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Freies Kurdistan Buch

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einen neuen Job in den staatlichen Ämtern und Betrieben. Damit wird die Quantität gefragt und<br />

nicht die Qualität. 1 Bei der Bildung der Regionalregierung sind daher viele ehemalige<br />

Kollaborateure des irakischen Baath-Regimes und opportunistische oder einfache Bürokraten in<br />

die embryonale kurdische Selbstverwaltung übernommen worden. Voraussetzung dieser<br />

Anstellung bildete nicht etwa die Redlichkeit oder berufliche Qualifikation und Erfahrung,<br />

sondern vielmehr die gegenwärtige parteipolitische Loyalität.<br />

Die Macht wird hier offensichtlich für Parteieigeninteressen missbraucht und zwar zur Zunahme<br />

der Parteianhänger und des Parteieinflusses auf Kosten des Volkes [d.h. auf Kosten anderer<br />

Bürger, die nicht Mitglieder oder Anhänger beider Parteien sind], auf Kosten der<br />

Leistungsqualität des kurdischen Selbstverwaltungsapparates und auf Kosten der jungen<br />

Demokratie. Die Patronagenrolle der beiden politischen Parteien verwurzelt sich in der jungen<br />

kurdischen Selbstverwaltung und wirkt sich verheerend aus; sie unterminiert jede Chance für ein<br />

demokratisches institutionelles Anwachsen.<br />

Beide Großparteien haben sich während der (gemeinsamen) Selbstverwaltung und im Laufe des<br />

„Staatsbildungsprozesses“ einander strukturell angenähert – aller ideologischer Differenzen zum<br />

Trotz. Andreas Wimmer schreibt dazu: „Beide stellen heute eine Mischung zwischen einer<br />

Stammeskonföderation und einem klientelistischen Parteiapparat dar.“ 2<br />

David McDowall fragt, ob die junge kurdische Demokratie dank dieser Umstände nicht in einen<br />

„Neotribalismus“ von zwei „Konföderationen“ und neuen „Aghas“ geführt worden ist. Dazu<br />

sagt er:<br />

„Thus, following the demise of traditional tribalism as the prime form of socio-political<br />

organization during the 1970s, the 1990s saw the emergence of neo-tribalism as two<br />

major `confederations` competed for hegemony in Iraqi <strong>Kurdistan</strong>. At the center of each<br />

party, as with traditional confederations, lay a core of those loyal to the paramount.<br />

Beyond this core lay a widening group of people who supported one confederation or the<br />

other less directly. Thus the system of patronage and power still reached down to the<br />

street through intermediaries who themselves acquired followings through local<br />

patronage. These new `aghas` are the Peshmerga or [ex] jash commanders who<br />

commanded their own following.“ 3<br />

In den Ministerien und fast allen Regierungseinrichtungen herrscht eine unbehagliche<br />

Arbeitsatmosphäre; man nennt die „Cégır“ (Stellvertreter) der Minister und der<br />

1 Vgl. Ihsan, 2001, S.86-88, vgl. auch Hoff u.a., 1992, S.6.<br />

2 Wimmer, 1997, S.34.<br />

3 McDowall, 1997, S.385.<br />

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