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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

Erfüllt der Reallohn seine Funktion, Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage zum Ausgleich zu bringen, so herrscht<br />

dauerhaft Vollbeschäftigung in dem Sinne, dass lediglich friktionelle Arbeitslosigkeit auftritt. Diese resultiert<br />

daraus, dass im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung kontinuierlich Beschäftigungsfluktuationen zwischen<br />

Firmen stattfinden, zum Beispiel weil einige Firmen insolvent und andere neu gegründet werden, die<br />

Bewerberinnen und Bewerber und die offenen Stellen aber einige Zeit brauchen, bis sie „zueinander finden.“<br />

Dann gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Produktionsniveau und der Beschäftigung.<br />

Die langfristige Beziehung zwischen dem Produktionswachstum und der Beschäftigung ist nicht eindeutig. 126 So<br />

kann ein dauerhaft schnelleres Wachstum die Beschäftigung erhöhen, weil Unternehmen von Neueinstellungen<br />

größere Profite erwarten und daher ihre Bemühungen intensivieren, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu<br />

finden. Es kann aber auch zu einem Anstieg der friktionellen Arbeitslosigkeit kommen, wenn sich das höhere<br />

Wachstumstempo in einer Zunahme der „schöpferischen Zerstörung“ niederschlägt, also in einem schnelleren<br />

Verschwinden alter Firmen und Branchen zugunsten neuer Strukturen.<br />

Daneben können von Arbeitsmarktreformen expansive Impulse auf die Beschäftigung sowie auf das Niveau oder<br />

sogar auf die Wachstumsrate <strong>des</strong> Bruttoinlandsprodukts ausgehen, was sich empirisch im Anpassungszeitraum<br />

in einer positiven Korrelation zwischen Wachstum und Beschäftigung niederschlägt. Die Effekte der Gesetze für<br />

moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz I bis IV“) dürften hierfür ein Beispiel sein.<br />

Ein positiver Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum und der Reallohnentwicklung ist dagegen gut<br />

belegt. Produktivitätsgewinne infolge <strong>des</strong> technischen Fortschritts machen Neueinstellungen langfristig rentabel<br />

und führen zu einer Knappheit an Arbeitskräften, was die Löhne steigen lässt. Dies gilt allerdings nicht für alle<br />

Qualifikationsmuster und Beschäftigungsgruppen gleichermaßen, denn vom wirtschaftlichen Strukturwandel,<br />

der mit dem Wachstum einhergeht, profitieren nicht alle Beschäftigten gleichermaßen (vgl. Kapitel 3.6<br />

„Wachstum und Verteilung“).<br />

3.5.2 Zur Entwicklung <strong>des</strong> Arbeitsmarkts seit 1970: Wiedervereinigung,<br />

Globalisierungsschock und Reformen 127<br />

Die Arbeitsmarktentwicklung seit 1970 und insbesondere in den vergangenen zwei Jahrzehnten war von<br />

globalen Schocks und Reformen geprägt, die zu weitreichenden Umbrüchen auf dem deutschen Arbeitsmarkt<br />

führten. 128 Die Arbeitslosenquote hat sich von 1970 bis Anfang der 2000er Jahre in drei Konjunkturzyklen<br />

systematisch erhöht (vgl. Abbildung 11). Jeder Zyklus umfasste rund zehn Jahre (1970 bis 1981, 1981 bis 1991,<br />

1991 bis 2002). Die trendmäßige Zunahme der Arbeitslosigkeit deutet darauf hin, dass nicht allein<br />

konjunkturelle, sondern vielmehr strukturelle Erklärungsfaktoren heranzuziehen sind. Strukturelle<br />

Arbeitslosigkeit entsteht, wenn der Marktlohnsatz über dem Gleichgewichtsniveau liegt, das von Arbeitsangebot<br />

und -nachfrage bestimmt wird. Ursachen hierfür sind institutionelle Rahmenbedingungen wie die Höhe der<br />

Ersatzleistungen für Arbeitslose, starre Tariflohnsysteme oder Regulierungen zum Kündigungsschutz. Erst im<br />

jüngsten Zyklus der Jahre 2002 bis 2008 kam es schließlich zu einer Trendumkehr: Die Arbeitslosenquote sank<br />

deutlich auf 7,8 Prozent im Jahr 2008. Die Robustheit dieser Entwicklung wird dadurch deutlich, dass selbst die<br />

schwerste Rezession der Nachkriegszeit zu keiner wesentlichen Erhöhung der Arbeitslosenquote führte. Ende<br />

2012 lag die Arbeitslosenquote in der Abgrenzung der Bun<strong>des</strong>sagentur für Arbeit bei nur noch 6,9 Prozent, die<br />

international vergleichbare Erwerbslosenquote in der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)<br />

bei 5,3 Prozent. 129<br />

126<br />

Vgl. Calmfors, Lars; Holmlund, Bertil (2000). Unemployment and Economic Growth.<br />

127<br />

Für eine detaillierte Darstellung sei auf Kapitel 2 „Wirtschaftswachstum: Einige Grundlagen“ verwiesen.<br />

128<br />

Zu den folgenden Ausführungen siehe Sinn, Hans-Werner (2005). Die Basar-Ökonomie: Kapitel 2, 4, 6 und<br />

8.<br />

129<br />

Während die Abgrenzung der Bun<strong>des</strong>agentur dem Sozialgesetzbuch (SGB) folgt und primär eine<br />

sozialpolitische Perspektive einnimmt, hat die ILO-Erwerbsstatistik eine eher ökonomische Ausrichtung. In<br />

beiden Abgrenzungen gelten jene Personen als arbeitslos oder erwerbslos, die ohne Arbeit sind, dem<br />

Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und Arbeit suchen. Die SGB-Arbeitslosigkeit fällt aber höher aus als die<br />

ILO-Erwerbslosigkeit, weil die genannten Merkmale unterschiedlich definiert und mit verschiedenen Methoden<br />

erhoben werden. Insbesondere werden in der SGB-Arbeitsmarktstatistik auch die Personen als arbeitslos erfasst,<br />

die eine nur geringfügige Beschäftigung ausüben. Auch sind Personen enthalten, die Arbeit wollen, aber zuletzt<br />

keine konkreten Suchschritte unternommen haben. Für Details vgl. Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit (2012).<br />

Arbeitslosigkeit und Erwerbslosigkeit.<br />

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