Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Klärung der Frage der eventuellen PGD<br />
der gesetzliche Lebensschutz revidiert<br />
werden müsste.Wenn in Berlin jede dritte<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaft abgebrochen wird, d<strong>an</strong>n<br />
ist ernsthaft zu fragen, ob das Beratungskonzept<br />
seine Aufgabe erfüllt. Sonst setzen<br />
wir das gleiche Modell fort: hoher Anspruch<br />
in der Theorie und eine verheerende<br />
Praxis.Also Klärung vor Vermittlung!<br />
Dr. med. Rafael Mikolajczyk<br />
Friedrichrodaer Straße 121<br />
12249 Berlin<br />
Kaum absehbare<br />
Auswirkungen<br />
Rudolf Neidert will mit seinem Beitrag<br />
die Diskussion um die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
„durch einen empirischen Zug<strong>an</strong>g“<br />
vor<strong>an</strong>bringen. Als Lösungs<strong>an</strong>satz<br />
propagiert er einen „Gleichkl<strong>an</strong>g“ zwischen<br />
dem kontinuierlichen Her<strong>an</strong>wachsen<br />
des ungeborenen Kindes und dessen<br />
rechtlichem Schutz. Am Anf<strong>an</strong>g der vorgeburtlichen<br />
Entwicklung soll das Lebensrecht<br />
des Embryos in weitem Umf<strong>an</strong>g<br />
zur Disposition stehen. In späteren<br />
Stadien verdiene der Embryo umso<br />
größere Achtung, „je mehr sich dieser<br />
dem geborenen Menschen <strong>an</strong>nähert“.<br />
Dieser Ansatz wirkt auf den ersten Blick<br />
in sich stimmig.Tatsächlich gibt es für diesen<br />
„Gleichkl<strong>an</strong>g“ biologischer Wachstumsprozesse<br />
mit rechtlichen Schutzbestimmungen<br />
weder einen rational nachvollziehbaren<br />
Grund, noch wird dieses<br />
Prinzip von seinen Verfechtern selbst<br />
ernst genommen.<br />
Der Mensch macht während seines<br />
Lebens eine ausgeprägte Entwicklung<br />
durch. Er wird bek<strong>an</strong>ntlich nicht vom<br />
Klapperstorch gebracht, fällt also nicht<br />
„fertig“ vom Himmel. Er entsteht, wie alle<br />
Lebewesen, aus kleinsten Anfängen<br />
heraus, entwickelt sich allmählich und<br />
kontinuierlich zu einer – individuell sehr<br />
unterschiedlichen – „ausgewachsenen“<br />
Form, altert, verliert wieder <strong>an</strong> Leistungsfähigkeit<br />
und stirbt schließlich. Es<br />
ist keineswegs einleuchtend, irgendeiner<br />
Phase dieses Lebens allein aufgrund der<br />
biologischen Entwicklungsstufe größeren<br />
rechtlichen Schutz <strong>an</strong>gedeihen zu<br />
lassen als einer <strong>an</strong>deren. Bei der Suche<br />
nach einer <strong>an</strong>gemessenen rechtlichen<br />
Bewertung der vorgeburtlichen Entwicklung<br />
des Menschen lautet die<br />
Grundfrage: Geht es um den Schutz<strong>an</strong>spruch<br />
des menschlichen Lebewesens<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
als solches oder um die Wertschätzung<br />
bestimmter Bewusstseinszustände und<br />
Fähigkeiten? Schmerzempfinden findet<br />
sich auch bei den Tieren. Soll also der<br />
empfindungslose Embryo rechtlich weniger<br />
Schutz genießen als ein ausgewachsener<br />
Hund, ein Schwein oder ein Huhn<br />
– wie der australische Bioethiker Peter<br />
Singer meint? In vielen Leistungsbereichen<br />
haben Haustiere einen weiten Vorsprung<br />
vor ungeborenen – aber auch<br />
neugeborenen – Kindern. Soll es wirklich<br />
darauf <strong>an</strong>kommen? D<strong>an</strong>n müsste Kleinkindern<br />
noch bis zum Alter von ein bis<br />
zwei Jahren das Lebensrecht abgesprochen<br />
werden.<br />
Unsere Rechtsordnung basiert auf der<br />
Un<strong>an</strong>tastbarkeit der Menschenwürde.<br />
Sie ist das Fundament der Verfassung.<br />
Die Würde des Menschen k<strong>an</strong>n aber<br />
nicht mit dem Körperwachstum, der physischen<br />
oder der intellektuellen Leistungsfähigkeit<br />
<strong>an</strong>wachsen und gegebenenfalls<br />
auch wieder abnehmen. Würde<br />
und (Nutz-)Wert unterscheiden sich<br />
prinzipiell. Deshalb k<strong>an</strong>n aus einzelnen<br />
biologischen Entwicklungen auf dem<br />
Weg zum „fertigen“ Menschen (w<strong>an</strong>n ist<br />
der Mensch „fertig“?) ein unterschiedlicher<br />
Grundstatus nicht abgeleitet werden.<br />
Gerade das Recht auf Leben, die<br />
Voraussetzung und Basis aller <strong>an</strong>deren<br />
