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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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yos aufzurechnen (wie beim Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch),<br />

sondern die Frage<br />

heißt, wie Prof. Dr. med. Herm<strong>an</strong>n<br />

Hepp als Vorsitzender des BÄK-<br />

Arbeitskreises erläutert, „ob mit Rücksicht<br />

auf die gesundheitlichen und/<br />

oder sozialen Lebensinteressen der<br />

Mutter die Schutzbedürftigkeit (des<br />

kr<strong>an</strong>ken Embryos in vitro) einer positiven<br />

Güterabwägung unterworfen<br />

werden darf und daraus ein abgestufter<br />

Rechtsschutz resultiert.“ (Hepp<br />

2000, 218).<br />

Wenn m<strong>an</strong> also die Rechte der Mutter<br />

geltend machen will, d<strong>an</strong>n geht es<br />

um „Lebensinteressen“, sei es die<br />

Angst, „<strong>an</strong> der Furcht vor einem genetisch<br />

bedingt schwerstkr<strong>an</strong>ken Kind<br />

gesundheitlich zu zerbrechen“ (Diskussionsentwurf<br />

zu einer Richtlinie,<br />

Vorwort), sei es um die Hoffnung auf<br />

ein gesundes Kind. In jedem Fall wird<br />

die schwere Konfliktsituation gegenwärtig<br />

nur <strong>an</strong>tizipiert. Die entscheidende<br />

Frage lautet also, ob und in welchem<br />

Maß die Wünsche und Interessen der<br />

Mutter, die sich auf einen zukünftigen<br />

Sachverhalt beziehen, ethische Bedeutung<br />

erl<strong>an</strong>gen können. Die Ethik-Kommission<br />

des L<strong>an</strong>des Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz<br />

versichert, dass der Wunsch eines Paares<br />

mit hohen genetischen Risikofaktoren<br />

„ein eigenes gesundes Kind zu erhalten,<br />

(. . .) sittliche Qualität“ hat<br />

(These III 2 a).<br />

Doch wie hoch ist diese „sittliche<br />

Qualität“? Darf sich der „Kinderwunsch“<br />

ausdrücklich auf „Wunschkinder“,<br />

nämlich gesunde eigene Kinder<br />

beschränken? Wenn sich der Wunsch<br />

allgemein auf Kinder beziehen würde,<br />

wäre entweder durch Verzicht auf biologische<br />

Elternschaft (Adoption, Besamung)<br />

oder durch Inkaufnahme eines<br />

behinderten Kindes die PGD überflüssig.<br />

Der Wunsch der Eltern bezieht sich<br />

folglich auf eigene gesunde Kinder, sofern<br />

m<strong>an</strong> „gesund“ im Sinne der Abwesenheit<br />

der zu befürchtenden genetischen<br />

Schädigung definiert.<br />

Hedonismus-Prinzip<br />

In rechtlicher Hinsicht etwa nach Art. 6<br />

Abs. 2 GG sind zwar „Pflege und Erziehung<br />

der Kinder (. . .) das natürliche<br />

Recht der Eltern“, allerdings wird da-<br />

58<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

bei die Existenz der Kinder selbstverständlich<br />

vorausgesetzt. Können Eltern<br />

hingegen auch Rechte auf die Existenz<br />

gesunder Kinder geltend machen,<br />

oder k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> diesem Wunsch zumindest<br />

