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Dokumentation PID, PND, Forschung an Embryonen - 3., erweiterte ...

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auf besinnen, was originäre Aufgabe des Arztes ist.<br />

Darüber haben wir gerade bei der Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

in der Ärzteschaft eine intensive<br />

Diskussion geführt. Und ich bin dem Chefredakteur<br />

des Deutschen Ärzteblattes, Herrn Jachertz, außerordentlich<br />

d<strong>an</strong>kbar, dass er in einer umf<strong>an</strong>greichen<br />

<strong>Dokumentation</strong> die verschiedenen Meinungsbeiträge<br />

für uns zusammengefasst hat.<br />

Unser grundlegendes Problem in der Bewertung<br />

neuester Medizintechniken liegt in ihrem offensichtlichen<br />

Wertewiderspruch. Einerseits versprechen sie<br />

bisher unheilbare Kr<strong>an</strong>kheiten zu heilen oder zu verhindern,zum<br />

<strong>an</strong>deren aber drohen wir in die Selektion<br />

oder Verwertung menschlichen Lebens zu geraten.<br />

Auch der Gesetzgeber k<strong>an</strong>n längst nicht mehr<br />

Schritt halten mit medizinischem Fortschritt. So regelt<br />

das <strong>Embryonen</strong>schutzgesetz von 1990 zwar<br />

den Umg<strong>an</strong>g mit befruchteten Eizellen und <strong>Embryonen</strong><br />

bis zur Nidation. Inwieweit aber die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

– oder auch <strong>PID</strong> – mit diesem Gesetz<br />

vereinbar ist, ist nach wie vor umstritten.<br />

Mit dem „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie<br />

zur Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik“ vom Februar verg<strong>an</strong>genen<br />

Jahres, in dem die Zulassungskriterien<br />

äußerst restriktiv gefasst sind, haben wir den öffentlichen<br />

Diskurs zu diesem Thema gefordert, ja regelrecht<br />

provoziert. Wir wollten Problembewusstsein<br />

schärfen, und es sollte niem<strong>an</strong>d mehr sagen<br />

können, er habe nicht gewusst, um was es geht.<br />

Dafür sind wir auch gescholten worden.<br />

Aber es bleibt dabei, was auch Bundespräsident<br />

Joh<strong>an</strong>nes Rau in seiner jüngsten, bemerkenswerten<br />

Berliner Rede <strong>an</strong>gemerkt hat:<br />

„Nachdenken k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> nur, wenn zwischen<br />

Entdeckung und Anwendung Zeit bleibt, wenn wir<br />

die möglichen Folgen bedenken können, bevor sie<br />

eingetreten sind.“ Zitatende<br />

Ich darf noch einmal dar<strong>an</strong> erinnern: Durch die<br />

ras<strong>an</strong>te Entwicklung im Bereich der Fortpfl<strong>an</strong>zungsmedizin<br />

ist es in den verg<strong>an</strong>genen Jahren möglich<br />

geworden, einen Embryo außerhalb des Mutterleibes<br />

zu erzeugen und bereits in den ersten Tagen<br />

nach der Befruchtung auf bestimmte genetische Belastungen<br />

oder Chromosomenstörungen zu untersuchen.<br />

Nach einer solchen Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

k<strong>an</strong>n entschieden werden, ob eine Einnistung<br />

erfolgen oder ob der Embryo dem Absterben<br />

<strong>an</strong>heim gegeben werden soll.<br />

<strong>PID</strong> ermöglicht es erblich schwer belasteten Paaren<br />

mit Kinderwunsch, auf eine so gen<strong>an</strong>nte<br />

„Schw<strong>an</strong>gerschaft auf Probe“, also auf Postnidationsdiagnostik<br />

beziehungsweise Pränataldiagnostik<br />

mit der möglichen Konsequenz eines Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs,<br />

zu verzichten. In elf Ländern<br />

der Europäischen Union ist die <strong>PID</strong> erlaubt, in drei<br />

Ländern ausdrücklich verboten, in Deutschl<strong>an</strong>d bisher<br />

umstritten – und das zu Recht.<br />

Denn allein schon aufgrund von Gesetzgebung<br />

D O K U M E N T A T I O N<br />

und Rechtsprechung ist der Mensch bei uns in seiner<br />

Entwicklung vom befruchteten Ei bis zum Greis<br />

unterschiedlich geschützt:<br />

1. Der Keim, also das in Teilung befindliche befruchtete<br />

Ei im Reagenzglas, ist de jure und zugleich<br />

de facto geschützt.<br />

2. Der Embryo im Mutterleib ist zwar de jure geschützt,<br />

de facto aber nicht:<br />

a) vor der Nidation durch die Spirale oder die<br />

Pille d<strong>an</strong>ach als Mittel der Einnistungsverhütung –<br />

das heißt ohne konkrete Konfliktsituation Frau/Kind<br />

b) nach der Nidation wegen der Möglichkeit des<br />

Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs wegen eines Konfliktes<br />

Frau/Kind bis zur 12. Schw<strong>an</strong>gerschaftswoche<br />

c) während der gesamten Schw<strong>an</strong>gerschaftsdauer<br />

bei so gen<strong>an</strong>nter medizinischer Indikation<br />

(nach Pränataldiagnostik) bis zum Geburtsbeginn<br />

<strong>3.</strong> Sonderfall: Ein Kind, das den Schw<strong>an</strong>gerschaftsabbruch<br />

