Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...
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inen Lebensfähigkeit des Nasciturus<br />
hinaus bis – theoretisch – zur Geburt.<br />
D<strong>an</strong>n, mit dem Ende der für das Ungeborene<br />
so lebensgefährlichen Zeit der<br />
Schw<strong>an</strong>gerschaft, macht die Rechtsordnung<br />
gleichsam einen Sprung: „Die<br />
Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt<br />
mit Vollendung der Geburt“ (§ 1 BGB);<br />
und zugleich gewährt das StGB dem<br />
nunmehr geborenen Menschen mit seinen<br />
Tötungsparagraphen 211 und 212<br />
vollen Lebensschutz.<br />
Ansätze einer vermittelnden<br />
Lösung<br />
Sowohl die medizinischen als auch die<br />
rechtlichen Gegebenheiten lassen –<br />
trotz gravierender Inkonsequenzen der<br />
Gesetzeslage – in etwa eine gemeinsame<br />
Linie erkennen, <strong>an</strong> der eine <strong>an</strong> der<br />
Empirie orientierte und von ihr legitimierte<br />
Lösung der PGD-Frage <strong>an</strong>setzen<br />
k<strong>an</strong>n.<br />
Die Embryonal- und Fetalentwicklung<br />
zeigt sich als „stufenloses Kontinuum“<br />
(14); signifik<strong>an</strong>te Entwicklungsschritte<br />
k<strong>an</strong>n nur die ethische Bewertung<br />
des empirischen Substrats<br />
festmachen. Hervorzuheben ist die bewusste<br />
Schmerzempfindung; es ist ja<br />
gerade dieser erste Ausdruck einer<br />
leib-seelischen Einheit, wor<strong>an</strong> ethischrechtlich<br />
eine erhöhte Schutzbedürftigkeit<br />
von Embryo und Fetus <strong>an</strong>zuknüpfen<br />
haben. Schließlich sind es die potenzielle<br />
Lebensfähigkeit außerhalb<br />
des mütterlichen Körpers und als Abschluss<br />
dieser Entwicklung die Geburt.<br />
Über den Beginn embryonalen Lebens<br />
sollte Konsens herrschen: die Entstehung<br />
eines genetisch neuen Individuums<br />
mit Verschmelzung von Ei- und<br />
Samenzelle – zwar erst potenzielles Leben<br />
als Mensch, aber kontinuierlich<br />
wachsendes Leben, bis dieses sich vollem<br />
menschlichen Leben vor der Geburt<br />
<strong>an</strong>genähert und mit dieser vollendet<br />
hat (15).<br />
Die vergleichbare Linie des geltenden<br />
Rechtes verläuft ebenfalls im Sinne<br />
wachsenden Schutzes, allerdings in groben<br />
Stufen: widersprüchlich in der ersten<br />
Stufe von der Befruchtung bis zur<br />
Einnistung: verfassungsrechtlich volles<br />
menschliches Leben, einfachgesetzlich<br />
nur im „Ausnahmefall“ (in vitro) ge-<br />
52<br />
D O K U M E N T A T I O N<br />
schützt. Als zweite, große Stufe folgt<br />
d<strong>an</strong>n die frühe Schw<strong>an</strong>gerschaftszeit<br />
von der Nidation bis zur zwölften Woche:<br />
mit dem fragilen Schutz des Embryos<br />
durch das Beratungskonzept des<br />
Bundesverfassungsgerichts. Ab der 1<strong>3.</strong><br />
Woche p. c. (dritte Stufe) schränkt das<br />
Gesetz die Abbruchmöglichkeit auf die<br />
ungleich strengere medizinische Indikation<br />
ein.<br />
Mag sich übrigens das Verfassungsgerichtsurteil<br />
von 1993 im Sinne von<br />
Menschenwürde und Lebensschutz<br />
noch so kategorisch lesen – letztlich<br />
rechtfertigt es die Beratungslösung – eine<br />
„Quasi-Freigabe“ embryonalen Lebens.<br />
Dahinter verbirgt sich, dass das<br />
Gericht ungeborenes Leben mitnichten<br />
als absolutes Rechtsgut (wie die Menschenwürde)<br />
begreift, das keiner Güterabwägung<br />
fähig wäre; vielmehr lässt<br />
es in der Zwölf-Wochen-Frist dessen<br />
fast völlige Verdrängung durch das Entscheidungrecht<br />
der Frau zu, setzt bezeichnenderweise<br />
aber für die Zeit d<strong>an</strong>ach<br />
durch die medizinische Indikation<br />
höhere Anforderungen <strong>an</strong> eine Abwägung<br />
zulasten des Nasciturus. Kurzum:<br />
