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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

Um die Beschäftigungsquote zu steigern oder min<strong>des</strong>tens zu stabilisieren, muss das BIP entweder beständig im<br />

Ausmaß <strong>des</strong> Produktivitätsfortschritts steigen oder die Arbeitszeiten pro Erwerbstätigen müssen entsprechend<br />

sinken. 383<br />

3.5.2. Zur empirischen Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung<br />

Der „Wachstumswert“ der erreicht werden muss, bevor sich das BIP positiv auf das Arbeitsvolumen und die<br />

Beschäftigung auswirkt, wird als „Beschäftigungsschwelle“ bezeichnet. 384 Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die<br />

jährlichen Wachstumsraten mit durchschnittlich über 8 Prozent (1950er Jahre) beziehungsweise dann knapp<br />

unter 5 Prozent (1960er Jahre) noch sehr hoch lagen, stieg auch die Produktivität stark an. Die<br />

Beschäftigungsschwelle lag Schätzungen zufolge bei 4 bis 5 Prozent. Mit dem kontinuierlichen Absinken der<br />

Wachstumsraten auf einen durchschnittlichen Wert von 1 Prozent in der ersten Dekade <strong>des</strong> neuen Jahrhunderts<br />

sank auch die Beschäftigungsschwelle deutlich auf unter 2 Prozent. 385<br />

Im langfristigen Verlauf zeigt sich allerdings, dass zwischen BIP- und Produktivitätsentwicklung keine feste<br />

Beziehung besteht. 386 Gleichwohl zeigen die Daten für Deutschland, dass die Produktivitätsentwicklung mit den<br />

sinkenden Wachstumsraten <strong>des</strong> BIP über die letzten Dekaden zurückgegangen ist. Allerdings lagen die<br />

Steigerungsraten der Produktivität je Erwerbstätigenstunde in der Regel über denen <strong>des</strong> BIP.<br />

Dies bedeutet, dass beständig weniger Arbeitseinsatz gebraucht wurde, um das (langsamer wachsende) jährliche<br />

BIP zu produzieren. Bei der Entwicklung <strong>des</strong> preisbereinigten BIP und <strong>des</strong> Arbeitsvolumens kam es zu einer<br />

Scherenentwicklung: Vor wie nach der deutschen Vereinigung ging das Arbeitsvolumen zurück, während das<br />

reale BIP – zwar mit abnehmenden prozentualen Zuwächsen und von konjunkturellen Entwicklungen und Krisen<br />

abgesehen – kontinuierlich wuchs. Letzteres stieg zwischen 1970 und 1990 um 67 Prozent an, während das<br />

Arbeitsvolumen im gleichen Zeitraum um gut 7 Prozent sank. Ähnlich war die Entwicklung nach der deutschen<br />

Vereinigung. Zwischen 1991 und 2008, also bis zum Beginn der großen Krise, ging das Arbeitsvolumen um<br />

4,5 Prozent zurück, während das reale BIP im gleichen Zeitraum um 28,5 Prozent stieg (vgl. Abbildung 34).<br />

Infolge der großen Krise brachen 2009 das reale BIP (minus 5,1 Prozent) und das Arbeitsvolumen (minus<br />

2,7 Prozent) deutlich ein. Nach diesem Einbruch stieg das Arbeitsvolumen 2010 und 2011 um insgesamt<br />

4 Prozent deutlich an, blieb aber aufgrund <strong>des</strong> wieder relativ hohen Produktivitätsfortschritts deutlich hinter<br />

dem Wachstum <strong>des</strong> realen BIP von 6,8 Prozent zurück.<br />

Dieser empirische Überblick macht deutlich, dass es in den letzten Dekaden in Deutschland eines laufend<br />

höheren Wirtschaftswachstums bedurft hätte, um ein sinken<strong>des</strong> Arbeitsvolumen und daraus resultierende<br />

Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden. Die Erklärungen für das niedrige und in der Tendenz sogar<br />

kontinuierlich sinkende Wachstum sind vielfältig. Solange die Bevölkerung in Deutschland noch zunahm, reichte<br />

das Spektrum der Erklärungen von nachfragebedingten (schwache Nachfrage wegen zurückbleibender<br />

Entwicklung der Masseneinkommen, Konzentration von Einkommen und Vermögen, zunehmenden relativen<br />

Sättigungstendenzen et cetera) bis hin zu angebotsseitigen (nachlassende Innovationstätigkeit, fehlende<br />

Investitionen wegen ungünstiger Kosten- und Steuerstruktur et cetera). Mit dem Wendepunkt bei der<br />

Bevölkerungsentwicklung von anhaltender Expansion zur Schrumpfung im Jahr 2002 kommt der<br />

zurückgehenden Bevölkerung ein wesentlicher Erklärungsansatz für sinkende Wachstumsraten zu. Die bereits<br />

vorgestellten Projektionen zeigen, dass von der zurückgehenden Bevölkerungsgröße zukünftig eine erheblich<br />

dämpfende Wirkung auf das jährliche Wachstum ausgeht, sodass die Wachstumsraten der kommenden zwei<br />

383<br />

Vgl. Herzog-Stein, Alexander; Lindner, Fabian; Sturn, Simon; van Treeck, Till (2010). Vom Krisenherd zum<br />

Wunderwerk?: insbesondere 1 ff.<br />

384<br />

Zur Vorgehensweise bei der Ermittlung der Beschäftigungsschwelle siehe beispielsweise Sachverständigenrat<br />

zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2005). Die Chance nutzen – Reformen mutig<br />

voranbringen: 141-145.<br />

385<br />

Vgl. Schirwitz, Beate (2005). Wirtschaftswachstum und Beschäftigung – die Beschäftigungsschwelle.<br />

386<br />

Nicholas Kaldor hatte unter Verweis auf Arbeiten von Petrus J. Verdoorn eine allgemeine lineare<br />

Abhängigkeit von Produktivitäts- und Outputwachstum beschrieben („Verdoorn’sches Gesetz“). Vgl. Kaldor,<br />

Nicholas (1966). Causes of the Slow Growth in the United Kingdom. Verdoorn selbst musste jedoch später<br />

zugestehen, dass seit Mitte der 1960er Jahre ein eindeutiger Zusammenhang von Produktions- und<br />

Produktivitätswachstum nicht mehr empirisch zweifelsfrei nachweisbar sei. Vgl. Verdoorn, Petrus Johannes<br />

(1980). Verdoorn’s Law in Retrospect.<br />

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