Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Heft 14, 6. April 2001<br />
DISKUSSION<br />
Lebensrecht-Kompromiss<br />
birgt viele Risiken<br />
„Zunehmendes Lebensrecht“ – diese Begriffsprägung<br />
setzt den Ged<strong>an</strong>ken vom<br />
„werdenden“ beziehungsweise „wachsenden<br />
Leben des Embryos und Fetus“<br />
voraus „auf ein volles Menschenleben<br />
hin“. Nicht notwendigerweise logisch,<br />
das g<strong>an</strong>ze Ged<strong>an</strong>kengebäude jedoch erhellend,<br />
wird „die Entstehung eines genetisch<br />
neuen Individuums mit Verschmelzung<br />
von Ei- und Samenzelle“ mit<br />
dem Terminus „potenzielles Leben als<br />
Mensch“ in Verbindung gebracht. Dieser<br />
nun ist nichts <strong>an</strong>deres als interessenorientierte<br />
und somit gewollte Irreführung: Es<br />
entsteht nach Verschmelzung von Ei und<br />
Samenzelle kein potenzielles, sondern<br />
einsehr reales Leben, ein sehr potentes<br />
dazu, dessen ungeheure Entwicklungsmöglichkeiten<br />
und ras<strong>an</strong>tes Entwicklungstempo,<br />
dessen Verletzlichkeit aber<br />
auch dem Betrachter nahe legen, dass gerade<br />
in den frühesten Entwicklungsphasen<br />
dieses Menschen eine besondere<br />
Schutzbedürftigkeit bestehen könnte.<br />
Denn fest steht: So eindeutig wie es kein<br />
potenzielles und kein werdendes Leben<br />
gibt, so eindeutig ist das durch die Verschmelzung<br />
der Keimzellen Entst<strong>an</strong>dene<br />
eben Leben und von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> Mensch,<br />
ja ein einmaliges und unverwechselbares<br />
Individuum.<br />
Wie trivial, ethisch-rechtlich eine erhöhte<br />
Schutzbedürftigkeit <strong>an</strong> einer Schmerzempfindung,<br />
<strong>an</strong> einer potenziellen Lebensfähigkeit<br />
außerhalb des mütterlichen<br />
Körpers oder <strong>an</strong> der Geburt festmachen<br />
zu wollen: Schmerzen können provoziert,<br />
aber auch genommen werden; der Zeitpunkt<br />
der Überlebensfähigkeit außerhalb<br />
des Mutterleibes verschiebt sich pro Dekade,<br />
ja bald von Jahr zu Jahr, weiter vor<br />
zu immer früheren Schw<strong>an</strong>gerschaftsstadien;<br />
und nicht erst das Dilemma der<br />
Spätabtreibungen hat aufgezeigt, wie<br />
54<br />
zu dem Beitrag<br />
Zunehmendes<br />
Lebensrecht<br />
von<br />
Ministerialrat a. D. Dr. jur.<br />
Rudolf Neidert<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
wahrhaft abwegig es ist, das Recht, ein<br />
Menschenleben beenden zu dürfen, auf<br />
die Tatsache der noch nicht erfolgten Geburt<br />
zu beziehen, wohingegen Frühgeborene<br />
gleicher Behinderung oder Erkr<strong>an</strong>kung<br />
volles Lebensrecht zugeschrieben<br />
wird und voller Schutz<strong>an</strong>spruch.<br />
Wie gern gehen <strong>an</strong> diesem Punkt die<br />
Ged<strong>an</strong>ken auf die schiefe Bahn. Was<br />
heißt denn auch schon lebensfähig? Wie<br />
lebensfähig ist denn ein Neugeborenes,<br />
gar ein behindertes Neugeborenes? Doch<br />
nur in dem Maße, wie sich Mutter und Vater<br />
und gegebenenfalls Ärzte und Schwestern<br />
ihm zuwenden beziehungsweise eine<br />
Pflegefamilie, eine bestellte Person, eine<br />
gesellschaftliche Einrichtung, im weitesten<br />
Sinn: die Solidargemeinschaft.Wie<br />
aber ist es um die Solidargemeinschaft<br />
mit Behinderten und Kr<strong>an</strong>ken in einer<br />
Gesellschaft bestellt, die Spätabtreibungen<br />
rechtlich ver<strong>an</strong>kern ließ? Hat uns Peter<br />
Singers Ged<strong>an</strong>kengut nicht bereits soweit<br />
infiziert, dass die Bereitschaft<br />
wächst, das Lebensrecht Neugeborener<br />
mit Behinderung zur Disposition zu stellen?<br />
Mag der Wunsch nach einer vermittelnden<br />