Gesetz und Rechtsprechung <strong>an</strong>erkennen<br />
tatsächlich, wenn auch zum Teil uneingest<strong>an</strong>den,<br />
die Notwendigkeit eines<br />
höheren Rechtsschutzes bei höherem<br />
Alter des Ungeborenen (16).<br />
In den konkreten Vorschriften, die<br />
für ungeborenes Leben gelten, drückt<br />
sich der ethische und rechtliche Status<br />
aus, der im geltenden Recht dem Embryo<br />
beziehungsweise Fetus zugebilligt<br />
wird. Wo dieses gesetzliche Recht Widersprüche<br />
in sich oder zum Verfassungsrecht<br />
aufweist, ist durch Auslegung,<br />
erforderlichenfalls durch Gesetzesänderung,<br />
Widerspruchsfreiheit herzustellen:<br />
orientiert am Prinzip der Einheit<br />
unserer Rechtsordnung. In der<br />
Phase zwischen Zeugung und Einnistung<br />
lässt sich die Diskrep<strong>an</strong>z zwischen<br />
dem Schutz des natürlich und des<br />
„künstlich“ gezeugten Embryos nur<br />
zum Teil durch dessen in vitro höhere<br />
Verletzlichkeit erklären – rechtfertigen<br />
lässt sie sich nicht, geht es doch hier wie<br />
dort um dasselbe embryonale Leben.<br />
Der verbleibende Widerspruch zeigt<br />
nur allzu deutlich die im rechtlichen<br />
Kontext schwer zu integrierende<br />
Schutzhöhe künstlich gezeugten Lebens<br />
bis zur Nidation. Gemessen <strong>an</strong><br />
dem hehren verfassungsgerichtlichen<br />
Prinzip einer Gleichwertigkeit ungeborenen<br />
und geborenen Lebens (17),<br />
klafft allerdings die Schere zwischen<br />
dem Lebensschutzpostulat und dem –<br />
trotz Schutzkonzept – schwachen<br />
Schutz durch die Beratungsregelung<br />
(ab der Nidation) empfindlich ausein<strong>an</strong>der.<br />
Immerhin soll der Abbruch in<br />
dieser Zeit von der Rechtsordnung missbilligt<br />
sein und lediglich straflos bleiben<br />
– <strong>an</strong>ders als der vom Gesetz für „nicht<br />
rechtswidrig“ erklärte Abbruch aus medizinischer<br />
Indikation, die nach den ersten<br />
zwölf Wochen praktisch allein zum<br />
Tragen kommt.<br />
Mit der extrauterinen Lebensfähigkeit<br />
des Nasciturus ist d<strong>an</strong>n der<br />
„Durchbruch“ in der Entwicklung ungeborenen<br />
Lebens erreicht, dem höchste<br />
Rechtserheblichkeit zukommt. Eine<br />
Erstreckung der Indikation des § 218 a<br />
Abs. 2 – eigentlich einer medizinisch-sozialen<br />
– auf diese Endphase des Ungeborenen<br />
als eines selbstständig Lebensfähigen<br />
verträgt sich schlechterdings<br />
nicht mit dem hier vertretenen und empirisch<br />
belegten, auf ein volles<br />
Menschsein hin wachsenden Leben<br />
des Embryos und Fetus. In dieser „vierten<br />
Stufe“ müsste deshalb dem Lebensrecht<br />
des Ungeborenen vergleichbares<br />
Gewicht wie der Rechtsposition der<br />
Schw<strong>an</strong>geren beigemessen werden – zu<br />
realisieren nur durch eine Einschränkung<br />
des § 218 a Abs. 2 (18). Ohne<br />
einen „zeitlichen Sicherheitsabst<strong>an</strong>d“<br />
zwischen der medizinischen Indikation,<br />
die eine Tötung des Ungeborenen<br />
rechtfertigt, und dem Tötungsverbot<br />
des Strafgesetzbuchs ab der Geburt<br />
würde die innere Akzept<strong>an</strong>z eben dieses<br />
Verbotes unterhöhlt.<br />
Zusammengefasst bedeutet der<br />
skizzierte Lösungs<strong>an</strong>satz Folgendes:<br />
grundsätzliches Lebensrecht des Embryos<br />
ab der Befruchtung mit Rücksicht<br />
auf seine Möglichkeit, Mensch zu werden<br />
(Potenzialität), jedoch zwischen<br />
Zeugung und Geburt ein entwicklungsbedingtes<br />
Her<strong>an</strong>wachsen aus rudimentären<br />
Anfängen bis zum sich auf die<br />
Geburt hin vollendenden Rechtsstatus<br />
– ein zwischen den Extrempositionen<br />
vermittelndes Konzept. Selbstver<strong>an</strong>twortung<br />
und -entscheidung der Frau<br />
verdienen umso mehr Berücksichtigung,<br />
je früher der Embryo in seiner