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Auf der Reise zum Mittelpunkt der Erde<br />

Forschungsziele hatten sie jedoch bereits in der Zone unterhalb von 8.000 Metern<br />

Tiefe erreicht: Sie drangen mit der Bohrung in Bereiche vor, in denen das Gestein<br />

unter dem Einfluss von Druck und Hitze plastisch wird. Statt zu brechen wie<br />

normalerweise, verformt es sich dabei einfach nur – ähnlich wie ein warm gewordener<br />

Kunststoff. Noch nie war es Wissenschaftlern bis dahin gelungen, diesen<br />

Formungsprozess außerhalb des Labors zu beobachten. Zwar lassen sich ähnliche,<br />

im Laufe der Erdgeschichte entstandene Verformungen von Gesteinsschichten<br />

heute an einigen Stellen sogar auf der Erdoberfläche finden, aber Zeuge dieses<br />

Prozesses direkt im Erdboden war bisher noch niemand geworden.<br />

Bohrturm des Kontinentalen<br />

Tiefbohrprogramms (KTB) in<br />

Windischeschenbach.<br />

© Deutsches GeoForschungs-<br />

Zentrum (GFZ), Potsdam<br />

Doch bei aller Freude über den gewonnen Einblick – vom Traum einer „Reise<br />

zum Mittelpunkt der Erde“ sind auch diese ganzen Bohrungen weit entfernt.<br />

Gemessen an den tausenden Kilometern bis zum Erdkern sind die nur wenige<br />

Kilometer in die Tiefe reichenden Bohrversuche nicht viel mehr als Mückenstiche<br />

in die „Haut“ unseres Planeten. Wollen die Forscher Erkenntnisse über das Erdinnere<br />

gewinnen, müssen sie daher auf indirekte Messmethoden der Geophysik<br />

zurückgreifen.<br />

Zu diesen gehören zum einen Schwerkraft- und Magnetfeldmessungen<br />

via Satellit. Winzige lokale Schwankungen der Schwerkraft zeigen beispielsweise<br />

Dichteunterschiede der im Untergrund liegenden Gesteine an und helfen<br />

damit den Forschern nicht nur, die verschiedenen Schichten zu identifizieren,<br />

sondern damit auch, die Krustenbewegung zu verfolgen. Das irdische Magnetfeld<br />

wiederum ist sogar die direkte Folge des Aufbaus des Erdinneren. Denn erst<br />

das Wechselspiel zwischen dem inneren und äußeren Erdkern bildet den Motor<br />

für den Magnetismus.<br />

Der 1.200 Meter große Barringer-Krater<br />

in Arizona ist ein<br />

typisches Beispiel für einen einfachen<br />

Krater. © Larry Bloom/<br />

GFDL<br />

Zum anderen machen sich Geowissenschaftler aber auch den Umstand<br />

zunutze, dass seismische Wellen an Grenzen zwischen zwei Gesteinsschichten<br />

unterschiedlicher Beschaffenheit auf bestimmte Weise gebrochen oder reflektiert<br />

werden. Die Messung und Auswertung von Erdbeben- und künstlich erzeugten<br />

Stoßwellen liefert daher wertvolle Hinweise über den Aufbau des Erdinneren. Bei<br />

den sich am schnellsten ausbreitenden seismischen Wellen – den P- oder Primärwellen<br />

– schwingen die Gesteinspartikel – ähnlich wie bei Wasserwellen in einem<br />

Teich – in ihrer Ausbreitungsrichtung: Das Gestein wird wechselweise komprimiert<br />

und gedehnt. Diese Wellenart kann sich daher sowohl in festem wie auch<br />

in flüssigem Gestein fortpflanzen und ausbreiten. Anders aber sieht es bei einem<br />

zweiten Wellentyp aus, den Transversal- oder Sekundärwellen. Bei ihnen bewegen<br />

sich die Bodenteilchen quer zur Ausbreitungsrichtung der Wellen hin und her.<br />

Das Gestein wird dadurch horizontal oder vertikal verformt und geschüttelt. Das<br />

funktioniert aber nur in festem, scherbarem Gestein. In geschmolzenem, flüssigem<br />

Material werden die S-Wellen dagegen absorbiert und damit „geschluckt“.<br />

Verschwinden sie bei einer Messung oder kommen extrem langsam an, können<br />

die Geowissenschaftler deshalb darauf schließen, dass irgendwo auf ihrem Weg<br />

eine flüssige Schicht liegen muss.<br />

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