überlebt hat, ist de jure und de facto<br />

geschützt – trotz des Konfliktes Frau/Kind.<br />

Schlussfolgerung: Eine völlig inkonsistente<br />

Rechtslage, die auch der Verfassung nicht entsprechen<br />

k<strong>an</strong>n.<br />

Eine unerträgliche Situation für unsere Gynäkologen<br />

und Perinatalärzte!<br />

Darüber hinaus sind weitere wichtige Fragen ungeklärt:<br />

❃ Wie lässt sich gewährleisten, dass der Embryo<br />

nur auf die genetischen Belastungen oder Chromosomenstörungen<br />

der Eltern untersucht wird?<br />

❃ Ist es sicher auszuschließen, dass die Entnahme<br />

einer Zelle zur Diagnostik wirklich keine Schädigung<br />

des „Rest“-Embryos zur Folge hat?<br />

❃ Darf ein künstlich gezeugter Embryo im Reagenzglas<br />

nicht untersucht werden, während ein Embryo<br />

im Mutterleib jederzeit untersucht werden darf?<br />

❃ Und schließlich: Lässt sich die Möglichkeit eines<br />

Spätschw<strong>an</strong>gerschaftsabbruchs nach Pränataldiagnostik<br />

mit einem Verbot der <strong>PID</strong> widerspruchsfrei<br />

vereinbaren?<br />

Wie wird denn schon jetzt im Rahmen einer IvF-<br />

Beh<strong>an</strong>dlung mit <strong>Embryonen</strong> verfahren, die als schadhaft<br />

gelten oder infiziert sind? M<strong>an</strong> lässt sie sterben.<br />

Ich persönlich sehe die Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

von ihrer Intention her genauso wie die Pränataldiagnostik<br />

primär nicht als selektive Methode,<br />

sondern als eine Möglichkeit, erbbelasteten Eltern<br />

zu einem gesunden Kind zu verhelfen. M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n<br />

das ablehnen und Paaren mit einer schweren erblichen<br />

Belastung empfehlen, auf Kinder zu verzichten.<br />

Das wäre uneingeschränkt auch meine Präferenz.<br />

Und ich stimme dem Bundespräsidenten uneingeschränkt<br />

zu in seiner Feststellung:<br />

„Wenn es die Möglichkeit gibt, Kinder künstlich<br />

zu erzeugen oder die genetischen Anlagen eines<br />

Embryos zu testen – entsteht d<strong>an</strong>n nicht leicht eine<br />

Haltung, dass jede und jeder, der eigene Kinder bekommen<br />

will, auch das Recht dazu habe – und zwar<br />

sogar ein Recht auf gesunde Kinder? Wo bisher unerfüllbare<br />

Wünsche erfüllbar werden oder erfüllbar<br />

erscheinen, da entsteht daraus schnell ein Anschein<br />

von Recht. Wir wissen aber doch, dass es ein solches<br />

Recht nicht gibt.“ Zitatende<br />

Aber, meine Damen und Herren, ist diese Auffassung<br />

noch mehrheitsfähig, seit die In-vitro-Fertilisation<br />

zugelassen ist und Pränataldiagnostik durchgeführt<br />

wird mit dem Ziel, intrauterin mögliche Erbschädigungen<br />

bei Kindern festzustellen und diese<br />

Kinder d<strong>an</strong>n abzutreiben?<br />

Deshalb sage ich: Durch ein Verbot der Präimpl<strong>an</strong>tationsdiagnostik<br />

allein ist die Welt nicht in<br />

Ordnung zu bringen. Die Problematik ist komplexer<br />

und sollte nicht simplifiziert diskutiert werden.<br />

Ich mahne aber zugleich, dass wir d<strong>an</strong>n die <strong>PID</strong><br />

unter strikter Kontrolle halten müssen, damit nicht<br />

Antworten gesucht werden auf Fragen, die wir nicht<br />

stellen wollen. D<strong>an</strong>n nämlich wäre <strong>PID</strong> tatsächlich<br />

der erste Schritt in Richtung Selektion.<br />

Bedingt durch die derzeit ungeklärte Rechtslage<br />

in Deutschl<strong>an</strong>d, sehen sich Ärzte häufig dazu gedrängt,<br />

Rat suchende Paare mit erblichen Belastungen<br />

in einer Konfliktsituation auf eine Beh<strong>an</strong>dlung<br />

im Ausl<strong>an</strong>d hinzuweisen und sich dadurch möglicherweise<br />

strafbar zu machen. Dies ist für die Ärzteschaft<br />

eine untragbare Situation.<br />

Deshalb appellieren wir dringend <strong>an</strong> den Gesetzgeber,<br />

eine Klärung der Rechtslage herbeizuführen<br />

und für den Fall einer Zulassung der <strong>PID</strong> weitere Kriterien<br />

einer restriktiven H<strong>an</strong>dhabung mitzugestalten.<br />

Diese g<strong>an</strong>ze Diskussion wäre im Übrigen überflüssig,<br />

wenn wir in unserer Gesellschaft Behinderte<br />

ohne Wenn und Aber akzeptieren würden.<br />

Umso wichtiger ist es, dass wir Ärzte immer wieder<br />

klarstellen, dass Menschen selbst im frühesten<br />

Stadium ihrer Entwicklung, also von der Verschmelzung<br />

der Gameten <strong>an</strong>, nicht für <strong>an</strong>dere Menschen<br />

verfügbar gemacht werden dürfen. Es darf niemals<br />

so sein, dass Menschen für den Heilungsprozess <strong>an</strong>derer<br />

ausgenutzt werden. Verbrauchende <strong>Embryonen</strong>forschung<br />

lehnen wir deshalb strikt ab.<br />

Eine ethisch vertretbare Alternative ist die <strong>Forschung</strong><br />

mit adulten Stammzellen oder Stammzellen<br />

aus Nabelschnurblut.Diese müssen wir fördern,so wie<br />

es auch die Deutsche <strong>Forschung</strong>sgemeinschaft in ihrer<br />

vorletzten Stellungnahme noch empfohlen hat. ✮<br />

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