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Massenbewegungen<br />
Das Unglück von Nachterstedt<br />
Die Katastrophe traf Nachterstedt, einen kleinen Ort in<br />
Sachsen-Anhalt, aus heiterem Himmel: Am 18. Juli 2009<br />
rutschte plötzlich auf 350 Metern Länge das Ufer des<br />
künstlich angelegten Concordia-Sees in die Tiefe und<br />
riss zwei Häuser und drei Menschen mit. Die genauen<br />
Ursachen sind noch nicht eindeutig geklärt, aber die<br />
Lage des Ortes mitten in einem ehemaligen Tagebaugebiet<br />
spielt mit Sicherheit eine große Rolle.<br />
Bereits seit dem 19. Jahrhundert wird in Nachterstedt<br />
Braunkohle gefördert, der Ort muss sogar einmal den<br />
Gruben weichen und wird komplett umgesiedelt. Während<br />
der Kohleförderung wird das Grundwasser in den bis zu 100<br />
Meter tiefen, offenen Gruben abgepumpt, nach der Beendigung<br />
des Bergbaus im Jahr 1990 steigt es jedoch wieder<br />
an. Zusätzlich werden die Gruben mit Flusswasser geflutet<br />
und es entstehen künstliche Seen mit meist steilen, hohen<br />
Ufern. Auch Nachterstedt liegt an einer solchen Abbruchkante,<br />
rund 100 Meter über dem Ufer des in einem Tagebauloch<br />
angelegten Concordia-Sees.<br />
Und genau das wird dem Ort zum Verhängnis: Am<br />
18. Juli 2009 um fünf Uhr morgens<br />
löst sich nach heftigen Regenfällen<br />
auf einer Länge von 350 Metern der<br />
Hang und kommt ins Rutschen. Mehr<br />
als eine Million Kubikmeter Erde<br />
und Gestein stürzen in die Tiefe und<br />
reißen ein Doppelhaus sowie einen<br />
Teil eines Einfamilienhauses mit sich.<br />
Die Bewohner, ein älteres Ehepaar<br />
sowie ein Nachbar, werden von den<br />
Erd- und Trümmermassen mitgerissen<br />
und verschüttet. Auch die Straße und<br />
ein Aussichtspunkt werden durch den<br />
Erdrutsch zerstört.<br />
Zur Ursache des Unglücks kursieren schnell zahlreiche<br />
Hypothesen. Während einige die Instabilität des gefluteten<br />
Tagebaus verantwortlich machen, sehen andere in<br />
den heftigen Regenfällen den Auslöser der Katastrophe.<br />
Die Durchnässung des Untergrunds könne dann ein so<br />
genanntes Setzungsfließen auslösen. Dabei werde der<br />
Boden in kurzer Zeit zu einem instabilen Brei, der den Hang<br />
hinabfließt.<br />
Vier Tage nach dem Erdrutsch überflog eine Cessna<br />
Caravan der Forschungsflotte des Deutschen Zentrums<br />
für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Gebiet und erstellte im<br />
Rahmen des ARGOS-Projektes (Airborne Wide Area High Altitude<br />
Monitoring System) hochgenaue Luftbilder. Sie ermöglichen<br />
einen detaillierten Vergleich des Geländezustandes<br />
vor und nach dem Ereignis. Zum anderen aber können sie<br />
auch Aufschluss darüber geben, wo möglicherweise noch<br />
instabile Bereiche existieren und weitere Veränderungen<br />
oder Bewegungen drohen.<br />
Luftbild-Detailkarte von Nachterstedt nach dem Erdrutsch<br />
(Maßstab 1:600). © DLR 2009/www.zki.dlr.de<br />
Der Einschlag der gewaltigen<br />
Masse im See löst eine Flutwelle aus,<br />
die einen am Seeufer ankernden<br />
Ausflugsdampfer ans andere Ufer<br />
schleudert und die Anlegestelle unter<br />
meterdickem Schlamm begräbt.<br />
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