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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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stattung der Klinik ab. Ein Kind, das auf<br />

der neonatologischen Abteilung eines<br />

deutschen Kr<strong>an</strong>kenhauses im sechsten<br />

Schw<strong>an</strong>gerschaftsmonat „überlebensfähig“<br />

ist, wird im gleichen Entwicklungsstadium<br />

in einem L<strong>an</strong>d der „Dritten<br />

Welt“ nicht überleben, weil die notwendigen<br />

Geräte und Medikamente fehlen.<br />

Das Kind ist aber unabhängig vom Ort<br />

der Geburt dasselbe. Während noch vor<br />

dreißig bis vierzig Jahren viele Kinder<br />

im siebten Schw<strong>an</strong>gerschaftsmonat als<br />

Frühgeborene nicht überlebensfähig waren,<br />

wären sie es heute ohne weiteres. Das<br />

k<strong>an</strong>n aber nicht bedeuten, dass heute<br />

Kinder während der Entwicklung im<br />

Mutterleib „schneller“ zu schutzwürdigen<br />

Menschen werden als in den 60er-<br />

Jahren. Der Zeitpunkt der extrakorporalen<br />

Überlebensfähigkeit sagt etwas über<br />

das ärztliche Können und den St<strong>an</strong>d der<br />

medizinischen Technik, aber nichts über<br />

die „Menschqualität“ oder die rechtliche<br />

Schutzwürdigkeit eines Lebewesens aus.<br />

Das Kriterium der Lebensfähigkeit wäre<br />

im Übrigen ein Argument für den stärkeren<br />

strafrechtlichen Schutz künstlich erzeugter<br />

<strong>Embryonen</strong> durch das <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz,<br />

den Neidert als problematisch<br />

<strong>an</strong>sieht. Im Rahmen der In-vitro-<br />

Fertilisation werden schließlich menschliche<br />

<strong>Embryonen</strong> einige Tage außerhalb<br />

des Mutterleibes am Leben erhalten. Sie<br />

müssten somit nach dem Kriterium der<br />

„extrauterinen Lebensfähigkeit“ in diesem<br />

frühen Entwicklungsstadium besonderen<br />

rechtlichen Schutz genießen. Nach<br />

dem Tr<strong>an</strong>sfer des Embryos in die Gebärmutter<br />

müsste der Schutzstatus wieder<br />

abnehmen, um gegen Ende der Schw<strong>an</strong>gerschaft<br />

erneut <strong>an</strong>zusteigen – ein zwar<br />

tatsächlich aus Rechtsvorschriften ableitbares<br />

Auf und Ab des Lebensschutzes,<br />

das allerdings rationaler Logik entbehrt.<br />

Die Abhängigkeit von günstigen Umgebungsbedingungen<br />

für das Weiterleben<br />

ändert <strong>an</strong> der Qualität des Subjekts<br />

nichts und k<strong>an</strong>n daher auch kein Kriterium<br />

für den rechtlichen Schutz<strong>an</strong>spruch<br />

sein. Unterschiedliche Schutzbestimmungen<br />

sind daher – wenn überhaupt –<br />

nur mit <strong>an</strong>deren Argumenten zu begründen.<br />

Fragwürdig ist auch der „empirische Zug<strong>an</strong>g“<br />

Neiderts zu den Rechtsfragen. Die<br />

unterschiedlichen Rechtsfolgen in einzelnen<br />

gesetzlichen Regelungen müssen keineswegs<br />

Ausdruck eines unterschiedlichen<br />

Grundrechtsstatus hinsichtlich diverser<br />

vorgeburtlicher Entwicklungsstadien des<br />

56<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

Menschen sein. Vor allem lässt sich aus widersprüchlichen<br />

Regelungen im einfachen<br />

Recht kein Schluss auf die grundrechtliche<br />

Schutzwürdigkeit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)<br />

ziehen.Neidert erkennt selbst <strong>an</strong>,dass dort,<br />

wo Widersprüche zu <strong>an</strong>deren Gesetzen<br />

oder zum Verfassungsrecht bestehen, „erforderlichenfalls<br />

durch Gesetzesänderung“<br />

Widerspruchsfreiheit herzustellen sei. In<br />

welche Richtung die Gesetzesänderungen<br />

gehen müssten, k<strong>an</strong>n sich nicht aus dem<br />

einfachen Recht, sondern nur aus einer<br />

Orientierung am Verfassungsrecht ergeben.<br />

Ein abgestuftes Lebensrecht lässt sich<br />

aus der Verfassung nicht begründen. Das<br />

Bundesverfassungsgericht hat vielmehr<br />

entschieden, dass „die von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> im<br />

