Musikhochschulen an der Schwelle des 21. Jahrhunderts

Die Bologna-Reform an deutschen Musikhochschulen 77
Einführung bzw. Umsetzung dieser Studiengänge scheiterte lange an
nationalem Recht oder sehr unterschiedlichem Länderrecht. Die föderale
Struktur Deutschlands wirkte auch hier, wie schon oft in kulturpolitischen
Zusammenhängen, nicht fördernd. Noch heute stellt sich Deutschland als
ein europäischer Partner mit z.T. 16 verschiedenen Meinungen dar, die
Studiendauer, die Akkreditierung, das Prüfungswesen betreffend.
Unterschiedliche Ausnahmeregelungen machen die Situation zunehmend
unübersichtlich. Mangelnde bzw. zu späte Übernahmen europäischer
Regelungen zu Themen wie dem ‚Nationalen Qualitätsrahmen’ oder der
‚Qualitätssicherung’ erschweren den Umgang mit Bologna noch heute.
Stand für einige Bundesländer die Einführung der Struktur im
Vordergrund, legten andere den Schwerpunkt auf die Akkreditierung,
eine Entwicklung, die noch heute zu beobachten ist und erneut einen
„deutschen Umgang mit Bologna“ erschwert. Die deutschen
Musikhochschulen arbeiten seit Jahren im AEC (Association Européenne
des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen) und
anderen europäischen Organisationen mit. Der AEC entschloss sich früh,
wegweisende Arbeitsgruppen und Projekte zu entwickeln, die im
‚Polifonia-project’ mündeten und über acht Jahre mit Geldern der
europäischen Union die europaweite Umsetzung der Bologna-Ideen an
Musikhochschulen begleitet hat und noch heute begleitet. Der enge
Kontakt und die intensive Diskussion mit den europäischen
Nachbarhochschulen über Ziele und Möglichkeiten eröffneten den
deutschen Musikhochschulen Visionen einer sinnvollen Entwicklung.
Gleichzeitig wurden die Probleme deutscher Strukturen in einem
europäischen Kontext sichtbar. Die Bolognastrukturen an europäischen
Musikhochschulen, auch mit Beispielen aus Deutschland, können unter
www.aecinfo.org/polifonia nachgelesen werden.
Im Zuge der vorsichtigen, zunächst in Teilen vorangetriebenen
Umsetzung der Reform wuchs der Wunsch nach Regelungen und in
einigen Bundesländern leider auch der Abstand zur eigentlichen Idee der
Reform. Die Auseinandersetzung mit mangelhaft vorbereiteten bzw.
informierten ministeriellen Mitarbeitern in den verschiedenen
Bundesländern erschwerte und erschwert noch heute die Arbeit.