Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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lem aber durch Drücken, Stechen,<br />
Kneifen, durch Einspülen von Eiswasser<br />
in die Gehörgänge oder Reizung des<br />
Atemzentrums mit Kohlendioxyd soll<br />
bestätigt werden, dass der Körper nicht<br />
mehr in signifik<strong>an</strong>ter Weise reagiert.<br />
Fällt der Test positiv aus, erklärt m<strong>an</strong><br />
den Patienten für hirntot und gibt ihn<br />
zur Expl<strong>an</strong>tation frei.<br />
Für die Org<strong>an</strong>entnahme wird der<br />
Körper in vielen Fällen vom Brust- bis<br />
zum Schambein aufgeschnitten wie ein<br />
Kadaver, den m<strong>an</strong> nach Belieben ausweiden<br />
k<strong>an</strong>n. Auf diese Prozedur reagiert<br />
der „tote“ Leib aber durch Ansteigen<br />
des Blutdrucks, Hautrötung,<br />
Schwitzen und Muskelkontraktionen.<br />
Dagegen werden Betäubungsmittel<br />
und muskelentsp<strong>an</strong>nende Pharmaka<br />
verabreicht, die die Restaktivität des<br />
Körpers unterdrücken. Da aber gar<strong>an</strong>tiert<br />
sein muss, dass die Org<strong>an</strong>e frisch<br />
bleiben, wird <strong>an</strong>dererseits der Kreislauf<br />
medikamentös unterstützt, damit der<br />
Körper weiterhin seinen Dienst tun<br />
k<strong>an</strong>n. Hirntoddiagnostik und Org<strong>an</strong>expl<strong>an</strong>tation<br />
schaffen also eine Sphäre<br />
zwischen Leben und Tod: Die Akteure<br />
müssen von dem, was sie sehen, abstrahieren<br />
und sich sagen, dass der Patient<br />
nichts mehr empfindet. Bevor sie expl<strong>an</strong>tieren<br />
können, müssen sie sich und<br />
<strong>an</strong>deren dies bestätigen, indem sie die<br />
Leiblichkeit desselben Patienten vehement<br />
stimulieren, <strong>an</strong>statt ihm, der doch<br />
„tot“ ist, seine Ruhe zu lassen.<br />
Entfesselte Dynamik einer<br />
<strong>an</strong>onymen Technologie<br />
Die bereits existierenden, zu erwartenden<br />
oder auch nur mutmaßlichen<br />
Neuerungen der Biomedizin drohen<br />
das menschliche Selbstverständnis und<br />
die menschlichen Lebensweisen radikal<br />
zu verändern. Das meiste, was offiziell<br />
als „Politik“ gilt, erscheint dagegen<br />
relativ bedeutungslos. Medizintechnologische<br />
Innovationen werden<br />
fast immer weitgehend unbemerkt von<br />
der Öffentlichkeit in den wissenschaftlichen<br />
Labors entwickelt. Wenn sie<br />
d<strong>an</strong>n plötzlich zum Gegenst<strong>an</strong>d einer<br />
hektischen und geradezu wuchernden<br />
Erörterung werden, geraten die Dispute<br />
über Präferenzen und Befürchtungen<br />
häufig eher diffus. Die moderne<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
Medizin erscheint in den Augen ihrer<br />
Kritiker als „Biomacht“, die die Patienten<br />
erbarmungslos der eigenen Funktionslogik<br />
unterwirft. Diese werde durch<br />
unterschiedlichste Faktoren bestimmt:<br />
den Zw<strong>an</strong>g zur optimalen Anpassung<br />
der Menschen <strong>an</strong> soziale Erfordernisse,<br />
die entfesselte Dynamik einer <strong>an</strong>onymen<br />
Technologie sowie die Profit- und<br />
Profilierungsinteressen von Wissenschaftlern,<br />
Ärzten und des medizinisch-industriellen<br />
Komplexes. Das alles<br />
forciere den „Fortschritt“ und degradiere<br />
den Einzelnen zum bloßen<br />
Opfer, dessen Wünsche und Bedürfnisse<br />
keinerlei Berücksichtigung mehr finden<br />
würden.<br />
Dieses gerade in Deutschl<strong>an</strong>d so verbreitete,<br />
mit herrschaftskritischem Furor<br />
und mit allen Mitteln politischer<br />
Rhetorik beschworene Szenario einer<br />
menschenfeindlichen Medizin sieht sich<br />
notorisch mit dem Einw<strong>an</strong>d konfrontiert,<br />
dass viele therapeutische Neuerungen<br />
sehr wohl für sich in Anspruch<br />
nehmen können, den Interessen und<br />
Hoffnungen g<strong>an</strong>z bestimmter Patienten<br />
zu dienen. Der Verweis, dass Institutionen<br />
und Technologien die Autonomie<br />
