Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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Heft 9, <strong>3.</strong> März 2000<br />
Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
Am R<strong>an</strong>de<br />
der schiefen Bahn<br />
G<strong>an</strong>z restriktiv soll die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
(PGD = preimpl<strong>an</strong>tation<br />
genetic diagnosis) eingesetzt<br />
werden; nur wenigen Paaren<br />
mit hohem genetischem Risikofaktor<br />
soll sie zugute kommen, ein kompliziertes<br />
Genehmigungsverfahren ist allem<br />
vor<strong>an</strong>gestellt. So sieht es der Richtlinienentwurf<br />
des Wissenschaftlichen<br />
Beirats der Bundesärztekammer vor,<br />
der vom BÄK-Vorst<strong>an</strong>d nach längerem<br />
Ringen als „Diskussionsentwurf“ für<br />
die öffentliche Diskussion freigegeben<br />
wurde.<br />
Bereits im Vorfeld kam es freilich zu<br />
gehörigen Missverständnissen. In der<br />
Presse war davon zu lesen, die Ärzteschaft<br />
gestatte nunmehr die PGD.Zu hoffen<br />
ist,dass ein Presseseminar der Bundesärztekammer,<br />
das wenige Tage nach Bek<strong>an</strong>ntwerden<br />
des Diskussionsentwurfes<br />
in Berlin stattf<strong>an</strong>d (dazu der Leitartikel),<br />
die Positionen wieder etwas zurechtgerückt<br />
hat. Die Bundesärztekammer<br />
und auch ihr Wissenschaftlicher Beirat<br />
sind nämlich keineswegs entschieden in<br />
Sachen PGD. Bei dem einen<br />
oder <strong>an</strong>deren Wissenschaftler<br />
mag die Entscheidung vielleicht<br />
gefallen sein, nicht aber<br />
bei den Ver<strong>an</strong>twortlichen für<br />
den Richtlinienentwurf. Die<br />
freilich haben durch die Form<br />
einer fix und fertig formulierten<br />
Richtlinie, die alsd<strong>an</strong>n<br />
zum Diskussionsentwurf erklärt<br />
wurde, einiges dazu beigetragen,<br />
dass ein falscher<br />
Eindruck entstehen konnte.<br />
Der wird jetzt hoffentlich korrigiert<br />
sein.<br />
PGD ist im Ausl<strong>an</strong>d, sofern<br />
hier die aufwendigen<br />
technischen Vorrichtungen<br />
gegeben sind, durchaus im<br />
Einsatz (siehe Tabelle). In<br />
Deutschl<strong>an</strong>d nicht, jedenfalls<br />
ist nichts bek<strong>an</strong>nt. Die<br />
Rechtslage spricht dagegen.<br />
´ Tabelle C ´<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
PGD-Befürworter interpretieren die<br />
zwar zu ihren Gunsten, es gibt aber gewichtigere<br />
Argumente, wonach PGD in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d verboten ist. Nicht umsonst<br />
suchen die mit der Methode befassten<br />
Kreise ja nunmehr mittels öffentlicher<br />
Diskussion und einer Richtlinie der<br />
Bundesärztekammer zu Rechtssicherheit<br />
zu kommen.Die wird es letzten Endes nur<br />
mit Hilfe des Gesetzgebers geben; der zögert<br />
– aus gutem Grund.<br />
Die Absichten der wohlwollenden<br />
Ärzte, die ihren Patientinnen und Patienten<br />
zu einem von Kr<strong>an</strong>kheit möglichst<br />
nicht belasteten Kind verhelfen<br />
wollen, sind glaubhaft. Doch wenn<br />
mit PGD die Grenze zur Selektion ungeborenen<br />
Lebens überschritten wird –<br />
und das wird sie, m<strong>an</strong> mag noch so verhüllende<br />
Bezeichnungen wählen –,<br />
d<strong>an</strong>n wird die Entwicklung von den<br />
wohlwollenden, wohlmeinenden Wissenschaftlern<br />
und Ärzten nicht mehr zu<br />
steuern sein. Mit PGD kommt, m<strong>an</strong> mag<br />
