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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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Heft 14, 6. April 2001<br />

Dem Leser „<strong>an</strong>spruchsvoller“ Zeitungen<br />

wird seit einigen Monaten<br />

ein erbitterter Kampf aufgefallen<br />

sein. Gestritten wird um neuere Technologien<br />

wie die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

oder die <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> embryonalen<br />

Stammzellen, vor allem aber um die<br />

grundlegende Frage, welcher Schutz<br />

dem ungeborenen menschlichen Leben<br />

zukommen soll. Anlässe zu dieser Debatte<br />

gab es mehrere: Die Bundesärztekammer<br />

hatte einen Entwurf einer<br />

Richtlinie zur Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

(<strong>PID</strong>) vorgestellt, in der sie diese innerhalb<br />

strenger Grenzen befürwortet.<br />

Ein Mitglied der Bundesregierung,<br />

Staatsminister Juli<strong>an</strong> Nida-Rümelin, hatte<br />

sich gegen die gleiche Zuschreibung<br />

der Menschenwürde <strong>an</strong> menschliche<br />

<strong>Embryonen</strong> in den ersten 14 Tagen vor<br />

der Impl<strong>an</strong>tation ausgesprochen. Seither<br />

wechseln sich wöchentlich, zuweilen täglich<br />

die Stellungnahmen für und gegen<br />

den Lebensschutz von <strong>Embryonen</strong> ab.<br />

Die Argumente sind seit<br />

l<strong>an</strong>gem bek<strong>an</strong>nt<br />

Die St<strong>an</strong>dpunkte und die <strong>an</strong>geführten<br />

Argumente zum Lebensrecht des ungeborenen<br />

menschlichen Lebens sind<br />

nicht neu, sondern seit l<strong>an</strong>gem bek<strong>an</strong>nt.<br />

Alles, was in den letzten Monaten für<br />

und wider den Lebensschutz von <strong>Embryonen</strong><br />

zu lesen war, lässt sich schon<br />

seit geraumer Zeit in der einschlägigen<br />

moralphilosophischen Literatur finden.<br />

Neu ist allenfalls die Aufgeregtheit <strong>an</strong>gesichts<br />

der Tatsache, dass ein Mitglied<br />

der Bundesregierung den Lebensschutz<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

Streit um die <strong>Embryonen</strong><br />

Was tun, wenn m<strong>an</strong> sich<br />

nicht einigen k<strong>an</strong>n?<br />

Nach den Äußerungen des Präsidenten der Bundesärztekammer<br />

in der Fr<strong>an</strong>kfurter Allgemeinen stellt sich die Frage:<br />

Welche Rolle kommt der Ärzteschaft zu?<br />

Urb<strong>an</strong> Wiesing<br />

von <strong>Embryonen</strong> relativiert hat. Dabei<br />

hat Nida-Rümelin nur das öffentlich gesagt,<br />

was in der Moralphilosophie – der<br />

Staatsminister ist hier ausgewiesener<br />

Experte – zu den ausführlich diskutierten<br />

Positionen gehört.<br />

M<strong>an</strong> wird sich nicht<br />

einigen können<br />

Bei der Debatte war eines schon vorab<br />

klar: M<strong>an</strong> wird sich am Ende nicht einigen<br />

können. M<strong>an</strong> hätte gleich eing<strong>an</strong>gs<br />

vor der Illusion warnen sollen, es ließe<br />

sich zum moralischen Status des ungeborenen<br />

menschlichen Lebens ein Konsens<br />

finden. Die Positionen zwischen den Befürwortern<br />

eines uneingeschränkten<br />

Schutzes der <strong>Embryonen</strong> ab Verschmelzung<br />

von Samen- und Eizelle und den<br />

Befürwortern eines abgestuften, wachsenden<br />

Schutzes der <strong>Embryonen</strong> liegen<br />

so weit ausein<strong>an</strong>der, dass sie nicht zu<br />

vermitteln sind. Selbst ein Rückgriff auf<br />

das Grundgesetz und die darin ver<strong>an</strong>kerte<br />

Menschenwürde k<strong>an</strong>n die Kontroverse<br />

nicht entschärfen. Zwar schützt<br />

das Grundgesetz nach Ansicht der meisten<br />

Rechtsgelehrten menschliches Leben<br />

ab der Verschmelzung von Samenund<br />

Eizelle, doch auch hier erhebt sich<br />

Widerspruch.Für Norbert Hoerster lässt<br />

die Verfassung keine eindeutigen Rückschlüsse<br />

zu, und für Reinhard Merkel ist<br />

das <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz gar verfassungswidrig.<br />

