Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />
Wertschöpfung wird jedoch bereits seit Anfang der 1970er Jahre im Dienstleistungssektor einschließlich <strong>des</strong><br />
öffentlichen Dienstes erwirtschaftet. Heute liegt der Anteil bei etwa 70 Prozent.<br />
2.2. Erfassungsprobleme <strong>des</strong> BIP und seiner Veränderung<br />
Auch wenn das BIP als Maß der wirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft gilt, werden weite Teile der<br />
tatsächlichen Leistung gar nicht erfasst, obwohl sie von grundlegender Bedeutung für alle wirtschaftlichen wie<br />
gesellschaftlichen Aktivitäten sind. Dies gilt für alle Arbeiten, die legal, aber unbezahlt im Bereich der privaten<br />
Haushalte (unter anderem Sorgearbeit 243 ), in Organisationen ohne Erwerbszweck oder in Form von<br />
Ehrenämtern erfolgen. Schätzungen gehen davon aus, dass bei einer Erfassung dieser nicht über Märkte<br />
laufenden Haushaltsproduktion das BIP um rund ein Drittel höher liegen würde. 244 Diese Nichterfassung<br />
erschwert auch den Vergleich mit anderen Ländern, in denen – etwa wegen einer höheren Erwerbstätigenquote<br />
der Frauen – mehr Haushaltsproduktion über den Markt erwirtschaftet wird (sogenannte „Marketization“). 245<br />
Auch alle Leistungen, die – illegal – im Bereich der Schattenwirtschaft („schwarz“) im Rahmen nicht<br />
registrierter Erwerbstätigkeit erfolgen, werden lediglich durch Schätzungen versucht zu erfassen.<br />
Untersuchungen gehen davon aus, dass dennoch bis zu 17 Prozent an erfolgten Leistungen im Bereich der<br />
Schattenwirtschaft sich nicht im BIP widerspiegeln. 246<br />
Bereits die Erfassung <strong>des</strong> BIP ist also mit erheblichen Problemen verbunden, sodass das jeweils ausgewiesene<br />
BIP bei Weitem nicht die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegelt. Auch bei der Feststellung<br />
<strong>des</strong> BIP-Wachstums, also der Feststellung, inwieweit sich das BIP im Zeitablauf verändert, zeigen sich<br />
erhebliche Schwierigkeiten. Der BIP-Berechnung liegen wie beschrieben keine unveränderlichen Größen wie<br />
Mengen, Gewichte oder Volumen zugrunde. Wäre das der Fall, könnte zweifelsfrei und objektiv festgestellt<br />
werden, ob das BIP im Zeitablauf sinkt, konstant bleibt oder wächst. Güter gehen aber in der Regel mit ihren<br />
jeweiligen Marktpreisen in die Berechnung ein, und diese sind abhängig von Preisveränderungen. Steigen die<br />
Preise beispielweise um 5 Prozent, erhöht sich auch bei gleich bleibender Güterproduktion das nominale BIP<br />
um 5 Prozent. Um festzustellen, wie sich das BIP gegenüber der Vorperiode tatsächlich, also „real“ verändert<br />
hat, müssen reine Preisveränderungen herausgerechnet werden, das heißt, das „nominale“ BIP muss in ein<br />
„reales“ BIP umgerechnet werden. Dazu wird versucht, alle Waren und Dienstleistungen zu den Preisen eines<br />
Basisjahres zu bewerten („BIP zu konstanten Preisen“).<br />
Dieser Umrechnungsprozess vom nominalen in das reale BIP stellt die amtliche Preisstatistik vor Probleme, da<br />
sich viele Produkte von Erhebungszeitraum zu Erhebungszeitraum erheblich verändern. Reine Preisänderungen<br />
sind nur dann zweifelsfrei festzustellen, wenn ein Warenkorb einmal definiert ist und die darin befindlichen<br />
Güter sich nicht verändern. In dem Fall misst ein festgestellter höherer Preis <strong>des</strong> aktuellen Warenkorbs<br />
gegenüber dem vorangegangen exakt die Preissteigerung.<br />
Anders sieht es aus, wenn sich die Qualität der Produkte ändert und sie in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr<br />
erhältlich sind. In dem Fall kann eine festgestellte Preiserhöhung eines Gutes gegenüber dem vorangegangenen<br />
Erhebungszeitraum nicht mehr als „reine“ Preiserhöhung gewertet werden. In der Statistik wird in diesem Fall<br />
versucht den Geldwert der veränderten Güterqualität zu bestimmen. Dazu stehen verschiedene Verfahren zur<br />
Verfügung. 247 Der auf diese Weise ermittelte „Mehrwert“ <strong>des</strong> Produkts wird dann von dem ermittelten höheren<br />
243<br />
Sorgearbeit oder Care-Arbeit umfasst Tätigkeiten, bei denen Menschen für andere sorgen beziehungsweise<br />
die alltägliche Versorgung anderer Menschen sicherstellen (zum Beispiel Pflege oder Kindererziehung). Vgl.<br />
Biesecker, Adelheid; Wichterich, Christa; Winterfeld, Uta von (2012). Feministische Perspektiven zum<br />
Themenbereich Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität.<br />
244<br />
Die Eigenproduktion im Haushalt wurde hierbei mit dem Nettolohn einer Hauswirtschafterin bewertet. Vgl.<br />
Statistisches Bun<strong>des</strong>amt (2003). Wo bleibt die Zeit?: 13.<br />
245<br />
Vgl. Schettkat, Ronald (2012). Dienstleistungen zwischen Kostenkrankheit und Marketization.<br />
246<br />
Vgl. Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW); Rheinisch-Westfälisches Institut für<br />
Wirtschaftsforschung (RWI) (2010). Abschätzung <strong>des</strong> Ausmaßes der Schwarzarbeit: 96.<br />
247<br />
Neben der „Ausstattungsbereinigung“, in der versucht wird, den Wert zusätzlicher Ausstattung abzuschätzen<br />
und dem Preis zuzuschlagen, gibt es das Verfahren der „Verkettung im überlappenden Zeitraum“, bei dem zu<br />
den einzelnen Gütern immer auch Ersatzprodukte mitbeobachtet werden, auf die im Fall einer Produktänderung<br />
umgestiegen werden kann. Als jüngstes Qualitätsbereinigungsverfahren werden sogenannte hedonische<br />
Methoden angewendet, bei denen mittels Regressionsanalysen ein quantitativer Zusammenhang zwischen dem<br />
Verkaufspreis und den Qualitätsmerkmalen von Gütern hergestellt wird. Vgl. zur Erläuterung Lint, Stefan;<br />
Eckert, Gudrun (2002). Zur Einführung hedonischer Methoden in der Preisstatistik.<br />
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