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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

reintegrierbarer, vor allem älterer Langzeitarbeitsloser, der sich vor allem aus vormaligen Industriearbeiterinnen<br />

und Industriearbeitern bestand.<br />

Die Wachstumsleistung der deutschen Volkswirtschaft nahm in dieser Zeit im Trend ab. Das BIP wuchs im<br />

jährlichen Durchschnitt mit 2,2 Prozent (1973-80) und 1,9 Prozent (1980-89), weit weniger als die 4,4 Prozent in<br />

der Zeit der Überbeschäftigung 1960-73. Ähnliches gilt für die Arbeitsproduktivität, die jährliche<br />

Steigerungsraten von 3,2 Prozent (1973-80) und 2,2 Prozent (1980-89) aufwies, gleichfalls deutlich weniger als<br />

die 5,2 Prozent in der Zeit 1960-73. Es wurde intensiv darüber diskutiert, auf welche Ursachen die beobachtete<br />

„Wachstumsmalaise“ zurückzuführen sein könnte. 34 In der historischen Rückschau war die Verlangsamung <strong>des</strong><br />

Wachstums nichts anderes als eine Normalisierung: Mit Steigerungsraten von noch über zwei Prozent pro Jahr<br />

lag der Fortschritt der Arbeitsproduktivität noch immer über dem, was im langfristigen Durchschnitt der<br />

Industrienationen seit Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts zu beobachten ist. 35 Es ging also eigentlich gar nicht um eine<br />

außergewöhnliche Wachstumsschwäche, sondern um eine Art Ausklingen <strong>des</strong> Nachkriegsbooms, also das Ende<br />

einer außergewöhnlichen Wachstumsstärke. 36<br />

Gleichwohl bleibt die Frage, wo die Gründe für dieses Ende lagen. Vieles spricht dafür, dass die<br />

Wachstumskräfte der Zeit bis 1973 an jene (temporären) Grenzen stießen, die sich durch die globale<br />

Verfügbarkeit von Ressourcen und die lokale Belastung der Umwelt ergaben. Tatsächlich induzierten die<br />

massive Verteuerung der Rohstoffe sowie die zunehmende Bepreisung der lokalen Umwelt durch staatliche<br />

Regulierung einen umfassenden Prozess der Erneuerung <strong>des</strong> industriellen Kapitalbestands, und zwar in Richtung<br />

auf ressourcen- und umweltschonende Technologien. Dieser Strukturwandel war teuer und kompliziert, und er<br />

erforderte eine neue industrielle Innovationskraft, die erst Schritt für Schritt aufgebaut werden musste. Hinzu<br />

kam die Herausforderung der damals aufkommenden Mikroelektronik, die als neuartige „general purpose<br />

technology“ 37 praktisch die gesamte Wirtschaft durchdrang und fast flächendeckend zu neuartigen, noch<br />

unerprobten Arbeitsteilungen und -prozessen führte. Es kann nicht verwundern, dass dabei der<br />

Produktivitätsfortschritt gesamtwirtschaftlich langsamer verlief als noch im „Aufholwachstum“ der 1950er und<br />

1960er Jahre, das in eher vertrauten industriellen und technologischen Bahnen verlief. Im Vordergrund stand<br />

eben nicht mehr ein „quantitatives“ Wachstum, sondern vielmehr ein „qualitatives“ Wachstum als Antwort auf<br />

den Strukturwandel.<br />

Die „Wachstumsmalaise“ Deutschlands – und im Übrigen fast aller westlichen Industrienationen mit<br />

marktwirtschaftlicher Ordnung – wurde seinerzeit als Krise wahrgenommen. Im Nachhinein ist aber klar, dass es<br />

sich um einen letztlich unvermeidbaren Strukturwandel handelte. Dies lässt sich am Schicksal der mittel- und<br />

osteuropäischen Länder erkennen, die genau diesen Wandel nicht mitmachten. Ihr Rückstand in Bezug auf<br />

industrielle Effizienz und Modernität war zwar schon in den frühen 1970er Jahre deutlich erkennbar; er gewann<br />

aber erst dann eine völlig neue Dimension, als sich die sozialistisch gelenkten Planwirtschaften als völlig unfähig<br />

erwiesen, die Herausforderung höherer Energie- und Rohstoffpreise durch eine radikale Neuorientierung in eine<br />

ressourcensparende ökologische Richtung überhaupt anzunehmen. 38 Nach dem Mauerfall zeigte sich im Osten<br />

Deutschlands exemplarisch, wie katastrophal der Zustand <strong>des</strong> Maschinenparks in der planwirtschaftlichen<br />

Industrie war. Gerade die massive Verschwendung von Energie sowie die rücksichtslose Zerstörung der Umwelt<br />

durch die Emissionen großindustrieller Anlagen erwiesen sich als Haupthindernisse auf dem Weg zum<br />

Wiedergewinn der Wettbewerbsfähigkeit unter marktwirtschaftlichen Bedingungen.<br />

3.1.4 1989-2005: Wachstumskrise II: Aufbau Ost und Globalisierung<br />

Nicht nur politisch bildet die turbulente Zeit vom Mauerfall im November 1989 bis zum politischen Abschluss<br />

der deutschen Einheit im Oktober 1990 eine Zäsur. Auch wirtschaftlich beginnt zu dieser Zeit mit dem Aufbau<br />

Ost, der Öffnung Mittel- und Osteuropas sowie der verstärkten Integration der großen Entwicklungsländer der<br />

Welt (China, Indien und andere) eine Phase neuer Herausforderungen. Was die deutsche Einheit betrifft, wurden<br />

34<br />

Ein kleinerer Teil der Ökonominnen und Ökonomen sah in der „Wachstumsmalaise“ selbstverschuldete Fehler<br />

einer zu abrupt kontraktiven Geld- und Fiskalpolitik, die schwere Rezessionen provoziert und einen dauerhaften<br />

Schaden hinterlassen hatte; ein größerer Teil glaubte, angebotsbedingte Wachstumsschwächen der deutschen<br />

Wirtschaft zu erkennen. Zu den unterschiedlichen Positionen, siehe Giersch, Herbert; Paqué, Karl-Heinz;<br />

Schmieding, Holger (1994). The Fading Miracle: Kapitel 5.<br />

35<br />

Siehe dazu Maddison, Angus (2003). The World Economy.<br />

36<br />

Dies ist die zentrale Schlussfolgerung <strong>des</strong> CEPR-Projektes zum Wachstum der 1950er bis 1980er Jahre, das<br />

den Beiträgen in Crafts; Toniolo (1996) zugrunde liegt.<br />

37<br />

Vgl. Helpman, Elhanan (Hrsg.) (1998). General Purpose Technologies and Economic Growth.<br />

38<br />

Dazu exemplarisch am Fall der DDR: Steiner, André (2004). Von Plan zu Plan.<br />

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