Es bestätigt sich, was im<br />

Grunde seit l<strong>an</strong>gem bek<strong>an</strong>nt ist: M<strong>an</strong><br />

wird sich nicht einig, und dar<strong>an</strong> dürfte<br />

sich auch in Zukunft nichts ändern. Für<br />

mehrere Positionen zum Schutz des un-<br />

geborenen Lebens lassen sich plausible<br />

Argumente <strong>an</strong>führen.Wenn es eines Beweises<br />

bedurft hätte,dass wir uns in einer<br />

wertepluralen Gesellschaft befinden,<br />

hier ist er. Was folgt aus dieser ernüchternden<br />

Diagnose? Die Debatte um den<br />

moralischen Status des ungeborenen<br />

menschlichen Lebens führt uns mit<br />

Deutlichkeit vor Augen, dass in dieser<br />

Frage eine politische Entscheidung gefällt<br />

werden muss, da kein moralischer<br />

Konsens erwartet werden darf.Der Staat<br />

in Form seiner demokratisch legitimierten<br />

Institutionen muss sich Fragen jenseits<br />

der verschiedenen Überzeugungen<br />

stellen. Erstens: Auf welchen Prämissen<br />

basieren die jeweiligen Positionen zum<br />

Lebensschutz des ungeborenen Lebens,<br />

und inwieweit sind diese Vor<strong>an</strong>nahmen –<br />

zum Beispiel religiöser Art – für alle verbindlich?<br />

Zweitens: Nicht die Frage, welche<br />

Vorgehensweise ist moralisch die<br />

einzig richtige, stellt sich, sondern: Welche<br />

H<strong>an</strong>dlungen soll der Staat erlauben?<br />

Im Grunde hat sich der Gesetzgeber so<br />

bereits beim § 218 verhalten. Dieses Gesetz<br />

ist einzig ein politischer Kompromiss,der<br />

dem moralischen Dissens in unserer<br />

Gesellschaft nicht beikommen<br />

konnte.<br />

Auch die Konsequenzen aus der notorischen<br />

Uneinigkeit beim <strong>Embryonen</strong>schutz<br />

sind l<strong>an</strong>ge bek<strong>an</strong>nt. Schon<br />

vor über zehn Jahren beendete Anton<br />

Leist seine Untersuchung zum moralischen<br />

Status des ungeborenen Lebens<br />

mit der Feststellung, dass sie in die Frage<br />

der Toler<strong>an</strong>z münden würde. Was<br />

soll erlaubt werden, ohne die Zumutbarkeit<br />

der Vertreter <strong>an</strong>derer Ansichten<br />

zu überfordern? Wenn gute Argumente<br />

für einen gestuften Lebensschutz<br />

von <strong>Embryonen</strong> <strong>an</strong>geführt werden<br />

können und die Gegenargumente<br />

zumeist auf bedingt verallgemeinerungsfähigen<br />

Vor<strong>an</strong>nahmen beruhen,<br />

d<strong>an</strong>n sollte m<strong>an</strong> den Schutz der <strong>Embryonen</strong><br />

in der frühesten Phase<br />

zumindest gegen <strong>an</strong>dere hochr<strong>an</strong>gige<br />

Güter zur Abwägung stellen. Dass diese<br />

Überlegungen nicht g<strong>an</strong>z folgewidrig<br />

sind, sei mit Verweis auf die Realität<br />

untermauert: Die Tötung von<br />

<strong>Embryonen</strong> geschieht beispielsweise<br />

durch die Spirale millionenfach, ohne<br />

dass sie sonderlich kontrovers wäre.<br />

Entweder die Spirale müsste verboten<br />

werden, oder die Überlegungen der<br />

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