06.08.2017 Aufrufe

Freies Kurdistan Buch

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

17<br />

gemeinsamen Staat leben, und zwar zunächst unter direkter Herrschaft der Besatzungsmacht und<br />

später unter der Herrschaft einer Elite aus einer bestimmten Minderheit des größeren Volkes im<br />

Lande – der sunnitischen Araber, die ca. 17 % der gesamten Bevölkerung des neu gegründeten<br />

Staates ausmachen. Der Herrschaftsanspruch solch nationaler bzw. regionaler Eliten wird von<br />

den Briten mit den Anforderungen des „nation building“ und dem Streben nach Modernität und<br />

souveräner Staatlichkeit legitimiert. 1 Diese Elite wird jedoch von den Briten aus „taktischen<br />

herrschaftstechnischen Gründen“ privilegiert. 2 In dieser Hinsicht handeln die Briten<br />

offensichtlich nach der Vorstellung der bürgerlichen Theoretiker vom Prozess des „nation and<br />

state building“, in der sie die Existenz der Nation mit dem Staat bzw. „Nationalstaat“ verbinden.<br />

Bemerkenswert ist, dass sich diese Vorstellung entwickelt hat, als sich die Völker Afrikas und<br />

Asiens gegen die europäischen Kolonialisten für ihre Unabhängigkeit erhoben. Daraufhin<br />

bildeten die Kolonialmächte einige unabhängige Staaten in beiden Kontinenten entsprechend<br />

ihren Interessen. 3 Die neu gebildeten Staaten begannen sofort mit der Diskriminierung ihrer<br />

Minderheiten. 4<br />

Die Unzufriedenheit und ein aktiver Widerstand gegen die britische Okkupation bzw.<br />

Herrschaft wachsen nun in <strong>Kurdistan</strong>. Zwischen Juli 1921 und Dezember 1922 werden acht<br />

britische Offiziere in Südkurdistan getötet. 5 Außerdem leiten fünf politische Vereinigungen<br />

Anfang 1920 im Untergrund in Sulaimaniya einen wirksamen passiven Widerstand; und sie<br />

drängen auf die Rückkehr des „hukmdars“ von <strong>Kurdistan</strong>, Sheikh Mahmud. 6 Um die häufigen<br />

Schwierigkeiten in <strong>Kurdistan</strong> zu überwinden und weiteren Komplikationen auszuweichen, lassen<br />

die Briten Sheikh Mahmud nach drei Jahren aus dem indischen Exil nach <strong>Kurdistan</strong><br />

zurückkehren. Und sie setzen ihn am 30. September 1922 wieder als „hukmdar“ von <strong>Kurdistan</strong><br />

in Sulaimaniya ein. 7<br />

Mit der Idee der Einführung einer Art der Selbstverwaltung (local self-government) in<br />

Südkurdistan beabsichtigen die Briten dann, einerseits die Kurden dort zu beruhigen und sie<br />

andererseits zu betrügen, indem sie Südkurdistan entsprechend ihren Interessen in den Irak<br />

1999, S.65-103.<br />

1 Scherrer, 1997, S.57.<br />

2 ders., 1977, S.60.<br />

3 Nebez, 1987, S.71.<br />

4 Scherrer, 1977, S.59.<br />

5 Sluglett, 1976, S.119-120.<br />

6 Khwaja, 1968, Bd.1 S.61-63. Die Vereinigungen waren: Berzi Wulat (Erhabenheit der Heimat), Kurdıstan, Gızıng<br />

(Dämmerung), Fidakarani Kurd (Partisanen der Kurden) und Wetenperweran (die Patrioten). Hinter all diesen<br />

politischen Vereinigungen agierte gleichzeitig ein intelligenter Vorkämpfer namens Jamal Irfan als Koordinator. Er<br />

brachte die britische Besatzungsmacht in dieser Zeit in erhebliche Schwierigkeiten. In der Nacht zum 13. Dezember<br />

1922 ist er jedoch von einigen unbekannten Verbrechern mysteriös ermordet worden, ebd., S.62 und 130.<br />

7 Hilmi, 1958, B.2 S.537, vgl. auch Sluglett, 1976, S.120.<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!