Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />
Gleichzeitig hat die aktuelle Schuldenlage im Euroraum verdeutlicht, dass die Finanzmärkte das Risiko eines<br />
Zahlungsausfalls der jeweiligen Mitgliedsstaaten mittlerweile stärker einpreisen. Die Risikoprämien auf<br />
Anleihen von Krisenstaaten wie Griechenland, Irland und Portugal sind seit 2008 im Vergleich zum übrigen<br />
Euroraum erheblich gestiegen. Mittlerweile finanzieren sich diese Länder im Rahmen der Euro-Rettungsschirme.<br />
Für die Bun<strong>des</strong>republik impliziert all dies, dass eine Rückführung der gegenwärtigen Verschuldungsquote aus<br />
einer Reihe gewichtiger Gründe geboten ist. Die Rückführung der gegenwärtigen Verschuldungsquote stellt<br />
damit die notwendige Reaktionsfähigkeit für den Fall einer künftigen Wirtschaftskrise wieder her und sichert das<br />
Vertrauen der privaten Kapitalgeberinnen und Kapitalgeber. Auch schafft sie mittelfristig die Grundlage für<br />
Investitionen in Schlüsselbereiche wie Bildung, Forschung und Infrastruktur. Aus europapolitischer Sicht ist die<br />
Einhaltung der vertraglichen Verschuldungsgrenze von 60 Prozent <strong>des</strong> nominalen BIP erforderlich. Darüber<br />
hinaus ist es höchst bedeutsam, dass Deutschland eine Vorbildfunktion wahrnimmt, um zu einer Lösung der<br />
europäischen Schuldenkrise beizutragen. Die Rückführung der Neuverschuldung ist oberstes Ziel, sollte aber<br />
sowohl die Einnahme- als auch die Ausgabeseite in den Blick nehmen.<br />
3.3 Wachstum und Finanzmarkt<br />
Die Erfahrung der weltweiten Finanzkrise hat zu einer Diskussion um die Ausgestaltung der Finanzmärkte und<br />
<strong>des</strong> Bankensektors geführt. So wird die Frage aufgeworfen, ob Finanzmärkte in entwickelten Industrienationen<br />
in ihrer gegenwärtigen Form einen positiven, negativen oder neutralen Einfluss auf den wirtschaftlichen<br />
Wohlstand ausüben. Dabei ist weitgehend unstrittig, dass Finanzmärkte und Banken – in Deutschland mit der<br />
spezifischen Drei-Säulen-Struktur aus Privatbanken, Genossenschaftsbanken und öffentlich-rechtlichen<br />
Instituten (Sparkassen und Lan<strong>des</strong>banken) – grundsätzlich wichtige Funktionen in den modernen<br />
Volkswirtschaften erfüllen und sich nicht ohne Grund herausgebildet haben. Im Folgenden wird daher zunächst<br />
der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und den Finanzmärkten erörtert. Da die Finanzmärkte in<br />
ihrer Funktion als Komplement zum Bankensektor gesehen werden können, 79 wird das Finanzsystem insgesamt<br />
betrachtet. Anschließend wird kurz dargestellt, welche Konsequenzen aus den Erfahrungen der jüngsten<br />
Finanzkrise gezogen werden können. Eine ausführlichere Analyse der Finanzkrise und der notwendigen<br />
Reformen wird von der Projektgruppe 4 („Nachhaltig gestaltende Ordnungspolitik“) im Kapitel „Regulierung<br />
der Finanzmärkte“ geleistet.<br />
3.3.1 Theoretischer und empirischer Zusammenhang von Finanzsystem und<br />
Wirtschaftswachstum<br />
Prinzipiell dient das Finanzsystem dazu, im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaft Informationsasymmetrien<br />
und Transaktionskosten zwischen Schuldnern und Gläubigern zu minimieren. 80 Zwar können Individuen auch<br />
direkt miteinander Kreditverträge abschließen, jedoch würden dadurch erhöhte Kosten entstehen, die ein<br />
etabliertes und ausreichend reguliertes Finanzsystem durch folgende Vorteile reduzieren kann: 81<br />
a) Bessere Information über Investitionsmöglichkeiten: Für Individuen ist es sehr kostspielig und<br />
zeitaufwendig, in Erfahrung zu bringen, welches Investitionsprojekt lohnend ist. Ein funktionstüchtiges<br />
Finanzsystem besitzt hierbei Spezialisierungsvorteile und kann so dazu beitragen, dass Individuen<br />
leichter ihr optimales Projekt finden, Informationsgewinnungskosten reduzieren und das durch die<br />
Kostensenkung gewonnene Kapital reinvestieren.<br />
b) Überwachung und Weisung bei Investitionsprojekten: Anlegerinnen und Anleger haben die<br />
Möglichkeit, die eigenen Investments zu überwachen und Weisungen an das Management abzugeben,<br />
mehr Spielraum in konjunkturellen Schwächephasen, erforderte dafür aber in Aufschwungjahren eine<br />
ehrgeizigere Konsolidierung als bisher vorgeschrieben. Grundgesetzlich vorgeschrieben ist allein die<br />
symmetrische Berücksichtigung von Auf- und Abschwüngen.<br />
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Vgl. Levine, Ross (2005). Finance and Growth.<br />
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Informationsasymmetrien existieren insbesondere, weil der Gläubiger nicht exakt evaluieren kann, inwieweit<br />
der Schuldner kreditwürdig ist. Er verfügt somit über weniger Informationen als der Schuldner, der sein Risiko<br />
besser einschätzen kann. Transaktionskosten spiegeln hingegen Kosten wider, die durch den Abschluss von<br />
Verträgen entstehen. So fallen darunter unter anderem Verhandlungs-, Bearbeitungs-, und<br />
Informationsbeschaffungskosten. Eine strenge Regulierung <strong>des</strong> Finanzsystems ist auch <strong>des</strong>halb notwendig, damit<br />
die Finanzintermediäre ihre Funktion, Informationsasymmetrien zwischen Schuldnern oder Gläubigern zu<br />
minimieren und hohe Transaktionskosten zu vermeiden, auch tatsächlich wahrnehmen.<br />
81<br />
Vgl. im Folgenden Levine, Ross (2005). Finance and Growth; sowie Sachverständigenrat zur Begutachtung<br />
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008). Das deutsche Finanzsystem.<br />
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