18.04.2013 Aufrufe

Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

5596<br />

5597<br />

5598<br />

5599<br />

5600<br />

5601<br />

5602<br />

5603<br />

5604<br />

5605<br />

5606<br />

5607<br />

5608<br />

5609<br />

5610<br />

5611<br />

5612<br />

5613<br />

5614<br />

5615<br />

5616<br />

5617<br />

5618<br />

5619<br />

5620<br />

5621<br />

5622<br />

5623<br />

5624<br />

5625<br />

5626<br />

5627<br />

5628<br />

5629<br />

5630<br />

5631<br />

5632<br />

5633<br />

5634<br />

5635<br />

Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

Konsumsteigerungen bei gleichzeitigem Rückgang der Investitionen aufgrund sinkender Profitabilität –<br />

besonders in den exportrelevanten Segmenten in unzähligen Entwicklungs- und Schwellenländern. 302<br />

Positive Wirkungen <strong>des</strong> Finanzmarkts auf Wachstum und Wohlstand entstehen erst dann, wenn über die<br />

dynamischen Entwicklungen im Finanzmarkt gleichfalls der reale, produktive Kapitalstock erhöht wird. Die<br />

Unterschiede zwischen dem Einsatz von Kapital zur Investition und zur Anlage in Vermögenswerten (Sach- wie<br />

Geldvermögen) und die daraus resultierende funktionale Trennung der Finanzakteure sind hier entscheidend.<br />

Denn die Verteilung vorhandener Einkommensbestandteile auf unterschiedliche Formen der Geldanlage ist<br />

etwas völlig anderes als die Schaffung zusätzlicher Liquidität über die Geld- und Kreditschöpfung <strong>des</strong><br />

Bankensektors, die über die Zentralbank abgesichert wird. 303<br />

Die Finanzierung von realen Investitionen über die Finanzmärkte spielt in den meisten Ländern eine<br />

untergeordnete Rolle im Vergleich zu ihrer Finanzierung durch interne Rücklagen und traditionelle Bankkredite.<br />

Das liegt zum einen daran, dass nicht alle Unternehmen zur Finanzierung auf den Kapitalmarkt zugreifen<br />

können. In der Regel können das Instrument der Wertpapieremission auch nur jene Unternehmen mit hohem<br />

Eigenkapital nutzen. Aus Sicht der Anleger ist dies durchaus positiv, da der Erwerb der Aktien und Anleihen<br />

dieser Unternehmen weniger riskant ist. Selbstverständlich gibt es Unternehmen mit wenig Eigenkapital, die<br />

Finanzaktiva zur Anschubfinanzierung („Start-up“ und „Venture Capital“) beziehungsweise zu ihrer Expansion<br />

emittieren. Aber genau diese Finanzaktiva sind sehr gering und können <strong>des</strong>halb nicht für gesamtwirtschaftliche<br />

Wachstumseffekte verantwortlich gemacht werden.<br />

Die beschriebene hierarchische Struktur der Unternehmensfinanzierung ist seit Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

hinlänglich bekannt und gilt bis heute im Banken- wie auch im finanzmarktzentrierten System. 304 Ähnlich ist die<br />

Situation in den Entwicklungs- und Schwellenländern: Es dominiert auch dort die Innenfinanzierung, ergänzt um<br />

klassische Kreditlinien privater und staatlicher Banken. Der Kapitalmarkt ist zur Finanzierung neuer<br />

Investitionen und der Expansion <strong>des</strong> produktiven Kapitalstocks nachrangig, 305 was auch die jüngsten<br />

Entwicklungen in Indien und vor allem China neuerlich belegen. 306<br />

Angesichts der tatsächlichen Funktion der Finanzmärkte (hier besonders der Kapitalmärkte) zeigen sich für die<br />

Finanzierung der Realkapitalbildung folgende Ergebnisse: Seit Mitte der 1990er Jahre bis zum Crash 2007/08<br />

sind in fast allen Nationen erstens dem produzierenden Sektor von den Finanzmarktakteuren in der Regel mehr<br />

Kapital/Liquidität entzogen worden, als ihnen über die neue Emission von Finanzaktiva zugeführt wurde.<br />

Zweitens wurden generell das Eigenkapital der Unternehmen und die Bankkredite genutzt, um Aktien und<br />

Anleihen anderer Unternehmen zu erwerben und eigene Finanzaktiva zurückzukaufen. Drittens wurden die so<br />

generierten Mittel von den Unternehmen für Fusionen und Übernahmen (M&A) eingesetzt (in den USA von 1980<br />

bis 1997 rund drei Billionen US-Dollar). Seit dieser Zeit expandierten die Unternehmen weltweit, ohne<br />

entsprechend hohes neues Sachkapital („greenfield investment“) zu bilden. 307<br />

Die finanzielle Globalisierung hat so zwar die Eigentumsstruktur und den Zugriff auf die zugehörigen<br />

„Cashflows“ modifiziert, die stets behauptete rapide und massive Expansion <strong>des</strong> produktiven Kapitalstocks und<br />

das Wirtschaftswachstum sind allerdings vergleichsweise bescheiden ausgefallen. Das „exponentielle“<br />

beziehungsweise dynamische Wachstum, das es zum Teil auf den Finanzmärkten gegeben hat, ging zwar mit<br />

einer Verschuldungsexpansion aller Wirtschaftsakteure und zugleich einer Vermögensillusion einher.<br />

Gleichzeitig hat es eben nicht zu einem entsprechenden Anstieg der Investitionen in Realkapital gesorgt.<br />

Vielmehr sind die realen Wachstumsraten <strong>des</strong> BIP in allen Industrienationen seit mehreren Jahrzehnten<br />

302<br />

Vgl. Rodrik, Dani (2008). The Real Exchange Rate and Economic Growth.<br />

303<br />

Vgl. Europäische Zentralbank (EZB) (2011). Monatsbericht 10/2011. Das Geldangebot – Verhalten der<br />

Banken und Auswirkungen auf die monetäre Analyse. 67-87; Europäische Zentralbank (EZB) (2012).<br />

Monatsbericht 01/2012. Die Interaktion der Finanzintermediäre und ihre Bedeutung für die monetäre Analyse.<br />

63-81. Frankfurt am Main; Europäische Zentralbank (EZB). Monatsbericht 02/2012. Geldmengen- und<br />

Kreditwachstum nach Wirtschafts- und Finanzkrisen aus einer historischen globalen Perspektive. 77-97.<br />

Frankfurt am Main.<br />

304<br />

Vgl. Deutsche Bun<strong>des</strong>bank (2007). Ertragslage und Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen im<br />

Jahr 2006. Monatsbericht Dezember 2007. Frankfurt<br />

305<br />

Vgl. Singh, Ajit (1995). The Stock Market, Economic Efficiency and Industrial Development.<br />

306<br />

Vgl. Kujis, Louis (2005). Investment and Saving in China.<br />

307<br />

Vgl. Doremus, Paul N.; Kellner, William W.; Pauly, Louis W.; Reich, Simon (1998). The Myth of the Global<br />

Corporation; Brewer, Thomas L.; Young, Stephen (2000). The Multilateral Investment System and Multinational<br />

Enterprises.<br />

161

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!