hohe sittliche Qualität bescheinigen?<br />

Wer dazu beiträgt, das Leid einer betroffenen<br />

Familie (durch Vermeidung<br />

einer Schw<strong>an</strong>gerschaft auf Probe oder<br />

durch Nicht-Tr<strong>an</strong>sfer eines kr<strong>an</strong>ken<br />

Kindes) zu verringern beziehungsweise<br />

das Glück der Eltern durch ein gesundes<br />

Kind zu vermehren, ist dem so gen<strong>an</strong>nten<br />

Hedonismus-Prinzip verpflichtet:<br />

Nach dieser Maxime ist es ethisch<br />

geboten, Leid zu verringern und Glück<br />

zu vergrößern. „Der klassische Utilitarist<br />

betrachtet eine H<strong>an</strong>dlung als richtig,<br />

wenn sie ebenso viel oder mehr Zuwachs<br />

<strong>an</strong> Glück für alle Betroffenen<br />

produziert als jede <strong>an</strong>dere H<strong>an</strong>dlung,<br />

und als falsch, wenn sie das nicht tut“<br />

(Singer 1994, 17).<br />

Präferenz-Utilitarismus<br />

Da sich die ethische Bewertung allerdings<br />

zunächst nicht auf eine schon existierende<br />

H<strong>an</strong>dlung bezieht, sondern<br />

auf einen Wunsch beziehungsweise ein<br />

bestimmtes Interesse der Eltern, h<strong>an</strong>delt<br />

es sich bei dieser Argumentation<br />

um eine Spielart des klassischen Utilitarismus,<br />

dem „Präferenz-Utilitarismus“,<br />

wie er beispielsweise von Richard<br />

Marvin Hare (Oxford) vertreten<br />

wurde. Nach dieser Vari<strong>an</strong>te werden<br />

nicht die H<strong>an</strong>dlungen, sondern die<br />

Präferenzen, das heißt die Interessen<br />

und Wünsche, der betroffenen Personen<br />

gegenein<strong>an</strong>der abgewogen. Eine<br />

H<strong>an</strong>dlung wird nach dem Grad der<br />

Übereinstimmung ihrer zu erwartenden<br />

Folgen mit den Wünschen der betroffenen<br />

Personen bewertet. In dieser<br />

Weise k<strong>an</strong>n dem „Interesse (der Mutter),<br />

kein missgebildetes Kind zu haben,<br />

das die normale Entwicklung der<br />

übrigen Familie verhindern oder stark<br />

beeinträchtigen k<strong>an</strong>n“ (Hare 1992,<br />

376), hohe sittliche Qualität zugesprochen<br />

werden.<br />

Das Hedonismus-Prinzip wird gerade<br />

von Vertretern des Präferenz-Utilitarismus<br />

mit der Perspektive der „Total<strong>an</strong>sicht“<br />

(total view) verknüpft: Den<br />

moralischen Wert einer H<strong>an</strong>dlung k<strong>an</strong>n<br />

<strong>an</strong> nur aus der Gesamtsumme des<br />

Glücks aller Betroffenen eruieren.<br />

Nach Hare und Singer spielt es keine<br />

Rolle, ob die Gesamtsumme des Glücks<br />

durch die Lustvermehrung existierender<br />

Wesen oder durch die Vermehrung<br />

lustfähiger Wesen <strong>an</strong>gestrebt wird (Singer<br />

1994, 139).<br />

Wenn es ethisch gerechtfertigt<br />

scheint, mit dem Ziel der Leidverringerung<br />

gesunde <strong>Embryonen</strong> zu produzieren,<br />

kr<strong>an</strong>ke aber zu verwerfen, d<strong>an</strong>n<br />

findet exakt die Argumentation des<br />

Präferenz-Utilitarismus mit Hedonismus-Prinzip<br />

und Total<strong>an</strong>sicht Anwendung.<br />

Denn, so Singer, „für den Präferenz-Utilitarismus<br />

ist das dem getöteten<br />

Wesen zugefügte Unrecht nur ein<br />

zu beachtender Faktor, und die Präferenz<br />

des Opfers könnte m<strong>an</strong>chmal<br />

durch die Präferenzen von <strong>an</strong>deren<br />

aufgewogen werden“ (Singer 1994,<br />

130). Wenn m<strong>an</strong> die bei Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

gestellte Problematik als<br />

„Interessenkonflikt“ definiert, bei dem<br />

„Lebensinteressen“ der Mutter und<br />

Lebensinteresse des Embryos abgewogen<br />

werden müssen, d<strong>an</strong>n unterstreicht<br />

das die Beobachtung, dass die Argumentation<br />

des Präferenz-Utilitarismus<br />

bemüht wird.<br />

Peter Singer und Richard Marvin<br />

Hare befürworten aber nicht nur die selektive<br />

Ch<strong>an</strong>ce des Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs,<br />

sie sind auch der Auffassung,<br />

dass die Eliminierung von leidenden<br />

Menschen auch nach der Geburt, zum<br />

Beispiel bei behinderten Säuglingen,<br />

möglich sein sollte. „Säuglinge zu töten<br />

k<strong>an</strong>n nicht gleichgesetzt werden mit<br />

dem Töten normaler menschlicher<br />

Wesen oder <strong>an</strong>derer selbstbewusster<br />

Wesen. (. . .) Das Leben eines Neugeborenen<br />

hat für dieses weniger Wert<br />

als das Leben eines Schweins, eines<br />

Hundes oder eines Schimp<strong>an</strong>sen für das<br />

nichtmenschliche Tier“ (Singer 1994,<br />

23<strong>3.</strong>219).<br />

Ethische Dammbrüche<br />

Die Ethik Singers beruht auf Voraussetzungen<br />

(wie Speziezismuskritik, reduktionistisches<br />

Menschenbild, vgl. dazu<br />

Zimmerm<strong>an</strong>n 1996 und 1997), die von<br />

den Verfassern des Diskussionsent-

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