Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />
3.1.5. Fazit<br />
Der Zusammenhang von Wachstum und öffentlichen Haushalten kann nur dann sinnvoll erörtert werden, wenn<br />
man politisch prüft und bewertet, welche gesellschaftlichen Aufgaben in öffentlicher Verantwortung liegen<br />
sollen. Da öffentliche Aufgaben zwar wegen der Schuldenregel nur noch in Ausnahmefällen kurzfristig, aber<br />
nicht strukturell und dauerhaft über Kreditaufnahme finanziert werden können, braucht es eine dem<br />
Aufgabenumfang angemessene Finanzierung der öffentlichen Haushalte.<br />
Aktuell hat sich in Deutschland trotz signifikanter Einsparungen in zentralen Feldern der öffentlichen<br />
Daseinsvorsorge die Lage der öffentlichen Haushalte aufgrund einer zunehmenden Verschuldung verschlechtert.<br />
Gleichzeitig wuchs der Investitionsrückstau.<br />
Hohe oder wieder steigende Wachstumsraten würden zweifellos über steigende Staatseinnahmen die<br />
Finanzsituation <strong>des</strong> Staates verbessern. Allerdings wären hiermit ohne Entkopplung einerseits erhebliche<br />
zusätzliche ökologische Probleme verbunden, andererseits ist mit einer Rückkehr zu hohen Wachstumsraten<br />
auch nicht zu rechnen. Sie sind angesichts <strong>des</strong> erreichten hohen Einkommensniveaus auch keine Voraussetzung<br />
für einen leistungsfähigen Sozial- und Investitionsstaat. Dessen Sicherung stellt bei hinreichenden Einnahmen<br />
auch keineswegs einen Widersprich zu ausgeglichenen öffentlichen Haushalten dar. Dies setzt allerdings voraus,<br />
dass Verteilungsfragen in den Mittelpunkt der Diskussion rücken. Statt einer immer stärkeren Konzentration von<br />
Einkommen und Vermögen in wenigen Händen bedarf es gerade unter den Bedingungen entwickelter, reicher<br />
Gesellschaften einer sozial gerechten Erhöhung der Einnahmequote zur nachhaltigen Finanzierung öffentlicher<br />
Aufgaben. Diese Strategie zur Steigerung der öffentlichen Leistungsfähigkeit ist durch eine Überprüfung<br />
existierender Ausgaben und eine Streichung umweltschädlicher Subventionen zu unterstützen. Leistungsfähige<br />
öffentliche Haushalte zur Finanzierung gesellschaftlich verlangter öffentlicher Leistungen sind die Grundlage<br />
für einen funktionierenden Sozialstaat und sichern die Zukunftsfähigkeit und den Wohlstand der Gesellschaft.<br />
3.2. Wachstum und Finanzmarkt<br />
3.2.1. Zusammenwirken von Wachstum und Finanzmarkt<br />
Funktionsfähige, stabile Finanzmärkte spielen eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung von<br />
Volkswirtschaften und Unternehmen sowie die Finanzierung von Staaten sowohl auf nationaler Ebene als auch<br />
global.<br />
Grundsätzlich sollten Finanzmärkte in einer Volkswirtschaft Haushalte und Unternehmen mit Liquidität und<br />
Kapital versorgen, zu angemessenen Zinsen Ersparnisse von Haushalten und Unternehmen aufnehmen und<br />
Dienstleistungen für den adäquaten Umgang mit Risiken bereitstellen.<br />
Vor der großen Krise fand – ausgehend von den angelsächsischen Ländern – eine umfassende Liberalisierung<br />
und Deregulierung der Finanzmärkte (‚Vertiefung‘) statt. Das Versprechen dieser Maßnahmen waren positive<br />
Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum. Selbst wenn sich feststellen ließe, dass sich als Folge einer<br />
Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte ein höheres Wachstum einstellt, ist damit jedoch noch<br />
nichts über Inhalt und Qualität <strong>des</strong> Wachstums ausgesagt. In der Vergangenheit hat sich gerade gezeigt, dass<br />
Investitionen in zunächst besonders renditeträchtige Bereiche (Immobilien, Übernahmen, Aufkäufe) nur zu<br />
einem Scheinwachstum mit vielfältigen Blasenbildungen geführt haben und gleichzeitig negative Auswirkungen<br />
auf Arbeits-, Umwelt- und Lebensbedingungen gehabt haben.<br />
Die theoretischen Argumente zum volkswirtschaftlichen Nutzen von Finanzmärkten lassen einen empirisch<br />
positiven Zusammenhang zwischen der Vertiefung der Finanzmärkte einerseits und den langfristigen<br />
volkswirtschaftlichen Wachstumsraten andererseits erwarten. 292 Jedoch sind die empirischen Ergebnisse für<br />
diesen Zusammenhang („finance-growth nexus“) gemischt. So sind viele Ökonominnen und Ökonomen der<br />
Auffassung, dass funktionierende Finanzmärkte eine positive Auswirkung auf Wachstum und Wohlstand haben<br />
können, aber die Idee, dass Finanzmärkte grundsätzlich Wachstum und Wohlstand hervorrufen, ist umstritten.<br />
Die Befürworter vertiefter Finanzmarktintegration führen an, dass gut funktionierende Finanzmärkte zu einer<br />
effizienten Allokation von Kapital führen, Spareinlagen fördern und zu Kapitalakkumulation führen. King und<br />
292<br />
Vgl. Levine, Ross (2005). Finance and Growth; Sachverständigenrat zur Begutachtung der<br />
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008). Das deutsche Finanzsystem.<br />
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