Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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nem Symposium der Berliner Medizinischen<br />
Gesellschaft Ende November in<br />
Berlin. Seine Arbeitsgruppe versucht,<br />
ausgehend von Resektaten aus der<br />
Epilepsiechirurgie, adulte neuronale<br />
Stammzellen zu kultivieren, zu differenzieren<br />
und in den Org<strong>an</strong>ismus zu retr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tieren.<br />
Dazu sollen zunächst<br />
geeignete Zellkulturmethoden zur Vermehrung<br />
und Reifung der adulten<br />
Stammzellen entwickelt werden.<br />
Der <strong>Forschung</strong>s<strong>an</strong>satz beruht auf der<br />
Erkenntnis, dass Stammzellen nicht nur<br />
während der embryonalen und fetalen<br />
Entwicklung, sondern auch im adulten<br />
Gehirn existieren und sich zu neuen<br />
Nervenzellen entwickeln können (Neurogenese).<br />
Bis vor wenigen Jahren<br />
glaubte m<strong>an</strong> noch, dass sich die Gehirnzellen<br />
nach der Geburt nur noch reduzieren,<br />
nicht aber regenerieren und vermehren<br />
können. Inzwischen ist jedoch<br />
die Neurogenese im adulten Gehirn<br />
nachgewiesen, vor allem im Bulbus olfactorius,<br />
im Gyrus dentatus des Hippocampus<br />
und im Neocortex.<br />
* Dr. rer. nat. H<strong>an</strong>s-Georg Kuhn, Dr. med. Norbert Weidner<br />
und Dr. med. Jürgen Winkler<br />
Nachgefragt<br />
DÄ: Herr Aigner, wird die Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation<br />
von adulten neuralen Stammzellen<br />
die Therapie der Zukunft bei neurologischen<br />
Erkr<strong>an</strong>kungen sein?<br />
Aigner: Neurale Stammzellen des<br />
adulten Nervensystems werden sicherlich<br />
nicht das Allheilmittel sämtlicher<br />
neurologischer Erkr<strong>an</strong>kungen sein. Ihr<br />
Einsatz wird sich primär auf neurodegenerative<br />
Erkr<strong>an</strong>kungen, wie den<br />
Morbus Parkinson oder entzündliche<br />
Erkr<strong>an</strong>kungen, wie die multiple Sklerose,<br />
beschränken. Die derzeitigen Therapien<br />
versuchen lediglich den Zellverlust<br />
zu vermindern oder den Verlust von<br />
Neurotr<strong>an</strong>smitterstoffen zu kompensieren.<br />
Stammzelltherapien hingegen zielen<br />
auf einen zellulären Ersatz ab.<br />
DÄ: Die adulten neuronalen Stammzellen bieten<br />
einige Vorteile: Sie sind ohne ethische Bedenken<br />
verfügbar und werden nach autologer Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation<br />
nicht vom Org<strong>an</strong>ismus abgestoßen. Ist es da<br />
überhaupt nötig, menschliche embryonale Stammzellen<br />
zur Züchtung von Zellersatz einzusetzen?<br />
Aigner: Bei dem derzeitigen Wissensst<strong>an</strong>d sollen<br />
und müssen beide Zelltypen gleichwertig und intensiv<br />
zunächst im Tierexperiment auf ihr therapeutisches<br />
Potenzial und auf ihr Risiko getestet werden.<br />
Erst d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n einer Zellpopulation der Vorzug für<br />
die klinische Anwendung gegeben werden. Die adul-<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Auf dem Gebiet der adulten Stammzellforschung<br />
beschäftigen sich Ärzte<br />
und Wissenschaftler mit zwei grundsätzlichen<br />
Bereichen: der Stimulation<br />
der adulten Neurogenese in vivo und<br />
der Regulation in vitro. Die „In-vivo-<br />
Stammzellforscher“ versuchen, die Neurogenese<br />
durch Wachstumsfaktoren,<br />
Unterdrückung von Apoptose-Signalen<br />
und äußere Reize „vor Ort“ zu stimulieren<br />
und auf diese Weise Reparaturvorgänge<br />
zu induzieren und Zellverluste<br />
direkt im Gehirn zu kompensieren<br />
(DÄ, Heft 33/2001).<br />
„In-vitro-Stammzellforscher“ wie<br />
Aigner nutzen ebenfalls die Multipotenz<br />
der adulten neuronalen Stammzellen.<br />
Sie entnehmen diese jedoch und versuchen,<br />
deren Proliferation und Differenzierung<br />
durch Medienzusätze zu beeinflussen.<br />
Aigners Vision ist es, körpereigene<br />
Zellen zu vermehren und in vitro<br />
zu neuen Nerven- beziehungsweise<br />
Gliazellen (Astrozyten sowie Oligodendrozyten)<br />
reifen zu lassen und diese dem<br />
Spender autolog zu tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tieren. Somit<br />
