
des Deutschen Bundestages<br />
vom 27. Juli 1992 erneut festgeschrieben<br />
hat, dass der Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch<br />
für die g<strong>an</strong>ze Dauer der<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaft grundsätzlich als Unrecht,<br />
also als rechtswidrig <strong>an</strong>gesehen<br />
wird und demgemäß rechtlich verboten<br />
bleiben muss. Die im Bundestag beschlossene<br />
„reine“ Fristenlösung (1992)<br />
wurde als Bruch mit der gültigen Verfassung<br />
bezeichnet und mit Streichung<br />
des Wortes „nicht“ (rechtswidrig) die<br />
nicht rechtswidrige Fristenlösung verworfen<br />
und somit dem Leben des Ungeborenen<br />
Vorr<strong>an</strong>g vor der Selbstbestimmung<br />
der Mutter eingeräumt.<br />
Die Bewertung der Abtreibung als<br />
grundsätzlich rechtswidrige Tötung<br />
menschlichen Lebens wurde erneut<br />
festgeschrieben.<br />
Im § 8 Abs. 1 des am 1. J<strong>an</strong>uar 1991 in<br />
Kraft getretenen ESchG wird der<br />
Rechtsstatus des menschlichen Embryos<br />
erneut bestätigt: „Als Embryo im<br />
Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete,<br />
entwicklungsfähige menschliche<br />
Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung<br />
<strong>an</strong>, ferner jede einem Embryo<br />
entnommene totipotente Zelle,<br />
die sich bei vorliegenden, dafür erforderlichen<br />
weiteren Voraussetzungen zu<br />
teilen und zu einem Individuum entwickeln<br />
vermag.“ Die Schutzpflicht des<br />
Staates gegenüber dem Embryo „von<br />
Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong>“ ist in diesem Rechtsstatus<br />
des Embryos begründet. Der Grundged<strong>an</strong>ke<br />
des ESchG ist erneut, das Leben<br />
und die Integrität der befruchteten, entwicklungsfähigen<br />
menschlichen Eizelle<br />
vom Zeitpunkt der abgeschlossenen<br />
Kernverschmelzung <strong>an</strong> strafrechtlich zu<br />
schützen. Das heißt auch – es gibt keinen<br />
Raum (Zäsur) für die Annahme einer<br />
rechtlich ungeschützten Frühphase<br />
des Menschen. H<strong>an</strong>dlungen gegen den<br />
Embryo in vitro sind d<strong>an</strong>ach rechtswidrig<br />
und unter Strafe gestellt, während in<br />
vivo – nach der Impl<strong>an</strong>tation – das<br />
Strafgesetz (§ 218 StGB) zugunsten einer<br />
Beratungspflicht zurücktritt.* Das<br />
ESchG gibt darüber hinaus dem Lebensrecht<br />
des Embryos grundsätzlich<br />
Vorr<strong>an</strong>g vor dem Grundrecht der <strong>Forschung</strong>sfreiheit.<br />
Die juristische Argumentation beim<br />
§ 218 StGB basiert auf dem Rechtsstatus<br />
der Mutter, der in Konflikt zum Lebensrecht<br />
des Embryos oder des Fötus<br />
treten k<strong>an</strong>n. D<strong>an</strong>ach ist der legale<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch lediglich wegen<br />
Unzumutbarkeit des Austragens<br />
der Schw<strong>an</strong>gerschaft für die Mutter<br />
straflos (keine Rechtfertigung), während<br />
zum Beispiel die Verwendung beziehungsweise<br />
der Verbrauch von <strong>Embryonen</strong><br />
für die <strong>Forschung</strong> oder die<br />
Diagnostik nicht aus einer subjektiven<br />
Notlage des Einzelnen heraus erfolgt.<br />
Das konkurrierende Gut, welches den<br />
Konflikt definiert und Straffreiheit begründet,<br />
ist nicht die subjektive Not des<br />
Einzelnen, sondern etwa das gesundheitspolitische<br />
Ziel der Allgemeinheit,<br />
zum Beispiel die Verbesserung der Ergebnisse<br />
der Sterilitätstherapie. Auch<br />
zum § 219 d StGB, welcher die Nidationsverhütung<br />
straffrei lässt, wurde eine<br />
Analogie entwickelt. Mit Verzicht auf<br />
Strafbewährung der Präimpl<strong>an</strong>tationsphase<br />
in vivo redet der Gesetzgeber<br />
nicht der willkürlichen Verfügbarkeit<br />
dieser Phase das Wort, sondern er verzichtet<br />
nur für eine durchaus besondere<br />
Kollision der Rechtsgüter – prinzipielle<br />
Schutzwürdigkeit des Embryos und Familienpl<strong>an</strong>ung<br />
der Frau durch Hormone<br />
oder Spirale – während der frühesten<br />
Phase der Schw<strong>an</strong>gerschaft auf<br />
Strafrechtschutz (Laufs, 1989). Diese<br />
Position wird auch durch den Kommen-<br />
*Die Präimpl<strong>an</strong>tationsphase in vivo ist nicht durch den<br />
§ 218 StGB erfasst.<br />
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