Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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dies eine Frage, die stärker das Bewusstsein<br />
als den Org<strong>an</strong>ismus betrifft, doch<br />
ist es die Kernfrage nach dem Selbstverständnis<br />
des Menschen. „. . . warum sollen<br />
wir moralisch sein wollen“, heißt es<br />
bei Habermas, „wenn die Biotechnik<br />
stillschweigend unsere Identität als<br />
Gattungswesen unterläuft?“ Anders<br />
gefragt: Warum sollten wir moralisch<br />
sein wollen, wenn wir durch Programm<br />
und Design vorbestimmt, optimiert<br />
und in eine Entwicklungsbahn gezwungen<br />
sind, der wir nicht entkommen<br />
können?<br />
Mit der durch Programm und Design<br />
zerstörten Freiheit der Entscheidung<br />
könnte der „Impuls des moralischen<br />
Wollens“ aus der Welt entschwinden.<br />
„Aber das Leben im moralischen Vakuum<br />
[so nochmals Habermas], in einer<br />
Lebensform, die nicht einmal mehr moralischen<br />
Zynismus kennen würde, wäre<br />
nicht lebenswert. Dieses Urteil<br />
drückt einfach den ‚Impuls‘ aus, ein<br />
menschenwürdiges Dasein der Kälte einer<br />
Lebensform vorzuziehen, die von<br />
moralischen Rücksichten unberührt<br />
ist.“ Dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen.<br />
Die Perspektive, unter der wir<br />
diskutieren, ist die aktuelle Bedrohung<br />
nicht mehr nur des Individuums oder<br />
der Gesellschaft, sondern die Bedrohung<br />
der Gattung „Mensch“. Wir streiten<br />
nicht um neue oder veraltete wissenschaftliche<br />
Methoden, nicht um Gesetzeslücken<br />
und Gesetzesnovellierung,<br />
nicht einmal um <strong>Forschung</strong>sfreiheit<br />
und Menschenwürde, wir streiten<br />
um die bisher naturwüchsige, scheinbar<br />
alternativenlose leibhafte Basis unserer<br />
Urteile und Entscheidungen, um den<br />
Begriff des Menschen und seines Leibes,<br />
um den Begriff menschlicher Freiheit<br />
und die physischen Möglichkeiten<br />
hum<strong>an</strong>en, ethischen Wollens. Einen solchen<br />
Streit hat es in der Geschichte der<br />
Menschheit noch nicht gegeben. Hier<br />
stellen sich tatsächlich „Fragen <strong>an</strong>derer<br />
Art“, und darum lohnt sich der Streit.<br />
Die Stimme des Wissenschaftlichen<br />
Beirates der Bundesärztekammer hat<br />
in diesem Streit Gewicht.<br />
❚ Zitierweise dieses Beitrags:<br />
Dtsch Ärztebl 2002; 99: A 1281–1286 [Heft 19]<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Prof. Dr. phil. Wolfg<strong>an</strong>g Frühwald<br />
Römerstädter Straße 4 k, 86199 Augsburg<br />
150<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Heft 19, 10. Mai 2002<br />
Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
„Die Argumente<br />
sind auf dem Tisch“<br />
Experten diskutierten über <strong>PID</strong>.<br />
Jetzt müsse die Politik nur noch endgültig<br />
die Entscheidung treffen und<br />
die Bundesärztekammer die Rahmenbedingungen<br />
für die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />
(<strong>PID</strong>) festzurren, sagte<br />
Prof. Dr. med. Klaus Diedrich, Direktor<br />
der Universitätsfrauenklinik Lübeck,<br />
zum Schluss einer Diskussionsver<strong>an</strong>staltung<br />
der Wochenzeitung „Die Zeit“<br />
am 29.April in Berlin.<br />
So einfach wie diese Äußerung<br />
