Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2849<br />
2850<br />
2851<br />
2852<br />
2853<br />
2854<br />
2855<br />
2856<br />
2857<br />
2858<br />
2859<br />
2860<br />
2861<br />
2862<br />
2863<br />
2864<br />
2865<br />
2866<br />
2867<br />
2868<br />
2869<br />
2870<br />
2871<br />
2872<br />
2873<br />
2874<br />
2875<br />
2876<br />
2877<br />
2878<br />
2879<br />
2880<br />
2881<br />
2882<br />
2883<br />
2884<br />
2885<br />
2886<br />
2887<br />
2888<br />
2889<br />
2890<br />
2891<br />
2892<br />
2893<br />
2894<br />
2895<br />
Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />
Ausfallsrisiko in verschiedene Kategorien ein. So wurden auch die letztlich mit amerikanischen<br />
Immobilienkrediten besicherten CDO sowie die Staatsanleihen aller Länder <strong>des</strong> Euroraums von Ratingagenturen<br />
bewertet. Indem Ratings die Informationsasymmetrien verringern, soll Investoren die Entscheidungsfindung bei<br />
dem Kauf von Finanzmarktprodukten erleichtert werden. Eine verlässliche Bewertung setzt allerdings die<br />
Unabhängigkeit der Agentur voraus. 96 Ein fundamentales Problem bestand jedoch darin, dass Ratingagenturen<br />
von den Banken beauftragt wurden, die neu auf den Markt zu bringenden Produkte vorab zu bewerten. Zwar<br />
kam es dabei vor, dass CDO vorab auch negativ eingestuft wurden. Die Banken bekamen aber nach dieser<br />
Einstufung die Möglichkeit, ihre Finanzkonstrukte entsprechend neu zu strukturieren, dass sie einer positiven<br />
Einstufung gerecht wurden. Beratung und Bewertung wurden also von der gleichen Institution durchgeführt, was<br />
zu der Befürchtung Anlass gibt, dass die Bewertungsabteilung einer Agentur nicht unabhängig von der<br />
Beratungsabteilung urteilt. Zudem wurde die Bezahlung vom Konstrukteur der Produkte geleistet, der ein<br />
natürliches Interesse an einer möglichst guten Bewertung hat. Um derartige Interessenkonflikte zu vermeiden, ist<br />
anzuraten, Beratung und Bewertung streng voneinander zu trennen und zudem einen anderen Weg der<br />
Bezahlung zu finden, zum Beispiel durch die Käufer der Wertpapiere. Schließlich sollte eine Kontrolle der<br />
Ratingagenturen – wie bei den Banken durch Basel III – eingeführt werden. 97<br />
Des Weiteren ist es notwendig, international gültige Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Basel III<br />
auszuhandeln und insbesondere auch in den Vereinigten Staaten durchzusetzen. Darin müssen die Fehler, die in<br />
den bisherigen Regulierungssystemen wie Basel I oder II zur Finanzkrise beigetragen haben, beseitigt werden.<br />
Dazu zählen die Herausnahme der Zweckgesellschaften und Hedgefonds von der Bankenregulierung, die<br />
prozyklisch wirkende Mark-to-Market-Methode und die ungenügende Unterlegungspflicht mit Eigenkapital. Im<br />
reformierten System sollten daher explizit höhere Eigenkapitalquoten verankert werden. Ebenfalls sollte eine<br />
international einheitliche Rechnungslegungsform (entweder International Financial Reporting Standards, IFRS,<br />
oder Generally Accepted Accounting Principles, GAAP) festgelegt werden, sodass es zu keinen<br />
unterschiedlichen Bilanzierungsmöglichkeiten kommen kann. Grund hierfür ist, dass die Bilanzsumme – und<br />
damit die als Anteil an der Bilanzsumme berechnete Eigenkapitalquote – je nach angewandter<br />
Rechnungslegungsform deutlich unterschiedlich ausfallen kann. Eine Erhöhung der regulatorischen<br />
Eigenkapitalanforderung kann also aktuell durch die Wahl der entsprechenden Bilanzierungsform umgangen<br />
werden, ohne dass sich das eingegangene Risiko tatsächlich ändert. In Anbetracht <strong>des</strong>sen wäre es von Vorteil,<br />
eine globale oder zumin<strong>des</strong>t europäische Bankenaufsicht einzuführen, der die nationalen Aufsichtsbehörden<br />
untergeordnet sind. Dies würde es ermöglichen, die empfohlenen Regulierungsmaßnahmen leichter zu<br />
implementieren und Verstöße effizienter zu sanktionieren. Hierdurch wäre eine internationale Angleichung und<br />
Optimierung der Finanzmärkte möglich.<br />
Wichtig wäre zudem, nicht nur Banken, sondern alle finanziellen Unternehmen einer – soweit zielführend –<br />
einheitlichen Regulierung zu unterwerfen. Bezieht sich eine Regulierungsverschärfung nämlich nur auf den<br />
Bankensektor, so besteht die Gefahr, dass riskante Aktivitäten auf weniger kontrollierte Akteure verschoben<br />
werden, ohne dass sich das makroökonomische Risiko verringert. Auch die Aktivitäten am Rande <strong>des</strong> regulierten<br />
Bankensystems (insbesondere in Schattenbanken oder Zweckgesellschaften) sollten in den Regulierungsrahmen<br />
einbezogen werden.<br />
Flankierend könnten auch Selbstverpflichtungen der Banken und anderer finanzieller Unternehmen eine Rolle<br />
spielen. Dazu zählen zum Beispiel die ursprünglich aus dem Nachhaltigkeitsbereich der Banken stammenden<br />
UN Principles for Responsible Investments (UN PRI). Zudem könnten organisatorische Maßnahmen einen<br />
schnell umsetzbaren Beitrag für mehr Stabilität leisten, zum Beispiel die Einführung eines sogenannten New-<br />
Product-Approval-Prozesses, bei dem neue Produkte vor ihrer Einführung einen transparenten und<br />
nachvollziehbaren Genehmigungsprozess durchlaufen.<br />
Auch die Struktur und Organisation <strong>des</strong> Bankensektors insgesamt sollte mit Blick auf die Too-big-to-fail-<br />
Problematik behandelt werden. Konkret wäre zu prüfen, ob eine Einführung <strong>des</strong> sogenannten Trennbanken-<br />
Systems nicht eine zielführende regulatorische Maßnahme sein könnte, um eine Trennung von Risiken aus dem<br />
96<br />
Hier setzen bereits mehrere EG- beziehungsweise EU-Verordnungen an, deren Ziel es ist, die Unabhängigkeit<br />
und Transparenz der Ratingagenturen zu erhöhen. Bereits in Kraft getreten sind die Verordnungen Nr.<br />
1060/2009, 513/2011, 272/2012 sowie 946/2012. Vgl. Europäische Union (2009). Amtsblatt der Europäischen<br />
Union Nr. L 302/1 vom 17. November 2009; Europäische Union (2011). Amtsblatt der Europäischen Union Nr.<br />
L 145/30 vom 31. Mai 2011; Europäische Union (2012). Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 90/6 vom 28.<br />
März 2012; sowie Europäische Union (2012). Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 282/23 vom 16. Oktober<br />
2012.<br />
97<br />
Vgl. Sinn, Hans-Werner (2010). Kasino-Kapitalismus:77-181 sowie 394 f.<br />
77