das bedauern oder insgeheim befürworten,<br />
die verbrauchende <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong><br />
Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik im europäischen Vergleich<br />
PGD PGD Gesetz Gesetzeszulässig<br />
unzulässig vorhaben<br />
Großbrit<strong>an</strong>nien ja ja<br />
Dänemark ja ja<br />
Norwegen ja ja<br />
Schweden ja ja<br />
Italien ja ja<br />
Sp<strong>an</strong>ien ja ja<br />
Portugal ja ja<br />
Fr<strong>an</strong>kreich ja ja<br />
Belgien ja<br />
Niederl<strong>an</strong>de ja<br />
Griechenl<strong>an</strong>d ja<br />
Österreich ja ja<br />
Schweiz ja ja<br />
Deutschl<strong>an</strong>d fraglich ja<br />
Quelle: Vortrag Priv.-Doz. Dr. med. Stef<strong>an</strong> Winter modifiziert nach Simon 1999*<br />
<strong>Embryonen</strong>, etwa mit der Argumentation:<br />
Weshalb <strong>Embryonen</strong>, die sich als<br />
„defekt“ erwiesen haben, vernichten,<br />
können sie doch für weitergehende<br />
<strong>Forschung</strong> noch gute Dienste leisten.<br />
Mit PGD wird schließlich die schiefe<br />
Bahn zur Eugenik beschritten, wird zudem<br />
ein Tabu gebrochen, das nach den<br />
NS-Untaten errichtet wurde. Der Wissenschaftliche<br />
Beirat und die Bundesärztekammer<br />
erklären zwar ausdrücklich,<br />
sie hätten Eugenik nicht im Sinn;<br />
doch wenn <strong>Embryonen</strong> nach genetischen<br />
„Defekten“ untersucht und gegebenenfalls<br />
ausgesondert werden, d<strong>an</strong>n<br />
ist der Weg eingeschlagen. Und er wird<br />
immer breiter. M<strong>an</strong> wird erwarten dürfen,<br />
dass der Katalog von Kr<strong>an</strong>kheiten,<br />
die mit PGD diagnostiziert werden können,<br />
immer weiter ausgedehnt wird, allein<br />
schon weil die wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse wachsen. Aber auch, weil<br />
die Vorstellungen darüber, was „defekt“<br />
oder was „gesund“ ist, weit ausein<strong>an</strong>der<br />
gehen. Der Wissenschaftliche Beirat hat<br />
sich nicht getraut, und zwar aus guten<br />
Gründen, einen Indikationskatalog aufzustellen.<br />
Das heißt aber auch, dass m<strong>an</strong><br />
im Einzelfall demnächst unterschiedlich<br />
entscheiden wird, ob beispielsweise<br />
beim Down-Syndrom der Embryo verworfen<br />
werden k<strong>an</strong>n oder nicht. Und<br />
wer will eigentlich verhindern, dass nebenbei<br />
auch nach dem Geschlecht gesucht<br />
und entschieden wird?<br />
Die Diskussion um PGD<br />
trifft in eine seit Jahren von philosophischer<br />
Seite <strong>an</strong>gestoßene<br />
Debatte über Selektion von Leben,<br />
erinnert sei etwa <strong>an</strong> Singer<br />
oder jüngst Birnbacher. Mit der<br />
Diskussion um PGD werden<br />
auch die Forderungen nach<br />
verbrauchender <strong>Embryonen</strong>forschung<br />
wieder belebt werden,<br />
die seinerzeit zu den strengen<br />
Regelungen des <strong>Embryonen</strong>schutzgesetzes<br />
führten. In<br />
der Diskussion um PGD in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d wird mit Sicherheit<br />
das Argument hochkommen, im<br />
Ausl<strong>an</strong>d sei das aber alles erlaubt.<br />
Folgt m<strong>an</strong> diesem Argument,<br />
d<strong>an</strong>n wird m<strong>an</strong> auf die<br />
Dauer mit dem ethischen Minimum<br />
nicht nur bei der Auswahl<br />
ungeborenen Lebens leben<br />
müssen. Norbert Jachertz<br />
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