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Freies Kurdistan Buch

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von Christian Scherrer, nicht unbedingt ein Recht auf Sezession. 1<br />

Nach Auffassung von Heinz Kloss hat jede Ethnie in multi-ethnischen Staaten dementsprechend<br />

das Recht, ihre politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten im Rahmen dieser<br />

Staaten selbst zu bestimmen. 2<br />

Nach Ansicht von G. Decker besagt „Selbstbestimmungsrecht im politischen Sinne“ nichts<br />

anderes als Freiheit von fremder Herrschaft. 3<br />

Die Unabhängigkeitsbestrebung – innerhalb der sogenannten Nationalstaaten – wird von der<br />

Staatengemeinschaft öfters als „innere Unruhe“ bzw. als Separatismus verdammt.<br />

Separatismus als „Störfall“ in der Struktur der neuen Staaten ist zu einem beherrschenden soziopolitischen<br />

Problem unserer Zeit geworden.<br />

Nach Auffassung von Gerhard Stuby lassen sich fünf Fälle einer legitimen Sezession ausmachen,<br />

d.h. Situationen, in denen das Selbstbestimmungsrecht bis zur Gründung eines eigenen<br />

souveränen Staates führen kann: 4<br />

1. Entlassung des sezessionswilligen Staates durch den Souveränen [Staat]<br />

2. Fehlen einer entwickelten Souveränität.<br />

3. Zerfall des Staates.<br />

4. Verletzung der Menschenrechte, Diskriminierung durch eine nicht repräsentative Regierung.<br />

5. langandauernde Opposition, Gefährdung von Frieden und Stabilität, Gefahr eines<br />

Konfliktes von internationaler Tragweite.<br />

Der Kampf um Selbstbestimmung kann also entscheidend zur Konstituierung eines Volkes als<br />

„Nation“ bzw. zur Gründung seines eigenen souveränen „Nationalstaats“ beitragen. Dies hängt<br />

aber vom Grad der politischen Organisiertheit und Kampfbereitschaft ab. Im Rahmen des<br />

Prozesses der Nationenbildung entwickeln sich eine spezifische nationale Ideologie und<br />

nationale Institutionen. Allerdings ist ohne eine vereinheitlichende nationale Ideologie noch<br />

keine „Nation“ bzw. kein „Nationalstaat“ hergestellt worden. 5<br />

Die Wege der Staatsbildung sind freilich vielfältig, ebenso die Formen des entsprechenden<br />

„nationalen“ Bewusstseins. Dabei konnte die Staatsbildung durch Integration eines bereits vorher<br />

von Nationalbewusstsein erfassten Gebietes (Deutschland, Italien, Polen) oder durch<br />

Desintegration (Nationalstaaten auf dem Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches, der<br />

1 Scherrer, 1997, S.31.<br />

2 Kloss, 1969, S.455, in: Ibrahim, 1983, S.73.<br />

3 Decker, 1955, S.20, in: Ibrahim, 1983, S.73.<br />

4 Paech und Stuby, 1994, S.534; vgl. auch Pfennig, 1992, S.446, in: Stuby, 1994, S.58.<br />

5 Scherrer, 1997, S.34.<br />

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