18.04.2013 Aufrufe

Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

5636<br />

5637<br />

5638<br />

5639<br />

5640<br />

5641<br />

5642<br />

5643<br />

5644<br />

5645<br />

5646<br />

5647<br />

5648<br />

5649<br />

5650<br />

5651<br />

5652<br />

5653<br />

5654<br />

5655<br />

5656<br />

5657<br />

5658<br />

5659<br />

5660<br />

5661<br />

5662<br />

5663<br />

5664<br />

5665<br />

5666<br />

5667<br />

5668<br />

5669<br />

5670<br />

5671<br />

5672<br />

5673<br />

5674<br />

5675<br />

5676<br />

Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

rückläufig. 308 Durch die deutlich höheren Renditeerwartungen im Finanzsektor im Vergleich zum<br />

produzierenden Unternehmenssektor wurde zunehmend mehr Einkommen im Finanzsektor akkumuliert. Das<br />

Wachstum der Finanzmärkte hat sich somit vom Wachstum der Realwirtschaft weitgehend entkoppelt.<br />

Die möglichen positiven Effekte der Finanzmärkte stellen sich also nicht per se und aus sich heraus ein.<br />

Finanzmärkte sind nicht prinzipiell effizient. Der direkte Beitrag der Finanzmarktintegration für das Wachstum<br />

in den Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländern ist ambivalent und oft kaum korrekt messbar. Positive<br />

Wirkungen von Finanzmärkten auf Investitionen und Wohlstand können nur dann dauerhaft bestehen, wenn der<br />

richtige regulatorische Rahmen gesetzt wird. Marktversagen und externe Effekte müssen internalisiert werden.<br />

3.2.3. Gefahren für Wachstum und Wohlstand am Beispiel Finanzkrise<br />

Dass eine vertiefte Finanzmarktintegration auch mehr Volatilität und Instabilität bedeutet, wurde besonders in<br />

der letzten Finanzkrise deutlich. Nicht nur in Europa konnte man vor der Krise ein erhebliches Wachstum <strong>des</strong><br />

Bankensektors beobachten. Die Handelsbilanzen der Finanzinstitutionen in Europa sind bis 2008 auf 43<br />

Trillionen Euro angewachsen, das ist mehr als 350 Prozent <strong>des</strong> BIP der Europäischen Union. Spanien und<br />

Irland haben in der EU das größte Wachstum erlebt, teilweise mit zweistelligen Wachstumsraten <strong>des</strong><br />

Bankensektors. Diese Unterschiede im Wachstum <strong>des</strong> Bankensektors machten sich auch später in der Krise<br />

bemerkbar. 309 Dieses rapide Wachstum hatte mehrere Ursachen. Eine wichtige Ursache waren konstant niedrige<br />

Zinsen, die für Banken sehr günstige Kreditbedingungen generiert haben. Außerdem fanden vielfach neue<br />

Handelsaktivitäten wie erhöhter Eigenhandel und Handel mit neuen Finanzprodukten (Derivate, CDO, CDS<br />

et cetera) statt, die nur teilweise in den Bankbilanzen zu finden waren. So entstand ein großes<br />

Schattenbankensystem, in das viele Risiken ausgelagert wurden, 310 und Handelsgeschäfte wurden zumeist nicht<br />

in angemessener Höhe mit Eigenkapital hinterlegt und damit verbundene Risiken falsch eingeschätzt. Insgesamt<br />

haben Banken ihre Bilanzen vor dem Hintergrund leichter Kreditkonditionen, eines Umfelds niedriger Zinsen<br />

und eines scheinbar niedrigen Risikos massiv ausgedehnt.<br />

Diese Entwicklung hat zu einer Fehlallokation von Kapital geführt. Das Kapital ist nicht dorthin geflossen, wo<br />

es aus volkswirtschaftlicher Sicht am sinnvollsten hätte eingesetzt werden können, nämlich in produktive<br />

Investitionen, sondern in eine Blase <strong>des</strong> US-amerikanischen Immobilienmarktes. Die Krise hat entgegen der<br />

Lehrbücher gezeigt, dass eine höhere erwartete Rendite kein Indikator dafür ist, dass Kapital dort auch aus<br />

volkswirtschaftlicher Sicht gut angelegt ist. Es hat sich gezeigt, dass die massive Deregulierung der<br />

Finanzmärkte zu Fehlallokationen und Fehlentwicklungen geführt hat, die dieses Problem verstärkten und<br />

massive Folgen für die Realwirtschaft hatten. Mit der Dauer der Finanzkrise wurde deren systemischer<br />

Charakter immer offensichtlicher. Es handelt sich dabei um das Ineinanderwirken von drei Einflussfaktoren, die<br />

eng miteinander verzahnt sind: Defizite der Regulierungsarchitektur, weitere ökonomische Einflussfaktoren<br />

(makroökonomische Ungleichgewichte, aber auch Inkohärenzen <strong>des</strong> Steuersystems 311 wie die steuerliche<br />

Bevorteilung von Fremd- gegenüber Eigenkapital und die Bevorzugung von Einkommen aus Vermögen<br />

gegenüber Erwerbseinkommen und die Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung 312 ) sowie<br />

politökonomische Aspekte. 313<br />

Bisher wurden nur sehr limitierte Restrukturierungen vorgenommen, und eine EU-weite Einigung zur Lösung<br />

der Bankenkrise konnte nicht gefunden werden. 314 Obwohl Staaten viele Banken weitreichend gestützt haben,<br />

konnte bisher keine adäquate Regulierung verabschiedet werden, um zukünftige Finanzkrisen zu vermeiden.<br />

Eine Neugestaltung der Finanzmarktregulierung muss daher auf die strukturellen Ursachen für die<br />

zurückliegende Finanzkrise reagieren und mögliche künftige Fehlentwicklungen antizipieren.<br />

308<br />

Und eine Rückkehr zu exponentiellem Wirtschaftswachstum ist dauerhaft weder normativ wünschenswert<br />

noch sinnvoll oder überhaupt möglich.<br />

309<br />

Vgl. Liikanen, Erkki; Bänziger, Hugo; Campa, José Manuel; Gallois, Louis; Goyens, Monique; Krahnen, Jan<br />

Pieter; Mazzucchelli, Marco; Sergeant, Carol; Tuma, Zdenek; Vanhevel, Jan; Wijffels, Herman (2012). Highlevel<br />

Expert Group on Reforming the Structure of the EU Banking Sector: 12.<br />

310<br />

Vgl. Liikanen, Erkki et al. (2012): 13.<br />

311<br />

Siehe Schuberth, Helene (2012). Tax Policies and Financial Stability.<br />

312<br />

Zur Rolle der Ungleichheit als strukturelle Ursache der Finanzkrise siehe: Rajan, Raghuram G. (2010). Fault<br />

Lines.<br />

313<br />

Siehe zum Beispiel Levine, Ross (2010). The Governance of Financial Regulation; und Mooslechner, Peter;<br />

Schuberth, Helene; Weber, Beat (2006). The Political Economy of Financial Market Regulation.<br />

314<br />

Vgl. Liikanen, Erkki et al. (2012): 3.<br />

162

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!