Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />
größten Bewährungsprobe. Um sie zu bestehen, müssen sie umgebaut, erneuert und erweitert werden. Die<br />
Dringlichkeit eines Kurswechsels steht außer Frage, dennoch wäre bloße Schwarzmalerei fehl am Platz.<br />
Entscheidend ist das, was sich unter der Oberfläche alarmierender Nachrichten abspielt: Unsere Zeit leidet<br />
nicht nur am Finanzkapitalismus mit seinen spekulativen Exzessen, wir erleben zugleich die Geburt einer neuen<br />
Ära. Um das zu erkennen, muss eine Grundfrage geklärt werden: Geht es auf dem Weg hin zu einer globalen<br />
Marktordnung um einen, wenn auch sehr zugespitzten, so im Grundsatz doch bekannten Anpassungsprozess oder<br />
ist eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation notwendig, weil sich neue ökologische wie auch alte<br />
soziale Herausforderungen stellen, die insgesamt nur auf einem nachhaltigen Entwicklungspfad mit neuen<br />
Instrumenten bewältigt werden können? Mit dieser Frage sind grundlegende Weichenstellungen verbunden:<br />
Entweder drohen soziale Ausgrenzungen, ökologische Krisen und erbitterte Verteilungskämpfe, weil<br />
sich die Politik den Zwängen entfesselter Märkte mit ihrer kurzfristigen Gewinnmaximierung<br />
untergeordnet hat. Die Entbettung der Ökonomie aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen war die<br />
Ursache für die großen Krisen <strong>des</strong> letzten Jahrhunderts, heute geht es um eine soziale und ökologische<br />
Entbettung in einer globalen Marktgesellschaft.<br />
Oder es kommt zu einer nachhaltigen Entwicklung, die weit über den Umwelt- und Naturschutz<br />
hinausgeht. Sie verbindet die ökologische Modernisierung mit wirtschaftlichen Innovationen, sozialer<br />
Gerechtigkeit und kultureller Erneuerung. 223 Nachhaltigkeit erfordert eine starke Demokratie und sie<br />
stärkt auch die soziale Demokratie.<br />
Die Leitidee der Nachhaltigkeit, die eng mit mehr Demokratie und Partizipation verbunden ist, ermöglicht neuen<br />
Fortschritt. Ihre Umsetzung kann aber nicht anonymen Märkten und Kräften überlassen werden. Um die<br />
beschriebenen Gefahren abzuwenden, muss die Politik eine sozial-ökologische Transformation leisten, die in<br />
ihrer Dimension kaum Vorbilder findet. Sie muss zuallererst die Finanzmärkte regulieren, auf denen in den<br />
letzten zwei Jahrzehnten große Spekulationsblasen entstanden. Die Kapitalmarktakteure haben mit ihren<br />
Erwartungen zunehmend die Entwicklung der globalen Wirtschaft bestimmt. Und sie versuchen, begründet mit<br />
den „Erwartungen der Märkte“, auch die Entscheidungen der Politik zu beeinflussen.<br />
Die ersten Schritte sind die Ökologisierung von Wirtschaft und Gesellschaft und mehr inter- und intragenerative<br />
Gerechtigkeit. Die Transformation muss alle Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft erfassen. Ihre Ergebnisse<br />
werden weltweit gebraucht. Von daher würden eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft unserem Land, das<br />
bei den Umwelt- und Energietechnologien führend ist und über eine hervorragende wirtschaftliche und<br />
wissenschaftliche Infrastruktur verfügt, neue große Chancen eröffnen und Best-Practice-Beispiele bieten.<br />
Um zu einer nachhaltigen Entwicklung zu kommen, sind neues Denken, ehrgeizige Ziele und mutige Konzepte<br />
notwendig, die sowohl den nationalen Spielraum nutzen und erweitern als auch die internationale, vor allem die<br />
EU-weite Kooperation vertiefen. Auf der schnell zusammenwachsenden Welt sind die Menschen auf<br />
Gegenseitigkeit, Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit angewiesen. Dann eröffnet Nachhaltigkeit mehr Freiheit,<br />
Wohlstand und Partnerschaft für alle. Eine bessere Welt wird möglich, wenn die Politik den Rahmen für eine<br />
nachhaltige Entwicklung setzt – national, europäisch und durch internationale Institutionen und Verträge. Sie<br />
muss sich dafür einsetzen, dass die Europäische Union zur Nachhaltigkeitsunion wird und die globale Wirtschaft<br />
einer sozialen und ökologischen Bindung unterworfen wird.<br />
1.2. Folgen <strong>des</strong> derzeitigen Wachstumspfads<br />
Die Enquete-Kommission bewertet die aktuellen Erschütterungen nicht allein als Konjunkturkrisen und damit<br />
als vorübergehende Wachstumseinbrüche, sondern als Folgen multipler Krisen.<br />
Anders als in der neoliberalen Denkweise sehen wir die Erschütterungen und Krisen nicht als kurzfristige<br />
Abweichungen eines im Grundsatz gut funktionierenden Marktsystems an. Sie sind Folge eines längerfristigen<br />
Trends, die Ökonomie, die zuvor durch den Wohlfahrtsstaat in gesellschaftliche Bezüge eingebunden war, erneut<br />
aus sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhängen zu entbetten. Dieser Zusammenhang muss in seiner Tiefe<br />
und seinen Interdependenzen analysiert werden. Dabei gibt es nicht nur eine politökonomische, sondern auch<br />
eine breite sozialwissenschaftliche Debatte über die Brüche im Modernisierungsprozess, die an dieser Stelle<br />
exemplarisch veranschaulicht, aber nicht ausdiskutiert werden können.<br />
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Vgl. Hauff, Volker (1987). Unsere gemeinsame Zukunft.<br />
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