Grundrechte, k<strong>an</strong>n von der „Nützlichkeit“<br />
oder Leistungsfähigkeit des einzelnen<br />
Menschen nicht abhängen. Neidert<br />
nimmt das von ihm postulierte Prinzip<br />
„wachsendes Leben gleich wachsender<br />
Schutz“ selbst nicht wirklich ernst, weil<br />
er es auf den Zeitraum vor der Geburt<br />
beschränkt. Die „Logik des Wachsens“<br />
überschreitet diese Grenze. Die Geburt<br />
ist sicher ein wichtiger Einschnitt im Leben<br />
des Menschen, seine biologische<br />
Entwicklung bleibt <strong>an</strong> diesem Punkt<br />
aber keineswegs stehen. Die Leistungsfähigkeit<br />
des Neugeborenen befindet<br />
sich fast auf dem Nullpunkt. Der Säugling<br />
ist von der Hilfe und Zuwendung <strong>an</strong>derer<br />
völlig abhängig. Sowohl körperlich<br />
als auch geistig ist er noch meilenweit<br />
vom Entwicklungsst<strong>an</strong>d eines Erwachsenen<br />
entfernt. Warum sollte d<strong>an</strong>n das<br />
Recht auf Leben nicht auch nachgeburtlich<br />
noch „wachsen“ oder in Alter und<br />
Kr<strong>an</strong>kheit sowie im Falle einer Behinderung<br />
„abnehmen“? Wer hier nicht konsequent<br />
seinen Begründungs<strong>an</strong>satz für das<br />
Lebensrecht durchhält, setzt sich dem<br />
Verdacht aus, nur ein bestimmtes Ergebnis<br />
erzielen zu wollen.<br />
Die von Neidert <strong>an</strong>geführten Stufen<br />
der menschlichen Entwicklung (Schmerzempfinden,<br />
extrauterine Lebensfähigkeit),<br />
die er für rechtlich relev<strong>an</strong>t hält,<br />
sind auch für sich genommen nicht geeignet,<br />
eine Abstufung des Lebensrechts zu<br />
rechtfertigen.<br />
Ansatz- und begründungslos bezeichnet<br />
Neidert die „bewusste Schmerzempfindung“<br />
als „ersten Ausdruck einer leibseelischen<br />
Einheit“. Die Seele hat er in der<br />
Schilderung der „medizinischen Gegebenheiten“<br />
nicht erwähnt. Ich bezweifle, dass<br />
die Seele Gegenst<strong>an</strong>d der medizinischen<br />
Wissenschaft ist oder mit den naturwissenschaftlichen<br />
Methoden der Medizin beschrieben<br />
oder erfasst werden k<strong>an</strong>n.Wenn<br />
Neidert aber von der Existenz einer Seele<br />
ausgeht, warum sollte d<strong>an</strong>n die Schmerzempfindung<br />
das erste Erkennungszeichen<br />
dieser Seele sein? Die Seele als geistiges<br />
Sein- und Wirkprinzip (oder wie m<strong>an</strong> sie<br />
auch immer definieren mag) könnte bereits<br />
l<strong>an</strong>ge vor dem Beginn der Schmerzempfindlichkeit<br />
vorh<strong>an</strong>den sein, zum Beispiel<br />
in dem zehn- oder zwölfzelligen<br />
Frühembryo, den Neidert im Rahmen der<br />
PGD zu opfern bereit ist.Wäre es nicht nahe<br />
liegend <strong>an</strong>zunehmen, dass der Embryo<br />
von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> beseelt ist, da er die Fähigkeit<br />
zu bewusster Schmerzempfindung<br />
hervorbringt? Die von Neidert behauptete<br />
„Relev<strong>an</strong>z“ der Schmerzempfindlichkeit<br />
für die Frage der rechtlichen Schutzwürdigkeit<br />
entbehrt einer sachlichen Begründung.<br />
Eine solche wird auch nicht zu finden<br />
sein. Schließlich führt eine beeinträchtigte<br />
oder aufgehobene Schmerzempfindlichkeit<br />
bei geborenen Menschen auch<br />
nicht zu einer Minderung des Rechts auf<br />
Leben.<br />
Den „Durchbruch“ in der Entwicklung<br />
ungeborenen Lebens sieht Neidert<br />
erst mit der extrauterinen Lebensfähigkeit<br />
erreicht. Ihr spricht er „höchste<br />
Rechtserheblichkeit“ zu. Die Fähigkeit,<br />
außerhalb des Mutterleibes überleben zu<br />
können, ist aber ebenfalls ungeeignet, die<br />
Schutzwürdigkeit ungeborener Kinder zu<br />
beeinflussen. Je nach der individuellen<br />
Konstitution des ungeborenen Kindes<br />
k<strong>an</strong>n diese Überlebensfähigkeit schon<br />
nach dem fünften Schw<strong>an</strong>gerschaftsmonat<br />
gegeben sein. Der Zeitpunkt lässt sich<br />
aber nicht abstrakt für alle Fälle einheitlich<br />
bestimmen. Die extrauterine Lebensfähigkeit<br />
ist aber kein Wesensmerkmal<br />
des Embryos, sondern hängt von den medizinischen<br />
Kenntnissen des beh<strong>an</strong>delnden<br />
Arztes und der technischen Aus-<br />
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