Lösung auch noch so verständlich<br />
sein, ein Kompromiss in Sachen Lebensrecht<br />
birgt viele Risiken, wie auch aus<br />
der Formulierung eines zunehmenden<br />
Lebensrechtes ersichtlich wird. Es bedarf<br />
nur des Perspektivwechsels vom späten<br />
zum früheren Lebensstadium hin, und es<br />
wird ein abnehmendes Lebensrecht daraus.<br />
Gibt es d<strong>an</strong>n vielleicht auch ein maximales<br />
Lebensrecht, etwa zum Zeitpunkt<br />
der vollen H<strong>an</strong>dlungs- und Leistungsfähigkeit,<br />
der vollen Gesundheit und des<br />
vollen Wohlbefindens (entsprechend dem<br />
„vollen Menschsein“?), dem mit Rückg<strong>an</strong>g<br />
dieser Fähigkeiten und Eigenschaften<br />
Abnahme verordnet wird? Die <strong>an</strong>geblich<br />
von Gesetz und Rechtsprechung <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nte<br />
„Notwendigkeit“ eines altersbezogenen<br />
abgestuften Rechtsschutzes der<br />
Ungeborenen ist auch nur politisch verordnet.<br />
Dr. med. Gerhard Haasis<br />
Max-Reger-Straße 40<br />
28209 Bremen<br />
Unklare Begriffe,<br />
zweifelhafte Schlüsse<br />
In allem, was Rudolf Neidert über Feten<br />
schreibt, gebe ich ihm gern Recht. Bei seinen<br />
Thesen über Zygoten und Embryo-<br />
nen jedoch sehe ich zwei Schwierigkeiten.<br />
Erstens können auch nach mehr als einer<br />
Woche noch (ohne dass es dazu eines<br />
menschlichen Eingriffs bedürfte) aus einem<br />
Embryo eineiige Zwillinge entstehen.<br />
Zumindest so l<strong>an</strong>ge haben wir es mit<br />
einem „Dividuum“ zu tun. Was den Zeitraum<br />
nach den ersten beiden Wochen post<br />
conceptionem (p. c.) betrifft, so bin ich mir<br />
nicht sicher,ob es einen Begriff von Individualität<br />
gibt, der sich auf etwas ohne Zentralnervensystem<br />
(ZNS) und ohne persönliche<br />
Geschichte <strong>an</strong>wenden lässt.<br />
Zweitens ist der Ausdruck „unbewusste<br />
Schmerzempfindung“ recht dunkel.<br />
„Es tut weh, aber ich merke davon nichts“<br />
ist eine widersprüchliche Auskunft. Der<br />
Hinweis auf „Reaktionen des Ungeborenen“<br />
trägt nicht zur Aufklärung bei. Es<br />
gibt keinen Schmerz ohne Bewusstsein<br />
(von Schmerz), und es gibt kein Bewusstsein<br />
ohne ein ZNS oder ein ZNS-Äquivalent.<br />
Und Letzteres fehlt im frühen Embryonalstadium<br />
nachweislich.<br />
Sol<strong>an</strong>ge die Begriffe, die wir benutzen,<br />
unklar bleiben, sind die Schlüsse, die wir<br />
aus ihnen ziehen, zweifelhaft.<br />
Andreas Scholtz M. A.<br />
Bredowstraße 18<br />
10551 Berlin<br />
Klärung vor Vermittlung<br />
Die Idee des zunehmenden Lebensschutzes<br />
ist zumindest genauso plausibel<br />
wie absurd. Das Paradox wird durch unterschiedliche<br />
Perspektiven ausgelöst:<br />
zwar mag die intrauterine Entwicklung eine<br />
Tendenz der Zunahme nahe legen, <strong>an</strong>dererseits<br />
geschieht jene in einer so engen<br />
zeitlichen Abfolge, dass jegliche Abstufungen<br />
genauso unzulässig sein dürften.<br />
Die eine Sichtweise mag eine Unterscheidung<br />
bei einem Abst<strong>an</strong>d von wenigen Wochen,<br />
ja Tagen sogar für zulässig erklären,<br />
die <strong>an</strong>dere lässt fragen, was dieser Abst<strong>an</strong>d<br />
<strong>an</strong> der Bal<strong>an</strong>ce zwischen dem Lebensrecht<br />
des Kindes und der Selbstver<strong>an</strong>twortung<br />
(„Lebensinteressen“) der<br />
Mutter ändern k<strong>an</strong>n. Meine Kritik ist<br />
nicht, dass der Autor nur die eine Perspektive<br />
dargestellt hatte. Dass diese jedoch<br />
zur „vermittelnden Lösung“ erklärt<br />
wurde, empfinde ich intellektuell als befremdend.<br />
Methodologisch ist zu fragen, ob hier<br />
der Vermittlungsversuch überhaupt begründet<br />
sei und nicht eher vor der