klingt, so überzeugt müssten eigentlich<br />
am Ende der Ver<strong>an</strong>staltung die Laien<br />
unter den Zuhörern vom Nutzen der<br />
<strong>PID</strong> gewesen sein. Diesen hatten zuvor<br />
drei der vier (ausschließlich männlichen!)<br />
Gäste eingehend erläutert.<br />
Lediglich Dr. Wolfg<strong>an</strong>g Schäuble,<br />
Mitglied des CDU-Bundesvorst<strong>an</strong>des,<br />
steuerte der Meinung von Diedrich,<br />
Heft 21, 24. Mai 2002<br />
Der vor knapp einem Monat im<br />
Bundestag geschlossene Kompromiss<br />
zur <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> menschlichen<br />
embryonalen Stammzellen könnte<br />
bereits in naher Zukunft <strong>an</strong> seine Grenzen<br />
stoßen – <strong>an</strong> europäische Grenzen.<br />
Denn von 2003 <strong>an</strong> wird in Europa die<br />
<strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> menschlichen embryonalen<br />
Stammzellen ohne strenge Auflagen<br />
mit EU-Mitteln gefördert werden. Dies<br />
sieht das sechste Rahmenforschungsprogramm<br />
der EU vor, das das Europaparlament<br />
in Straßburg am 15. Mai in<br />
Prof. Dr. med. Claus R. Bartram, Leiter<br />
des Instituts für Hum<strong>an</strong>genetik der<br />
Universität Heidelberg, und Dr. h. c.<br />
Dr. habil. Richard Schröder, Theologische<br />
Fakultät der Humboldt-Universität<br />
zu Berlin, entgegen. Er ist besorgt,<br />
dass sich die Menschheit künftig generell<br />
<strong>an</strong>maßen könnte, Kinder nach<br />
Wunsch zu schaffen. Die Pränataldiagnostik<br />
(<strong>PND</strong>), bei der behinderte Kinder<br />
in der Folge abgetrieben werden,<br />
habe sich bereits ausgeweitet.<br />
Eine solche Entwicklung werde es<br />
bei der <strong>PID</strong> nicht geben, beschwichtigte<br />
Schröder, denn diese sei nur auf wenige<br />
Indikationen und damit auf etwa 100<br />
Paare pro Jahr begrenzt. „Es ist ein Irrtum,<br />
dass die <strong>PID</strong> ein Beschaffenheitstest<br />
ist“, betonte auch Diedrich. Allein<br />
technisch könnte immer nur auf eine<br />
bestimmte Kr<strong>an</strong>kheit getestet werden.<br />
Frauen würden nur in Notsituationen<br />
die Strapazen einer In-vitro-Fertilisation<br />
bei der <strong>PID</strong> auf sich nehmen, ergänzte<br />
Bartram. Dies täte keine Frau, die<br />
normal oder mit <strong>PND</strong> gebären könne.<br />
Bei der <strong>PID</strong> gehe es nicht um das Recht<br />
auf ein gesundes Kind, sondern um das<br />
Recht auf Beh<strong>an</strong>dlung. ER<br />
Stammzellforschung<br />
Freie Bahn in Europa<br />
Die Stammzellforschung wird in Europa voraussichtlich ohne<br />
strenge Auflagen mit EU-Mitteln gefördert werden.<br />
Konflikte mit der deutschen Gesetzgebung sind programmiert.<br />
zweiter und abschließender Lesung verabschiedet<br />
hat.<br />
17,5 Milliarden Euro sollen bis 2006<br />
für die <strong>Forschung</strong>sförderung von der<br />
EU bereitgestellt werden, davon etwa<br />
zwei Milliarden für die Biotechnologie.<br />
Damit können auch Forscher gefördert<br />
werden, die jetzt oder künftig aus<br />
„überzähligen“ menschlichen <strong>Embryonen</strong><br />
weitere Stammzelllinien gewinnen.<br />
So will es auch die Mehrzahl der europäischen<br />
Länder. Im Ausschuss der<br />
Ständigen Vertreter der Länder plä-