würde die Gefahr der Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tatabstoßung<br />
geb<strong>an</strong>nt, die bei der Tr<strong>an</strong>s-<br />
te Stammzellforschung profitiert<br />
auf jeden Fall von den<br />
Kenntnissen, die <strong>an</strong> embryonalen<br />
Zellen gewonnen worden<br />
sind, da die Regulationsmech<strong>an</strong>ismen,<br />
die die Proliferation<br />
und Differenzierung kontrollieren,<br />
vergleichbar sind.<br />
DÄ: Welches sind die größten<br />
Hindernisse bis zum klinischen<br />
Einsatz von adulten<br />
Stammzellen?<br />
Aigner: Derzeit ist der Einsatz<br />
primär durch die noch unzureichendenZellkulturbedingungen<br />
limitiert. Im Gegensatz<br />
zu ES-Zellen vermehren sich<br />
adulte Stammzellen nur ungenügend.<br />
Wir müssen noch Wege finden, die Zellproliferation<br />
zu steigern, um aus einer möglichst<br />
kleinen Biopsie in relativ kurzer Zeit möglichst viele<br />
neurale Stammzellen zu züchten.<br />
Dr. rer. nat. Ludwig Aigner,<br />
Nachwuchsgruppenleiter<br />
der Universität Regensburg,<br />
VW-Stiftung Foto: privat<br />
DÄ: In welchem Zeitraum könnten die Therapiestrategien<br />
umgesetzt werden?<br />
Aigner: Mit einer auf adulte neurale Stammzellen<br />
basierenden Zellersatztherapie k<strong>an</strong>n sicherlich<br />
nicht in den nächsten fünf Jahren gerechnet<br />
werden. Ein Zeitraum von zehn Jahren ist eher realistisch.<br />
pl<strong>an</strong>tation von embryonalen Stammzellen<br />
besteht.Neurale Stammzellen lassen<br />
sich bereits aus verschiedenen Gehirnregionen<br />
von Nagern und Menschen<br />
isolieren. „Durch geeignete Wachstumsfaktoren,<br />
wie den epidermalen<br />
Wachstumsfaktor (EGF) und den basischen<br />
Fibroblasten-Wachstumsfaktor<br />
(FGF-2) können die Zellen in Neurosphären<br />
(dreidimensionale Zellaggregate<br />
von neuralen Vorläuferzellen) <strong>an</strong>gereichert<br />
und vermehrt werden“, erklärt<br />
Aigner. Nach klonaler Exp<strong>an</strong>sion der<br />
Zellen entzog der Neurobiologe den<br />
Neurosphären die Wachstumsfaktoren<br />
und gab <strong>an</strong>dere Signalmoleküle hinzu<br />
(Retinolsäure sowie neurotrophe Faktoren).<br />
Daraufhin beobachtete er die<br />
Reifung der Stammzellen zu Nervenoder<br />
Gliazellen. Besonders erfolgversprechend<br />
sei der Einsatz der autologen<br />
Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation bei der Therapie des<br />
Morbus Parkinson, da dieser durch einen<br />
räumlich und funktionell relativ<br />
eng umschriebenen Nervenzellverlust<br />
charakterisiert ist. Bei Morbus Alzheimer<br />
hingegen sei eher eine endogene<br />
Stimulation der neuralen Stammzellen<br />
aussichtsreich. Bei Traumata, wie<br />
der Querschnittslähmung, ist ebenfalls<br />
die Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation von neuralen<br />
Stammzellen erfolgversprechend. Die<br />
dadurch ersetzten Gliazellen könnten<br />
ein neues Gerüst zur Wiedereinsprossung<br />
unterbrochener Nervenbahnen<br />
bilden. „Bei der Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tation gehen<br />
wir davon aus, dass die In-vivo-Umgebung<br />
des Tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tats zusätzlich einen<br />
determinierenden Einfluss auf die<br />
Differenzierung ausübt“, erläuterte<br />
Aigner. Seinem Kollegen Weidner gel<strong>an</strong>g<br />
es bereits, aus dem erwachsenen<br />
ZNS gewonnene neurale Stammzellen<br />
in verletztes Rückenmark zu tr<strong>an</strong>spl<strong>an</strong>tieren,<br />
die sich in Gliazellen umw<strong>an</strong>delten.<br />
Am 30. J<strong>an</strong>uar werden die Abgeordneten<br />
des Deutschen Bundestages abschließend<br />
und allein nach ihrem Gewissen<br />
über die Zukunft der Stammzellforschung<br />
in Deutschl<strong>an</strong>d diskutieren.<br />
Die Abstimmung gehört damit zu den<br />
wenigen,bei denen es keinen Fraktionszw<strong>an</strong>g<br />
gibt. Einen Tag später will die<br />
DFG entscheiden, ob der Import von<br />
embryonalen Stammzelllinien aus dem<br />
Ausl<strong>an</strong>d mit öffentlichen Geldern gefördert<br />
werden soll. Dr. med. Eva A. Richter<br />
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