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Freies Kurdistan Buch

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in einem ambivalenten Verhältnis zueinander. Einerseits stammten die ersten kurdischen<br />

Nationalisten aus den Reihen der traditionellen Autoritäten, der Scheichs und Aghas. Es waren<br />

in der Tat gerade die ursprünglichen Loyalitäten diesen Führern und den von ihnen<br />

verkörperten Werten gegenüber, über die die nationalistische Bewegung Massencharakter<br />

erhielt. Andererseits verhinderten die ständigen Konflikte und Rivalitäten zwischen diesen<br />

traditionellen Führern eine wirkliche Einigung der Kurden bis auf den heutigen Tag.“ 2<br />

1. Ethnische oder ethnonationale Konflikte<br />

Die Erfindung der Nation bzw. des „Nationalstaates“ in 18. und 19. Jahrhundert in Europa war in<br />

ihrem Kern eine Hegemonialstrategie. Das einheitliche Volk als „Staatsvolk“ – oder als eine<br />

Nation – musste systematisch hergestellt werden.<br />

Falsche Nationalstaaten oder Ethnokratien sind beherrscht von dominanten Ethnien, die sich den<br />

„Besitz“ des Staates verschafft haben. Ihre Ansprüche gegenüber ethnisch distinkten<br />

Nationalitäten erwiesen sich als wichtigste Quelle gewaltsamer Konflikte seit Jahrzehnten.<br />

Ethnonationale Konflikte sind sowohl Produkte als auch Ursachen der Instabilität in solchen<br />

Staaten. 3 Ethnien in vielen Staaten der Welt, die sich nicht umformen und assimilieren ließen<br />

und lassen, wurden und werden diskriminiert bzw. kriminalisiert.<br />

Ethnische – oder ethnisierte Konflikte – können unterschiedliche Formen annehmen. Schon der<br />

„ethnische Faktor“ an sich beinhaltet einerseits eine verwirrende Vieldimensionalität,<br />

andererseits beansprucht er eine fast allgemeine Verbreitung, insofern er in fast allen multiethnischen<br />

und multi-kulturellen Gesellschaften eine wichtige Rolle spielt. Zudem verbindet sich<br />

der „ethnische Faktor“ oft mit Konflikten zwischen verschiedenen religiösen Gemeinschaften.<br />

Die Erkenntnis, dass gewaltförmige ethnonationale Konflikte in den meisten Fällen auf die<br />

willkürliche koloniale Kreation von neuen Staaten und die koloniale Politik der Privilegierung<br />

bzw. Diskriminierung bestimmter ethnischer Gruppen zurückzuführen sind, kann empirisch<br />

nachgewiesen und statistisch gezeigt werden. 4<br />

Bei der Entkolonialisierung hat die internationale Staatengemeinschaft – wie sich am Beispiel<br />

der Kurden, Belutschen und vieler anderer Völker zeigt – viel zu wenig Augenmerk auf die<br />

Revision der alten kolonialistischen Grenzen durch Volksabstimmungen gelegt, sodass es häufig<br />

1 Nebez, 1987, S.11-16 und Vgl. Entessar, 1992, S.49.<br />

2 Bruinessen, 1989, S.17. [Zitat]<br />

3 Scherrer, 1997, S. 143-146.<br />

4 ders., 1997, 143-145.<br />

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