und das Wohlergehen von Individuen<br />
bedrohen, ignoriert häufig mit frappierender<br />
Hartnäckigkeit, welche Bedeutung<br />
dem Heilungs- oder Präventionswunsch<br />
konkreter Personen für die Legitimierung<br />
selbst risk<strong>an</strong>ter oder<br />
ethisch fragwürdiger wissenschaftlicher<br />
und therapeutischer Bemühungen zukommt.<br />
In säkularisierten Gesellschaften<br />
gilt die Gesundheit des Einzelnen als<br />
weithin <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nter und hoch ver<strong>an</strong>schlagter<br />
Wert. Einwände, die den<br />
medizinischen Fortschritt infrage stellen,<br />
sind dagegen meistens machtlos.<br />
Gemeinwesen, die sich verfassungsgemäß<br />
als Sozialstaaten verstehen, ist<br />
ja das g<strong>an</strong>z elementare, gerade auch<br />
physische Wohlergehen ihrer Bürger<br />
glücklicherweise nicht gleichgültig. In<br />
solch einem sozialen Rahmen muss das<br />
Heilsversprechen der Medizin auf<br />
fruchtbaren Boden fallen. Gewiss, die<br />
frohe Botschaft der Fortschrittslobbyisten<br />
wird häufig geradezu milit<strong>an</strong>t<br />
verbreitet. Was sich <strong>an</strong> ernstlichen<br />
Warnungen selbst dem nur vagen Versprechen<br />
auf therapeutische Errungenschaften<br />
in den Weg stellt, wird<br />
förmlich niedergewalzt mit dem forschen<br />
Verweis, dass Recht hat, wer heilt<br />
oder das Heilen – eventuell – befördert.<br />
Die berechtigte Kritik <strong>an</strong> einem<br />
solchen Fortschrittsfuror sollte aber<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, in welchem<br />
Maße dieser mit der Akzept<strong>an</strong>z<br />
der – meist schweigenden – Mehrheit<br />
rechnen k<strong>an</strong>n.<br />
Hinter der Vorstellung, Wunschkinder<br />
„fabrizieren“, Fortpfl<strong>an</strong>zung „m<strong>an</strong>agen“<br />
und auch das Sterben souverän<br />
„beherrschen“ zu können, verbergen<br />
sich Extremvisionen persönlicher Autonomie.<br />
Daraus werden Forderungen<br />
abgeleitet, die sich mitunter nicht nur<br />
als ethisch fragwürdig, sondern schlicht<br />
als unrealistisch erweisen. Als wäre die<br />
Verfügungsmacht, die der biomedizinische<br />
Komplex bereitstellt, nicht schon<br />
eindrucksvoll genug, wird in verzerrender<br />
Weise die Kontrollierbarkeit<br />
kreatürlicher Prozesse <strong>an</strong>gepriesen –<br />
und unterschlagen, dass spont<strong>an</strong>e, nicht<br />
voraussehbare und deshalb nicht kalkulierbare<br />
physische und psychische<br />
Ereignisse sich zweifellos auch weiterhin<br />
geltend machen. M<strong>an</strong> mag das bedauern<br />
oder erleichtert konstatieren –<br />
es zu ignorieren k<strong>an</strong>n jedoch zur Folge<br />
haben, dass das proklamierte Prinzip<br />
der Selbstbestimmung krass verletzt<br />
und den Einzelnen Gewalt <strong>an</strong>get<strong>an</strong><br />
wird.<br />
M<strong>an</strong> darf sich nichts vormachen: Darüber,ob<br />
eine therapeutische Maßnahme<br />
der Selbstbestimmung des Einzelnen<br />
förderlich ist oder nicht, lässt sich selten<br />
Einigkeit erzielen. Kontrovers sind<br />
Möglichkeiten der Biomedizin häufig<br />
vor allem deshalb, weil die Meinungen<br />
ausein<strong>an</strong>der gehen, was unter Autonomie<br />
überhaupt zu verstehen ist. Was<br />
heißt es, selbstbestimmt zu leben, und<br />
was heißt es, selbstbestimmt zu sterben?<br />
Die Antworten stehen sich allerdings<br />
nicht in abstrakter, säuberlich ausbuchstabierter<br />
Form gegenüber. Umstritten<br />
sind zumeist Situationsdeutungen: Beim<br />
Disput darüber, welche neuen diagnostischen,<br />
prognostischen und therapeutischen<br />
Verfahren zulässig und erwünscht<br />
sind, versuchen die Kontrahenten<br />
jene Ch<strong>an</strong>cen und Risiken möglichst<br />
<strong>an</strong>schaulich zu vergegenwärtigen, die<br />
für die Patienten mit dem Einsatz solcher<br />
Verfahren einhergehen. Der Hum<strong>an</strong>genetiker,<br />
der die Präimpl<strong>an</strong>tati-<br />
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