menschlichen Sein <strong>an</strong>gelegten potenziellen<br />

Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde<br />

zu begründen“. „Liegt die Würde<br />

des Menschseins auch für das ungeborene<br />

Leben im Dasein um seiner selbst willen,<br />

verbieten sich jegliche Differenzierungen<br />

der Schutzverpflichtung mit Blick auf Alter<br />

und Entwicklungsst<strong>an</strong>d dieses Lebens.“<br />

Der menschliche Embryo hat daher auch<br />

im Frühstadium seiner Entwicklung vor der<br />

Nidation Anteil am Schutz der Menschenwürde<br />

und des Rechts auf Leben und darf<br />

im Rahmen der PGD nicht zur Disposition<br />

gestellt werden.<br />

Neidert gibt letztlich nur vor, eine<br />

„vermittelnde Lösung“ <strong>an</strong>zubieten. Der<br />

von ihm favorisierte gradualistische Ansatz<br />

endet schlicht in einer Befürwortung<br />

der PGD. Dies stellt keine „mittlere“ Position<br />

dar – auch nicht, wenn die PGD nur<br />

unter einschränkenden Bedingungen zugelassen<br />

werden soll. Zwischen Leben<br />

und Tod gibt es keine Mitte. Diejenigen<br />

<strong>Embryonen</strong>, die im Rahmen der PGD<br />

„aussortiert“ werden, bleiben nicht in einem<br />

Zwischenstadium hängen, sondern<br />

sterben ab. Das ist dem Verfahren imm<strong>an</strong>ent<br />

und wird von allen Beteiligten von<br />

vornherein einkalkuliert.<br />

Wenn – wie Neidert es vorschlägt –<br />

„Selbstver<strong>an</strong>twortung und -entscheidung<br />

der Frau“ umso mehr Berücksichtigung<br />

verdienen, „je früher der Embryo in seiner<br />

Entwicklung steht“, d<strong>an</strong>n sind nennenswerte<br />

Restriktionen im Umg<strong>an</strong>g mit<br />

<strong>Embryonen</strong> überhaupt nicht begründbar.<br />

D<strong>an</strong>n müssen sie nicht nur für das<br />

vermeintliche „Recht auf ein gesundes<br />

Kind“, sondern auch für <strong>an</strong>dere, sicherlich<br />

„hochwertige“ Interessen in <strong>Forschung</strong><br />

und Therapie geopfert werden.<br />

Die Entscheidung über die Zulassung der<br />

Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik ist daher ei-<br />

ne Grundsatzentscheidung mit kaum absehbaren<br />

Auswirkungen für den weiteren<br />

Umg<strong>an</strong>g mit dem menschlichen Leben.<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Rainer Beckm<strong>an</strong>n<br />

Richter am Amtsgericht, Mitglied der<br />

Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages<br />

„Recht und Ethik der modernen Medizin“<br />

Friedenstraße 3 a, 97318 Kitzingen<br />

Schlusswort<br />

Vier Leserzuschriften, eine eher pro, die<br />

<strong>an</strong>deren kontra; drei echte Leserbriefe,<br />

ein Gegen-Aufsatz von über fünf Spalten<br />

– was lässt sich darauf „kurz“ <strong>an</strong>tworten?<br />

Nun denn: Ich gäbe eine vermittelnde Lösung<br />

nur vor (Mikolajczyk, Beckm<strong>an</strong>n).<br />

Gewiss vermittle ich nicht zwischen Ja<br />

und Nein zur <strong>PID</strong>,wohl aber zwischen den<br />

Extremen „volles Lebensrecht ab Zeugung“<br />

und „erst ab Geburt“. – Dass Haasis<br />

nicht einmal Potenzialität gelten lassen<br />

will, entzieht seiner eigenen Position<br />

„Leben von Anbeginn“ den Boden;<br />

<strong>PID</strong>-Gegner stützen sich sonst gerade<br />

darauf. – Die „Logik des Wachsens“<br />

überschreite die Grenze der Geburt<br />

(Beckm<strong>an</strong>n). Ich begründe das gewachsene<br />

Schutzbedürfnis des Fetus mit<br />

Schmerzempfindung und Lebensfähigkeit<br />

(etwa 20 Wochen vor der Geburt!)<br />

und fordere ein strengeres Abtreibungsrecht<br />

zugunsten reifer Feten. – „Unbewusste<br />

Schmerzempfindung“ (dies zu<br />

Scholtz) ist ein sinnvoller Begriff, den der<br />

in Fußnote 14 zitierte Wissenschaftliche<br />

Beirat der BÄK verwendet.<br />

Letztlich geht es mir um Konsequenz<br />

und Ehrlichkeit <strong>an</strong>gesichts unseres (auch<br />

vom BVerfG gebilligten) Abtreibungsrechts.<br />

„Menschenwürde“ wird zur Phrase,<br />

wenn m<strong>an</strong> sie für <strong>Embryonen</strong> in vitro<br />

fordert, aber in vivo über 130 000 Abbrüche<br />

im Jahr zulässt. Da wünschte ich<br />

mir mehr Einsatz für Leben und Würde<br />

lebensfähiger Feten und gegen die Barbarei<br />

der Spätabtreibungen – auch dies ist<br />

meine Konsequenz zunehmenden Lebensrechts!<br />

Dr. jur. Rudolf Neidert<br />

Herrengarten 15<br />

53343 Wachtberg

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