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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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Heft 39, 27. September 2002<br />

Stammzellforschung<br />

Novartis ist ein Konzern mit weltweit<br />

rund 3 000 <strong>an</strong>gestellten Wissenschaftlern,<br />

die in Ländern<br />

mit unterschiedlichsten – oder fehlenden<br />

– Gesetzgebungen zur embryonalen<br />

Stammzellforschung tätig sind. Das<br />

Unternehmen sah deshalb die Notwendigkeit,<br />

Richtlinien zu erarbeiten, die<br />

nicht vorh<strong>an</strong>dene staatliche Regelungen<br />

ersetzen können und gegen bestehende<br />

Gesetze nicht verstoßen.<br />

Um die Entscheidungsfindung tr<strong>an</strong>sparent<br />

zu machen, lud der Konzern Ende<br />

August Theologen, Politiker und<br />

Journalisten zu einer Diskussionsver<strong>an</strong>staltung<br />

nach Neuchâtel (Schweiz) ein.<br />

In der Schweiz wird derzeit vom Bundesrat<br />

ein Gesetzentwurf zur <strong>Forschung</strong><br />

<strong>an</strong> überzähligen <strong>Embryonen</strong> und embryonalen<br />

Stammzellen vorbereitet.<br />

D<strong>an</strong>ach soll therapeutisches Klonen<br />

verboten werden. Die <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong><br />

überzähligen <strong>Embryonen</strong> ist jedoch erlaubt,<br />

und <strong>an</strong>ders als in Deutschl<strong>an</strong>d<br />

gibt es keine Stichtagsregelung. Prof.<br />

Paul L. Herrling, <strong>Forschung</strong>sleiter der<br />

Novartis Pharma AG, begrüßte diesen<br />

Entwurf. Seiner Ansicht nach ist die<br />

Stammzellforschung ein „viel versprechendes<br />

Gebiet mit Therapiemöglichkeiten<br />

für viele zurzeit unlösbare medizinische<br />

Fragestellungen“. Doch weil<br />

<strong>Forschung</strong> der Gesetzgebung in den<br />

meisten Fällen vorauseile, „mussten wir<br />

uns selber Schr<strong>an</strong>ken auferlegen“.<br />

Den Richtlinien zufolge sollen hum<strong>an</strong>e<br />

embryonale Stammzellen nur<br />

aus überzähligen In-vitro-Fertilisations-<br />

<strong>Embryonen</strong> oder von primordialen<br />

Keimzellen aus abortierten Föten verwendet<br />

werden. Das therapeutische<br />

Klonen ist nach diesen Richtlinien un-<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

Pharmaunternehmen:<br />

Eigene Richtlinien<br />

Theologen, Politiker und Journalisten diskutierten<br />

unter <strong>an</strong>derem mit Vertretern des Pharmaunternehmens<br />

Novartis darüber, ob <strong>Forschung</strong> mit <strong>Embryonen</strong><br />

eine Verletzung der Menschenwürde darstellt.<br />

zulässig. „Die Verwendung überzähliger<br />

<strong>Embryonen</strong> setzt das Einverständnis<br />

der Eltern oder der Mutter voraus“, sagte<br />

Herrling. Die <strong>Forschung</strong> <strong>an</strong> Zellen<br />

aus abortierten Föten sei nur d<strong>an</strong>n<br />

zulässig, wenn der Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch<br />

aus Gründen vorgenommen wurde,<br />

die in keinerlei Zusammenh<strong>an</strong>g mit<br />

dem <strong>Forschung</strong>svorhaben stehen. Jeder<br />

H<strong>an</strong>del mit <strong>Embryonen</strong> sei unzulässig.<br />

Alle <strong>Forschung</strong>sprojekte mit hum<strong>an</strong>en<br />

Stammzellen müssten von der <strong>Forschung</strong>sleitung<br />

unter Einbeziehung des<br />

Votums vom Novartis-Ethikrat bewilligt<br />

werden.<br />

Dass diese Richtlinien ebenso wie<br />

der Schweizer Gesetzentwurf nicht<br />

unwidersprochen bleiben, wurde auf<br />

der Diskussionsver<strong>an</strong>staltung deutlich.<br />

Schließlich scheiden sich nach wie vor<br />

die Geister <strong>an</strong> der Frage, ob <strong>Forschung</strong><br />

<strong>an</strong> embryonalen Stammzellen nicht<br />

grundsätzlich eine Verletzung der Menschenwürde<br />

darstellt. Mit dieser Frage<br />

beschäftigte sich auch der Vorsitzende<br />

des Ethikrates von Novartis, der Züricher<br />

Theologe und Philosoph Prof. Dr.<br />

H<strong>an</strong>s-Peter Schreiber. Seiner Auffassung<br />

nach ist zwar die Menschenwürde<br />

un<strong>an</strong>tastbar, nicht aber der Lebensschutz.<br />

Der Schweizer Gesetzentwurf<br />

basiere auf dem „in unserer Gesellschaft<br />

moralisch ver<strong>an</strong>kerten differenzierten<br />

Schutzmodell, demzufolge<br />

frühe Entwicklungsformen menschlichen<br />

Lebens weder einen rechtspersonalen<br />

Status noch einen absoluten<br />

Rechts<strong>an</strong>spruch auf Leben haben“.<br />

Einen völlig <strong>an</strong>deren St<strong>an</strong>dpunkt<br />

vertritt dagegen der katholische Baseler<br />

Bischof Dr. Kurt Koch. Christliche<br />

Ethik gehe davon aus, dass vom Zeit-<br />

punkt der Befruchtung <strong>an</strong> menschliches<br />

Leben gegeben sei, das sich fort<strong>an</strong> kontinuierlich<br />

weiterentwickele. Dieser<br />

Ausg<strong>an</strong>gspunkt der ethischen Reflexion<br />

entspreche auch dem derzeitigen<br />

Wissensst<strong>an</strong>d der modernen Entwicklungsbiologie.<br />

Koch: „Auf diese Erkenntnisse<br />

k<strong>an</strong>n sich die heute weit verbreitete<br />

These einer nicht von Anf<strong>an</strong>g<br />

<strong>an</strong> gegebenen, sondern erst graduell<br />

einsetzenden Schutzwürdigkeit des embryonalen<br />

Lebens nicht abstützen.“<br />

Diese Ansicht wird auch von Schweizer<br />

Politikern geteilt. „Bei der embryonalen<br />

Stammzellforschung geht es um reine<br />

Zweckentfremdung“, sagte Nationalrätin<br />

Ursula Wyss. Selbst eine <strong>Forschung</strong><br />

<strong>an</strong> überzähligen <strong>Embryonen</strong> bedeutet<br />

für Koch einen Verstoß gegen<br />

die Menschenwürde: „Ethisch ist es, sie<br />

sterben zu lassen und nicht für <strong>Forschung</strong>szwecke<br />

zu instrumentalisieren.“<br />

Und schließlich fragte er: „Darf<br />

m<strong>an</strong> <strong>an</strong>gesichts des großen Elends<br />

und der erschreckenden Ungerechtigkeit<br />

in der Welt so viel Geld in die<br />

Stammzellen- und <strong>Embryonen</strong>forschung<br />

stecken, die nur sehr unsichere<br />

Erfolgsaussichten hat und von der,<br />

wenn sie Erfolg hat, nur Menschen in<br />

den reichsten Industrienationen profitieren<br />

werden?“ Gisela Klinkhammer<br />

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